Seine Kernbotschaft war, dass der Staat in guten Zeiten Geld zurücklegen sollte, um damit in schlechten die Wirtschaft stimulieren zu können; zur Not auch über zusätzliche Kreditaufnahmen. Soweit zur Theorie. In der Praxis folgen viele Staatslenker seinem Ansatz, allerdings nur zur Hälfte. Denn sie machen gerne Schulden, sie pumpen Geld in die Wirtschaft... ach nein, sie pumpen es in Umverteilungsprogramme, wo es nicht stimuliert, sondern einfach verkonsumiert wird. Und das in jeder Wirtschaftslage. Auf dem Höhepunkt des Wirtschaftszyklus geben sie das Geld mit beiden Händen aus und wenn die Rezession an die Tür klopft, finden sie Gründe, weshalb sie gerade jetzt nicht mit dem Geldausgeben aufhören können. Das lief in den letzten Jahren erstaunlich gut und wer seine Staatsfinanzen in den Griff bekommen wollte, wie Deutschland unter Bundeskanzlerin Merkel und Finanzminister Schäuble, wurde von allen Seiten angegriffen. (Beinahe) jeder setzte auf Schulden und finanzierte damit sein Wachstum. Und es funktionierte. Aber nicht, weil es der richtige Weg war, oder weil (mal wieder) die Gesetze der Wirtschaft neu erfunden worden wären. „New Economy“ hieß dieser Irrsinn, der zur großen Internetblase führte, die Anfang 2000 platzte. Nein, der Grund für den „Erfolg“ war, dass die Wirtschaft manipuliert worden war und zwar in globalem Stil: von den Notenbanken. Weltweit senkten sie die Zinsen und machten Geld damit billig – am Ende sogar kostenlos. Schulden zu machen kostete selbst bei den ewig laufenden Staatsanleihen kaum noch Zinsen und dieses viele billige Geld floss in die Aktien-Märkte, die Immobilien, in Krypto-Währungen, einfach überall hin. Das ist vorbei! Wir sind in der neuen, eher der alten, realen Realität, angekommen. Es gibt wieder Inflation, es gibt wieder Zinsen, es gibt wieder starke Preissteigerungen und Wohlstandsverluste. Und inzwischen trifft dies auch die Immobilien-Preise. „Wenn sich die Fakten ändern, ändere ich meine Meinung.“ – John Maynard Keynes – Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich, heißt es. Jede Generation erlebt dieselbe Geschichte: Es gibt eine Übertreibungsphase, die viel länger anhält als man annehmen sollte und immer mehr weise Leute beginnen damit, dies auf neue Naturgesetze der Wirtschaft zurückzuführen, auf neue Erfindungen, neue Entwicklungen, irgendwas. „Die fünf teuersten Worte auf dem Gebiet des Geldanlegens sind: Dieses Mal ist alles anders.“ – Sir John Templeton – Doch es nicht anders, es ist nicht neu, niemals. Neu sind nur die Teilnehmer, die Akteure. Die „allesverändernde“ Erfindung waren mal die Dampfmaschine, dann die Eisenbahnen, dann die Elektrizität, das Automobil, das Flugzeug, der Computer, das Internet... All diese Erfindungen waren bahnbrechend und haben Jahrzehnte maßgeblich geprägt. Sie sind aus unserer Welt nicht wegzudenken. Aber... sie haben die Naturgesetze der Wirtschaft nicht neu definiert oder gar geändert. Angebot und Nachfrage bestimmen noch immer den Preis. Und der Preis für Risiko sind Zinsen. Die Zinsen sind zurück und das führt zu Veränderungen. Vieles von dem, was die jüngere Generation als selbstverständlich ansieht, verflüchtigt sich nun mit atemberaubender Geschwindigkeit. Und wer die Zeiten nicht erlebt hat, als die Zinsen hoch waren, als Inflation das Geld aufgezehrt hat, als Schulden erdrückend werden konnten, den trifft die neue alte Realität unvermittelt. Leider muss jede Generation ihre Lektionen selbst lernen. Man kann sie lehren, man kann Geschichten erzählen, und doch bleibt dies ein großer Unterschied zum selbst erfühlen, selbst erleben. „Erfahrung ist eine nützliche Sache. Leider macht man sie immer erst kurz nachdem man sie braucht.