|
Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Donnerstag, 25.02.2021 | Wochenhöchstgrade von 19°C, obendrein wolkenfrei. | ||
+ Jens Spahn geht gegen Recherchen zu seinen Immobilien vor + Aufklärung des sexuellen Missbrauchs stockt auch im Erzbistum Berlin + Berlins bekanntester Gitarrenstimmer vor der Insolvenz + |
von Robert Ide |
|
Guten Morgen, und, was gibt’s Neues? Na nüscht, antworten Berliner im Dauer-Lockdown. Die Sonne scheint auf vom Leben leer geräumte Bürgersteige, die von unseren Füßen nur betreten betreten werden; Vögel flattern über jetzt schon zertretene Parkwiesen, auf denen das Wegbier in unseren Händen gegen eine Gehweg!-Brause eingetauscht worden ist – und Schatten des Verfalls fallen auf die von ihrem Sinn entleerten Shoppingcenter, die in diesen Zeiten der Stadt keinen öffentlichen Raum zu bieten haben. So streifen im Vorfrühling des Berliner Missvergnügens unsere Augen lieber über weite Felder, Seen und Wälder vor den aufgetürmten Steinen der Stadt. Und unsere Sinne erkennen die Weite in uns, die Kabarettist Josef Hader im Lockdown-Interview so beschreibt: „Das Nichts ist ein weites Feld, mit dem wir alle existenziell zu tun haben. Vorm Nichts steht ja jeder hin und wieder. Und am Ende sowieso.“ So fangen wir jeden Tag neu an. Fast aus dem Nichts. | |||
|
Hier geht’s erst mal los mit drei guten Meldungen aus dem sich weiter diffus verschlechternden Infektionsgeschehen: - Erste Schnelltests zur Selbsteingebung sind jetzt amtlich zugelassen worden. Wie viel sie kosten, wann auch die vom Land Berlin millionenfach bestellten Testkits freigegeben werden (via „Morgenpost“) und wie sie dann unter all die Leute kommen, die sie wie Berlins Kitabetreuerinnen und Lehrer jetzt dringend brauchen, ist allerdings so unklar wie die nächsten Impfeinladungen. - Berlins Sozialverwaltung hat eine App entwickeln lassen, in der sich Mitarbeitende Arbeitsplätze in Büros coronakonform reservieren können. Diese hat nun den Berliner Verwaltungspreis gewonnen. Fehlt nur noch ein Preisausschreiben für Berlins beste Verwaltung im Homeoffice. - Berlins Obdachlose sollen vorzeitig geimpft werden. Schon ab nächster Woche bekommen sie auf „Impfinseln“ den gerade zur Genüge verfügbaren Impfstoff von Astrazeneca verabreicht. Medizin für ein sozialeres Berlin. | |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
|
Während Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) noch immer Tag und Nacht mit einer gesünderen Aufstellung der Impfkampagne beschäftigt sein müsste, befasst er sich privat eher damit, Journalisten hinterherzuforschen, die seine Immobiliengeschäfte in Berlin beleuchten. Spahn hatte über seine Anwälte vom Grundbuchamt beim Amtsgericht Schöneberg verlangt, Namen und Anfragen unter anderem von Journalisten von „Spiegel“, „Bild“, „Stern“ und Tagesspiegel herauszugeben. Das Grundbuchamt war dem gefolgt. Was nicht weniger irritierend ist. Nach einem Villenkauf in Dahlem für mehrere Millionen Euro war ein Wohnungskauf Spahns von dem früheren Pharma-Manager Markus Leyck Dieken bekannt geworden, den der Minister später an die Spitze einer mehrheitlich bundeseigenen Gesellschaft holte. Zu beiden Vorgängen hatte das Grundbuchamt Informationen zugänglich gemacht. Spahn sagte gestern im Bundestag zur Corona-Politik: „Ein Leben ohne das Virus wird es in diesem Land erstmal nicht geben. Wir können keine Mauer um dieses Land bauen.“ So wie ein Bundesminister im Fokus öffentlicher Aufmerksamkeit keine Mauer des Schweigens um seine millionenschweren Immobiliengeschäfte ziehen darf. | |||
|
Lediglich für „skandalisierungsfähig“ halten Vertreter der katholischen Kirche nach wie vor den abgrundtiefen Skandal sexueller Belästigung von Minderjährigen durch Geistliche und die bodenlos verschleppte Aufklärung etwa im Erzbistum Köln. Und so stimmen die Menschen, die sich von Kirche Verantwortung und nicht nur himmlische Versprechungen wünschen, mit den Füßen ab. Schon 2019 kehrten 10.068 Gläubige dem Erzbistum Berlin (das sich auch über größere Teile Brandenburgs und Vorpommerns erstreckt) den Rücken zu, davon 8.712 in Berlin. Aktuellere Zahlen liegen noch nicht vor. Doch die Lage könnte noch schlechter werden, denn auch die Aufarbeitung in Berlin stockt. 