Der Staat in Ihrem Handy

Diese Überwachungspläne der EU haben es in sich: Ermittler*innen sollen auf alle privaten Chats bei WhatsApp, Telegram oder Signal zugreifen können. Datenschutz und Privatsphäre? Gäbe es quasi nicht mehr. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) kann das Vorhaben noch verhindern. Fordern auch Sie jetzt: Überwachung stoppen, Privatsphäre schützen!

Hallo John Do,

„Ich vermisse Dich, Schatz.” „Mein Chef ist so ein Ar***.“ „Treffen wir uns heute Abend um 8?” Egal was Sie am Handy schreiben, der Staat könnte bald mitlesen. Die EU-Kommission plant, dass Polizeibehörden selbst verschlüsselte Nachrichten von WhatsApp, Threema oder Mail-Programmen abfangen dürfen.[1] Alle Menschen mit Handy könnten so ausgespäht werden – automatisch, ohne Verdacht. Es wäre die größte europäische Datenüberwachung aller Zeiten.[2]

In der Theorie soll das im Kampf gegen Kindesmissbrauch helfen – in der Realität ist der Plan wirkungslos. Täter*innen nutzen die Messenger kaum für ihre Straftaten.[1] Selbst der Kinderschutzbund findet das Vorgehen unverhältnismäßig.[3]

Eine Frau kann den Plan noch stoppen: Innenministerin Nancy Faeser (SPD). Als Vertreterin des bevölkerungsreichsten EU-Landes hat ihre Stimme in Brüssel viel Gewicht. Dies muss sie nutzen – schließlich hat die Ampel-Regierung im Koalitionsvertrag versprochen, dass Chats durch Verschlüsselung privat bleiben.[4]

Menschen grundlos überwachen und wie Kriminelle behandeln – das ist ein Angriff auf unsere Privatsphäre. Darum startet Campact mit den Datenschützer*innen von der Digitalen Gesellschaft, Digital Courage und Digitale Freiheit einen Appell. Haben 100.000 Menschen unterzeichnet, ziehen wir mit meterhohen Handys vors Innenministerium und sorgen so für die passenden Schlagzeilen – damit Faeser handelt. Machen Sie mit, John Do, und fordern Sie: Privatsphäre retten, Überwachung stoppen!

Stellen Sie sich das mal vor: Ein Beamter sitzt am Schreibtisch und liest jeden Ihrer Briefe – das wäre eindeutig verfassungswidrig. Im Grundgesetz sichert das Briefgeheimnis unser Recht auf private Kommunikation.[5] Bei begründetem Verdacht auf Verbrechen können im Einzelfall Briefe und Handys überwacht werden – wenn Richter*innen es erlauben. Das ist richtig und muss auch für digitale Kanäle wie Chats und E-Mails gelten.

Mit ihren pauschalen Überwachungsplänen stellt die EU-Kommission jedoch mehr als 400 Millionen Bürger*innen unter Generalverdacht. Die Mitgliedstaaten sollen private Chats ohne Grund und rund um die Uhr ausspähen. „Fundamental fehlgeleitet”[6] sei das, sagen die IT-Expert*innen vom Chaos Computer Club.

Das alles verletzt nicht nur unsere Privatsphäre, sondern bedroht auch unsere demokratischen Grundwerte. Nur ein Beispiel: Viele Journalist*innen kommunizieren über die Messenger-Dienste, tauschen Nachrichten mit vertraulichen Quellen aus. Landen die beim Staat, gefährdet das die Informant*innen – und erschwert kritischen Journalismus.[2]

Nun regt sich auch in der SPD erster Widerstand. „Unfassbar was da aus Brüssel kommt”[7], findet etwa der Bundestagsabgeordnete Jens Zimmermann. Wenn sich neben ihrer eigenen Partei nun Zehntausende Verbraucher*innen gegen die Überwachung stellen, kann Nancy Faeser das kaum ignorieren. Schließen Sie sich dem Protest an und fordern Sie von der Innenministerin: Chat-Überwachung stoppen!

Herzliche Grüße
Friederike Gravenhorst, Campaignerin

PS: Die Handys von Hunderten Millionen Bürger*innen überwachen? Keine Behörde kann diese Fülle an Nachrichten, Bildern und Videos wirksam kontrollieren.[1] Die Pläne gefährden dabei nicht nur unsere Grundrechte. Sie schaden auch dem Kampf gegen das Verbrechen – weil sie Ressourcen binden, die woanders gebraucht werden. Helfen Sie, den Plan zu stoppen.

[1]„Riesenschritt in Richtung eines Überwachungsstaats“, Spiegel Online, 11. Mai 2022

[2]„Keine Massenüberwachung“, Pressemitteilung des Deutschen Journalistenverbands, 12. Mai 2022

[3]„Anlasslose Massenüberwachung? EU plant Gesetz zur Chatkontrolle“, SWR Online, 11. Mai 2022

[4]„Mehr Fortschritt wagen“, Koalitionsvertrag 2021-2025 zwischen SPD, Grünen und FDP, S. 13, eingesehen am 12. Mai 2022

[5]„Wie weit geht die EU beim Kinderschutz?“, Tagesschau Online, 11. Mai 2022

[6]„EU will alle Chatnachrichten durchleuchten“, Pressemitteilung vom Chaos Computer Club, 9. Mai 2022 eingesehen am 12. Mai 2022

[7]„Twitter-Nachricht von Jens Zimmermann (@JensZSPD) vom 10. Mai 2022“, Twitter, eingesehen am 12. Mai 2022