“ – Johann Wolfgang von Goethe – Doch selbst diejenigen unter uns, die bereits Erfahrung mit Inflation und Zinsen gemacht haben, müssen sich erstmal wieder umgewöhnen. So geht es mir, auch ich habe mich an das billige Geld gewöhnt, weil es jahrelang „normal“ war. Dabei bin ich in den 1970ern und 1980ern aufgewachsen mit hoher Inflation, hohen Zinsen, Öl-Krise. Während meiner Banklehre machte ich auch in der Kreditabteilung Station und kann mich noch gut daran erinnern, dass der Kundenbetreuer 1991 einem Kunden riet, die gerade gefallenen Zinssätze für seinen Immobilien-Kredit für 10 Jahre festzuschreiben, denn sie würden nun wieder unter dem langjährigen Durchschnitt notieren. Das klingt nicht unvernünftig, allerdings lag der Zinssatz für 10-jährige Hypotheken damals bei 9,7%. Richtig gelesen: 9,7% pro Jahr. Damals gab es noch die D-Mark, aber die Relationen waren die gleichen wie beim heutigen Euro. Wer sich 100.000 Euro lieh, musste jedes Jahr 9.700 Euro an Zinsen zahlen. 2021 waren es etwa 500 Euro, da der Zinssatz bei 0,5 % oder noch tiefer lag. Die Differenz nur für die Zinsen liegt also bei 9.200 Euro pro Jahr und bei einer 10-jährigen Zinsfestschreibung summiert sich das auf 92.000 Euro auf. 1991 war eine Tilgung von 1% pro Jahr üblich, denn der Kredit war dank der Zinsen auch so schon teuer genug. Am Ende lag die Abzahlungsdauer in der Regel zwischen 25 und 30 Jahren. Und rechnen wir bei unserem Beispiel statt mit 10 mit 30 Jahren, läge die Zinsdifferenz bei 276.000 Euro. Nur Zinsen! Mehr Zinsen. Zins-Wende und Zins-Schock Das ist leider noch nicht alles; eigentlich ist es gerade mal erst der Anfang des Dilemmas. Denn das Zinsniveau hat einen unmittelbaren Einfluss auf die Immobilien-Preise. Während die Zinsen 30 Jahre lang immer weiter gefallen sind, konnten sich immer mehr Menschen ein Eigenheim leisten. Denn für die Finanzierung ist die monatliche Rate entscheidend, die muss man sich leisten können. Und wenn die Zinsen 9% betragen, dann bleibt in einer Monatsrate von 1.000 Euro viel weniger Platz für die Tilgung, also den Rückzahlungsanteil. Bei einem Zinssatz von 1% ist der Spielraum viel größer und man kann entweder den Kredit durch eine höhere Tilgung schneller abbezahlen oder aber man kann sich eine teurere Immobilie leisten. Und genau das fand statt. Die niedrigen Zinsen führten zu einem Anstieg der Immobilien-Preise, denn mehr Menschen konnten sich Immobilien leisten und das erhöhte die Nachfrage. Da seit Jahrzehnten zu wenig gebaut wird, wuchs das Angebot nicht entsprechend mit, daher stiegen die Preise. Zudem stieg auch die durchschnittliche Wohnfläche pro Person, so dass die Immobilien auch größer wurden. Aufgrund der steigenden Immobilien-Preise floss auch immer mehr Geld von Kapitalanlegern in diesen Sektor, was die Preise ebenfalls anschob. Und je höher die Immobilien-Preise, desto höher fallen auch die Mieten aus, die für Anleger die Immobilien ja abbezahlen müssen. Diese Gemengelage führte dazu, dass die Immobilien-Preise in den letzten 13 Jahren nur eine Richtung kannten: nach oben. Teilweise sind die Preise zweistellig gestiegen, in den letzten Jahren mancherorts sogar um 15% oder 30%. In nur einem Jahr. Kein Wunder, dass so gut wie jeder dachte, das würde ewig so weitergehen. Immobilien sind eine sichere Geldanlage und konnten einige Jahre sogar Aktien outperformen. Aus. Vorbei. Denn die Zinswende killt die Immobilien-Spekulation. Die deutlich höheren Zinsen machen Immobilien schlagartig für viele Interessenten zu teuer. Diese fallen als Käufer weg und das – trotz aller Unkenrufe noch immer geltende – Wirtschaftsgrundgesetz von Angebot und Nachfrage führt damit bei gleichbleibendem Angebot