400 von 600 Seiten des Gutachtens zu sexuellem Missbrauch seit 1946 im hiesigen Erzbistum sind bisher von der Veröffentlichung ausgenommen. Erzbischof Heiner Koch begründet dies mit Persönlichkeitsschutz sowie „der Gefahr der Retraumatisierung der Betroffenen und um eine voyeuristische Darstellung zu vermeiden“. Auf Checkpoint-Nachfrage am Mittwoch sicherte das Erzbistum immerhin zu, dass „über die im veröffentlichten Teil hinaus bereits benannten Verantwortlichen“ auch „die Namen aller Verantwortlichen genannt werden, die ihre Dienstpflicht verletzt haben“. Die betreffenden Abschnitte des Gutachtens würden ebenfalls „als Begründung für die Entscheidung des Erzbischofs veröffentlicht“. Was wie und wann öffentlich wird, soll allerdings erst eine kircheninterne „Gutachten-Kommission“ klären. Und die hat sich nach Checkpoint-Informationen nicht mal konstituiert. Bereits beim ersten von zwei Treffen trat Domvikar Matthias Goy, Priester und im Erzbistum zuständig für Aus- und Fortbildung, von der Arbeit der Kommission gleich wieder zurück. Denn auch sein Name wird im nicht-veröffentlichten Teil des Gutachtens genannt, wenn auch „nur am Rand“, wie das Erzbistum wissen lässt. Durch seinen Rücktritt wolle er dazu beitragen, dass „der Kommission durch seine Mitarbeit keine von Außenstehenden und der Öffentlichkeit befürchtete Beeinflussung vorgeworfen werden kann“, wird er zitiert. Der Priesterrat, der Goy in die Kommission entsandt hatte, will nun am Donnerstag nächster Woche einen Nachfolger benennen. Offenbar glaubt die katholische Kirche tatsächlich daran, bei der Aufarbeitung ihres Skandals noch Zeit zu haben. | |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
|
Gehen, wenn es gut ist. Auch wenn man gut ist. Um andere besser zu machen. Ihnen eine gute Chance zu geben, auch voranzugehen. Nur wenige Chefs können das. Und noch weniger Politikerinnen und Politiker. Einer dieser wenigen ist der Linken-Finanzpolitiker Fabio de Masi, der dem Bundestag nach der Wahl fehlen wird. Sein am Mittwoch im Internet verkündeter Abschied liest sich wie ein guter Anfang. Für alle, die es besser machen wollen. Auszug: „Ich habe den politischen Meinungsstreit – gerade mit Konservativen und Liberalen – immer als eine Bereicherung empfunden. Denn Widerspruch schult die eigenen Argumente. Wir müssen lernen, respektvoll miteinander zu streiten – so wie in jedem Dorf, in jeder Familie, in jedem Sportverein und in jedem Freundeskreis. Es gibt in verschiedenen politischen Spektren und vor allem in den sozialen Medien die Tendenz, Politik nur noch über Moral und Haltungen zu debattieren. Ich halte dies für einen Rückschritt. Werte und Moral sind das Fundament politischer Überzeugungen. Wer jedoch meint, dass alleine die ‚richtige Haltung‘ über ‚richtig oder falsch‘ entscheidet, versucht in Wahrheit den Streit mit rationalen Argumenten zu verhindern.“ Machen wir’s besser. | |||
|
Verstimmt sein kann man schon mal im Leben, gerade wenn wie jetzt kaum eine fröhliche Melodie erklingt. Dennoch noch positiver Stimmung ist Norbert Wolf, geboren 1949 in Berlin, der in seinem Laden in der Prenzlauer Allee alte Saiten neu aufschlägt: als Berlins stimmigster Gitarrenstimmer (Porträt von Thomas Wochnik hier). Nun ist Wolf fast insolvent, was nicht nur an Corona liegt und an zu wenig Gitarrenmusik im Homeoffice, sondern auch an unbarmherzigen Ladenvermietern und wenig wertschätzenden Musikliebhabern. „Ich weiß von Schülern und Eltern, dass ihnen von Lehrerseite geraten wird, zu mir in den Laden zu kommen, sich einige Instrumente von einem ausgebildeten Gitarristen, also mir, vorführen zu lassen, um hinterher für einige Euro Ersparnis im Netz zu bestellen. Ich fühle mich verraten.“ Als kritischer DDR-Musiker entwischte Wolf einst den Kundschaftern der Stasi. Nun sucht er nach ehrlicher Kundschaft. Ist Berlin seinen Berlinern noch wohl gestimmt? | |||
|
Wenigstens sind Berlinerinnen und Berliner nicht auf den Hund gefallen. 117.227 kläffende Menschenbegleiter hat die Berliner Verwaltung Ende 2020 registriert. Und was Zweibeinern lieb ist, ist ihnen auch steuerlich teuer: 12,6 Millionen Euro kassierte Berlin im vergangenen Jahr an Hundesteuern, 600.000 Euro mehr als im Jahr zuvor. Wen wundert es da noch, dass nun auch Parteien mit Hunden verglichen werden – zumindest im Checkpoint. Unsere Leserinnen und Leser schlagen dafür folgende schwanzwedelnden Wappentiere vor: Foxterrier für die FDP („selbstständig, freisinnig, manchmal etwas stur“), Bulldogge für die SPD („sozial, eigenwillig, nur der Gesichtsausdruck erschrickt Fremde“), Pekinese für die Grünen („selbstbewusst, intelligent, kann ohne richtige Erziehung zum eigensinnigen Kläffer werden“) oder einfach: „das Faultier für Rot-Rot-Grün“. Tja, etwas mehr Biss könnte die Landespolitik vertragen. Aber: Dit is Bellin. | |||
|
|
|
|
| |||
|
| |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
|
| |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
| |||
| |||
|
| |||
| |||
| |||
|
| ||||
|
| |||
| |||
| |||
| ||||
| ||||
| ||||
| |||
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
|
|
| |||
| |||
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
| |||
| |||
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|