zu fallenden Preisen. Ein Trend, der noch zunehmen dürfte, denn viele Immobilien wurden mittels Krediten finanziert und der Bauherr steht nun vor der Entscheidung, zu einem niedrigeren Preis zu verkaufen oder auf einen besseren Preis zu warten. Bei 0% Zinsen und steigenden Immobilien-Preisen war das keine schwere Entscheidung, doch nun fällt der Markt und die Zinsen steigen – und damit die Kosten. Schneller zu verkaufen reduziert damit den Verlust und damit kommen immer mehr Immobilien zu immer niedrigeren Preisen auf den Markt. Und fallende Preise führen bei den Kaufwilligen zu Zurückhaltung, denn die sagen sich, dass sie Geld sparen können, wenn sie noch etwas warten. Aus der durch das viele billige Geld aufgeblähten Immobilien-Blase weicht nun die Luft; das muss nicht zwangsweise zu einem Platzen führen, aber die Blase schrumpft. Das ist weder eine Katastrophe noch ungewöhnlich. Es ist der normale Lauf der Dinge. Was mehr als 10 Jahre lang die Blase immer weiter aufgebläht hat, verkehrt sich nun ins Gegenteil und lässt die Luft ab. Immobilien-Markt im freien Fall? Es dürfte sich dieses Mal leider nicht um ein kurzfristiges Phänomen handeln. Die Inflation ist hartnäckig und die Notenbanken bekämpfen sie mit der Zins-Bazooka. Das würgt gleichzeitig auch die Wirtschaft ab. Stehen Jobs auf dem Spiel, platzen weitere Immobilien-Träume, während gleichzeitig die Banken ihre Kreditvergaberegeln anziehen, um das Ausfallrisiko zu reduzieren. Eine solche Entwicklung gab es 2008 bis 2010 schon einmal, auch wenn die Finanz- und Immobilien-Krise kaum als normales Ereignis herhalten kann. In Deutschland gab es in den letzten 40 Jahren mehrere Phasen mit sinkenden Immobilien-Preisen. In den 1980er Jahren und dann in den 1990er Jahren nach der Wiedervereinigung. Die Zutaten waren damals wie heute dieselben: hohe Zinsen und Rezession. Damals gab es viele Insolvenzen im Baugewerbe, aber auch viele Privatleute mussten überschuldet ihr Eigenheim aufgeben. Diese Gefahr besteht heute auch und sie ist sogar noch größer. Denn heute erleben wir gleichzeitig einen Energiepreisschock, während überall auf der Welt der globale Klimawandel bekämpft wird. Das führt dazu, dass preiswerte Energie zum Heizen fehlt und gleichzeitig die gesetzlichen Vorgaben zur Wärmedämmung und Energieeinsparen massiv verschärft werden. Die Kosten für neue und alte Immobilien steigen damit kräftig an und verkleinern den Kreis derjenigen, die sich eine Immobilie leisten können, noch weiter. Immobilien sind keine sichere Sache (mehr). Neben Eigenheim-Besitzern tummeln sich auch viele Kapitalanleger im Immobilien-Sektor. Sie investieren direkt in Mehrfamilien-Häuser oder in Immobilien-Fonds oder in börsennotierte Aktien von Immobilien-Konzernen. Letzteres ist durchaus sinnvoll, denn auf diese Art reduziert man sein Risiko und überlässt die Bewirtschaftung den Profis. Zumeist kann man sich über Kurssteigerungen freuen und nicht selten auch noch über üppige Dividendenrenditen. So lief es die letzten Jahre, doch der Blick auf die Charts der Immobilien-Aktien zeigt, dass auch diese brutal korrigieren. Viele Anleger fragen sich, ob das nach 50% oder mehr an Kursverlusten nun nicht billige Einstiegskurse seien, denn die Immobilien hätten ja nicht im gleichen Maße an Wert verloren – wenn überhaupt. Trotzdem darf man es sich gerade bei Immobilien-Aktien nicht zu einfach machen und muss sehr genau hinsehen! Aufgeblähte Immobilien-Werte Die Immobilien-Unternehmen weisen gerne den Wert ihres Portfolios aus und verweisen auf den Loan-to-Value-Faktor, der anzeigt, wie niedrig ihre Verschuldung doch im Verhältnis zu diesem Immobilien-Vermögen sei. Augenwischerei. Diese ausgewiesenen Immobilien-Werte haben deutlich weniger Substanz als behauptet. Nicht selten haben Immobilien-Firmen nach dem Kauf einer neuen Liegenschaft deren Wert kurze Zeit später deutlich nach oben geschraubt. Was für 5 Mio. Euro gekauft wurde, war wenige Monate später auf einmal 8 Mio. Euro wert. Was im Umkehrschluss allerdings heißen würde, dass der Verkäufer ein Vollpfosten ist und wenn es sich bei ihm um ein Unternehmen handelt, sollte das Management wegen Untreue von ihren Eigentümern verklagt werden – denn „offensichtlich“ hat es Immobilien weit unter Wert verkauft. Oder auch nicht. Der gezahlte Kaufpreis ist der Verkehrswert der Immobilie und man kann ihn als marktbestimmten und damit angemessenen Preis annehmen. Der neue Eigentümer zaubert nun Fantasiewerte in die Liegenschaft, indem das Entwicklungspotenzial durch neue Mieter, Modernisierung usw. einkalkuliert wird – und schon erhöht sich durch Zauberhand der Wert, ohne dass auch nur ein Handschlag getan wurde. Auf dem Papier sieht das alles chic aus und der Verschuldungsgrad sinkt sogar, da die Immobilie nun ja mehr wert ist. Also kann der Immobilien-Konzern weiteres Fremdkapital aufnehmen und damit noch mehr Immobilien kaufen, die dann schnurstracks aufgewertet werden. Eine Pyramide ist eines der sichersten Bauwerke der Welt; dank ihrer Form ist sie kaum umzuwerfen oder zum Einsturz zu bringen. Sie gilt als Paradebeispiel für Solidität – bei vielen Immobilien-Konzernen steht sie aber auf dem Kopf. Ihre Bilanzen weisen zu wenig Eigenkapital auf, zu aufgeblasene Werte, zu wenig Substanz. Hieraus besteht das Fundament, auf dem der große Schuldenberg thront. Ein Schuldenberg, der durch die stark steigenden Zinsen zu einem großen Problem wird, während gleichzeitig der Wertansatz der Immobilien schrumpft. Die Immobilien-Bewertung agiert nicht völlig im luftleeren Raum. Sie fußt auf dem Substanzwert oder dem Ertragswert. Den Substanzwert kann man noch einigermaßen aufblähen, beim Ertragswert ist das nicht so einfach. Denn ihm liegen die dauerhaft erzielbaren Mieteinnahmen zugrunde. Und bei beiden Berechnungsmethoden sind Instandhaltungs- und Modernisierungskosten mit zu berücksichtigen, vor allem die unterlassenen und anstehenden. Nun können Vermieter notwenige Modernisierungskosten unter bestimmten Umständen auf ihre Mieter umlegen, aber das funktioniert natürlich nur, wenn diese sich die neue höhere Miete auch leisten können. Wenn sie die nicht mehr bezahlen und irgendwann ausziehen, dann hat der Vermieter Mietausfälle sowie Gerichts- und Räumungskosten aufgewendet und muss ggf. die Wohnung auf eigene Kosten renovieren, um sie wieder in einen vermietbaren Zustand zu versetzen. In einer Rezession mit steigender Arbeitslosigkeit und schmalen privaten Budgets, dank hoher Strom- und Energiekosten und hoher Nahrungsmittelpreise sind neue Mieter auch nicht mehr so einfach zu finden wie in den letzten Jahren. Wenn die Energie-Versorger damit rechnen, dass im Frühjahr 2023 zwischen 10 und 15% der Kunden ihre Strom- und Gasrechnungen nicht mehr bezahlen können, dann liegt der Anteil der Mieter mit Problemen bei der Mietzahlung natürlich genauso hoch. Drohende Schieflagen? Diese Konstellation kann dazu führen, dass sich die Mieteinnahmen reduzieren, die Kosten für Instandhaltung und Modernisierung deutlich steigen und gleichzeitig die Immobilien-Werte sinken bei steigenden Zinsen. In der Folge könnten Immobilien-Firmen gezwungen sein, sich von Immobilien zu trennen, um damit ihre Finanzlöcher zu stopfen. Allerdings zu Notverkaufspreisen und das bei (zu) hohen Krediten, die aufgrund der hochgetriebenen Werte möglicherweise dann den Verkaufspreis übersteigen. Eine Immobilie für 4 Mio. Euro zu verkaufen, die man mit 5 Mio. Euro an Krediten beliehen hat, ist keine Lösung. Die Lage könnte sich also zuspitzen und das ist keine neue Entwicklung. So etwas hat es in den letzten Jahren, Jahrzehnten, Jahrhunderten immer wieder und leider regelmäßig gegeben. Und neben den betroffenen Immobilien-Konzernen und Eigenheim-Besitzern wird dies auch in den Bilanzen der Banken und Sparkassen tiefrote Spuren hinterlassen. Vonovia Vonovia ist Europas führendes Immobilien-Unternehmen mit mehr als 550.000 Wohnungen an 400 Standorten. Das DAX-Unternehmen besteht in dieser Form erst seit 2015, als sich die Deutsche Annington mit der GAGFAH zusammenschloss. Die Ursprünge der Vorgänger-Unternehmen reichen mehr als 100 Jahre zurück. Im 3. Quartal 2013 war die Deutsche Annington an die Börse gegangen und stieg schnell in den SDAX auf. Ein Jahr später folgte der Aufstieg in den MDAX, nachdem die DeWAG und Vitus übernommen worden waren. Die Übernahme der GAGFAH erfolgte im 2. Quartal 2015, kurze Zeit später die Akquisition der Südewo. Der DAX-Aufstieg folgte im 3. Quartal 2015 und anderthalb Jahre später die Übernahme der conwert AG. Im 2. Quartal 2018 übernahm Vonovia die BUWOG, anschließend folgten noch Victoria Park AB und ein halbes Jahr später die Hembla AB. 2021 erfolgte dann noch die Mehrheitsübernahme an der ebenfalls börsennotierten Deutsche Wohnen AG. Der Aktienkurs startete 2013 bei rund 17 Euro und markierte im August 2020 bei über 58 Euro sein Allzeithoch. Eine annähernde Ver-3,5-fachung in nur 7 Jahren, wobei die zwischenzeitlich gezahlten Dividenden noch hinzuzurechnen sind, ist eine wahre Erfolgsgeschichte. Aber eben auch Geschichte. Das 2022er Jahreshoch lag Ende Januar bei gut 52 Euro und damit schon um einiges unter dem vorherigen Allzeithoch. Doch seitdem befindet sich der Aktienkurs in einem ungebremsten Sturzflug, der ihn bis auf 19 Euro zurückwarf; also beinahe das Ausgangsniveau vom Börsengang in 2013. Zur Verdeutlichung: Der Immobilien-Markt befindet sich in einer angespannten Lage und seit einigen Wochen fallen die Immobilien-Preise. Doch liegen sie noch immer deutlich über dem Niveau der Vorjahre. So stand der Immobilienpreis-Index für Deutschland im 4. Quartal 2004 bei 100, zur Zeit des IPOs im 3. Quartal 2013 bei 108 und im 1. Quartal 2022 bei 181. Der Zuwachs des Immobilienpreis-Index liegt in diesem Zeitraum also bei zwei Drittel, während der Aktienkurs mal gerade ebenso eine schwarze Null erzielt. Das ist ein Armutszeugnis für die Performance der Vonovia-Aktie und in dieser Dimension damit auch für den Vorstand. Nun ist der Aktienkurs natürlich nur ein kleiner Teil der Wahrheit. Die Börsenkapitalisierung der Vonovia beträgt momentan nur noch 16 Mrd. Euro, während sie selbst ihren „Portfoliowert“ mit 99 Mrd. Euro angibt. Ein krasses Schnäppchen also? Naja, Ende 2021 summierten sich die Schulden in der Bilanz auf immerhin 70 Mrd. Euro, so dass ein eher magerer Spielraum zwischen Schulden und Immobilien-Werten verbleibt. Wenn man den Angaben denn Glauben schenken kann. Und wer bis hierhin durchgehalten hat, der hat ja weiter oben bereits gelesen, wie wenig substanziell die Wertangaben der Immobilien-Konzerne und welche Fragezeichen hier zu setzen sind. Operativ lief es zuletzt nicht schlecht für Vonovia. Die Zahlen zum 2. Quartal waren maßgeblich durch die Integration der Deutsche Wohnen AG geprägt, wo man sich erhebliche Synergieeffekte verspricht; andererseits verzerrt dies den Vergleich mit den Vorjahreswerten. Der FFO je Aktie (Funds from Operations) konnte demnach um 5,2% im Jahresvergleich zulegen, das organische Wachstum lag bei 3,4%. Hier ist in den kommenden Monaten mit weiteren Steigerungen zu rechnen, da rund die Hälfte aller Mieten von Vonovia direkt an die Mietenspiegelentwicklung gekoppelt ist, deren Aktualisierung vielerorts noch aussteht. Bei den Recurring Sales liegt Vonovia 30% über dem Buchwertansatz. Mit anderen Worten: Vonovia hat im 2. Quartal Wohnungen verkauft und zwar durchschnittlich zu 30% über dem bilanzierten Buchwert. Das klingt jetzt nach einer ordentlichen Sicherheitsmarge und steht irgendwie im Widerspruch zu meinen weiter oben geäußerten Befürchtungen hinsichtlich der Wertansätze. Aber nur auf den ersten Blick. Denn hier handelt es sich natürlich um Einzelfälle und Verkäufe wurden nur dort getätigt, wo man eine sehr auskömmliche Rendite einfahren konnte. Inzwischen befinden sich die Immobilien-Preise flächendeckend im Rückwärtsgang und die Zahl der Kaufwilligen ist dramatisch zurückgegangen. Die Zahl der Verkäufe wird also auch für Vonovia weiter deutlich sinken und die zu erzielenden Preise ebenso. Vonovia stemmt sich gegen die Entwicklung. Der Vorstand hat angekündigt, keine neuen Schulden aufnehmen zu wollen, weil dies wegen der hohen Zinsen zu teuer sei. Gleichzeitig erteilte er einer möglichen weiteren Kapitalerhöhung eine klare Absage; beim derzeitigen Aktienkurs wäre die Verwässerung viel zu hoch. Dem entsprechend wird es in absehbarer Zeit keine weiteren Übernahmen mehr geben (können). Um den Kapitalbedarf zu stillen, wurden zusätzlich Immobilien für 13 Mrd. Euro zum Verkauf gestellt. So sollen auslaufende Kredite abbezahlt, die Abhängigkeit vom Anleihemarkt reduziert und eigene Aktien des Unternehmens gekauft werden. Das klingt vielversprechend, nur... da der Immobilien-Markt gerade kräftig einbricht ist fraglich, ob und ggf. wie schnell die angedachten Immobilien-Verkäufe erfolgen können. Und zu welchem Preis. Zumal Vonovia ja nicht im luftleeren Raum agiert, sondern viele Wettbewerber vor den gleichen Problemen stehen und mit ähnlichen Mitteln ihre wachsenden Probleme in den Griff bekommen wollen. Vonovia (ISIN: DE000A1ML7J1) | | WKN / Kürzel | Börsenwert | KGV 22e/23e/24e | Kurs | A1ML7J / VON | 16 Mrd. EUR | 4 / 5 / 5 | 20,20 EUR |
Unser Fazit Ein funktionierender Markt, ob für Aktien oder Immobilien, lebt davon, dass sich Käufer und Verkäufer treffen. Wenn es aber immer mehr Verkäufer gibt bei immer weniger Kaufwilligen, dann kommt kein Handel zustande. Oder aber zu einem entsprechend niedrigen Preis. Angebot und Nachfrage, das stete Wechselspiel der Kräfte, wie Adam Smith es uns lehrte. Nachdem die Immobilien-Preise jahrelang nur eine Richtung kannten, kehrt sich die Entwicklung seit einigen Monaten ins Gegenteil um. Viele Menschen haben dies noch nicht richtig wahrgenommen und es droht ein böses Erwachen. Die Aktienkurse vieler Immobilien-Konzerne haben dies schon vorweggenommen und den Aktionären viel Kummer bereitet. Leider ist ein Ende noch nicht abzusehen, denn die Entwicklung am Immobilien-Markt nimmt gerade erst Fahrt auf. Und solange das Inflationsgespenst den Notenbankern eine Heidenangst einjagt und sie zu drakonischen Zinsanhebungen treibt, bleibt der Immobilien-Markt unter Druck. „Was ist eine Aktie, die 90% im Minus notiert? Eine Aktie, die 80% im Minus notierte und sich dann halbierte.“ – David Einhorn – Die Kurse der Immobilien-Aktien dürften schon vor der nächsten Zinswende wieder zu drehen beginnen. Aber wann das genau sein wird und wie viel Abwärtspotenzial die Aktien bis dahin noch abarbeiten, ist kaum absehbar. Und nur weil eine Aktie bereits 70% gefallen ist, heißt das nicht, dass sie nicht nochmal 70% fallen könnte...
Die heutige Ausgabe entstand wieder in Zusammenarbeit mit Michael C. Kissig. | |
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