US-Supreme Court bestätigt Echtheit des durchgestochenen Urteilsentwurfs
Washington (ALfA) Der am Montag durchgestochene Entwurf eines Urteils, mit dem eine Mehrheit der Richter des US-Supreme Courts sein 1973 gefälltes Urteil „Roe versus Wade“ aufheben könnte, ist echt. Das bestätigte der Oberste Gerichtshof der USA am Dienstag. In einem kurzen Statement, das auf der Website des Gerichtshofs veröffentlicht wurde, heißt, bei dem von dem Internetportal „politico.com“ veröffentlichten Dokument handele es sich um den Entwurf einer Urteilsbegründung, wie sie Richter intern untereinander verschicken. Dies sei „ein wesentlicher Teil der vertraulichen und beratenden Arbeit des Gerichts“. Eine endgültige Entscheidung sei jedoch noch nicht gefallen und jedes Mitglied des Gerichtshofs könne seine abschließende Position zu dem Fall noch ändern.
Zugleich verurteilte der Vorsitzende Richter des „Supreme Court“, Chief Justice John Roberts, den Vorgang scharf. Der „Leak“ stelle „einen einzigartigen und unerhörten Vertrauensbruch“ dar und sei „ein Affront“ gegenüber dem Gericht und der Staatsdiener, die dort arbeiteten. Er habe eine Untersuchung des Falls angeordnet, so Roberts. Wer auch immer das Dokument an die Medien durchgestochen habe, so Roberts weiter, habe „die Integrität unserer Arbeit“ untergraben wollen. Er werde damit aber keinen Erfolg haben: „Die Arbeit des Gerichts wird in keiner Weise betroffen sein.“ Die Angestellten des Gerichts verteidigte Roberts: Diese würden einer beispiellosen und wichtigen Tradition folgen und die Vertraulichkeit des juristischen Prozesses respektieren.
Bei dem durchgestochenen, 98-seitigen Text handelt es sich um einen von dem Obersten Richter Samuel A. Alito verfassten Entwurf der Urteilsbegründung der Mehrheitsmeinung der Richter. Ihr zufolge vertreten fünf der neun Richter am „Supreme Court“ die Ansicht, mit „Roe vs. Wade“ sei 1973 eine falsche Entscheidung getroffen worden. Die Frage, ob und bis zu welchem Zeitpunkt Abtreibungen erlaubt seien, dürfe nicht von Gerichten, sondern müsse von der Legislative entschieden werden, so das mutmaßliche Urteil des Obersten Gerichtshofs.
In dem auf den 10. Februar datierten Text, heißt es wörtlich: „Wir sind der Auffassung, dass Roe und Casey aufgehoben werden müssen.“ Mit „Casey“ bezieht sich der Verfasser des Textes auf das Urteil „Casey vs. Planned Parenthood“. Es bekräftigte 1992 im Wesentlichen die durch „Roe vs. Wade“ geschaffene Rechtslage.
„Die Verfassung stellt keinen Bezug zu Abtreibung her, und ein solches Recht ist nicht implizit von einer Bestimmung in der Verfassung geschützt“, heißt es zur Begründung. Bis zur zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sei ein Recht auf Abtreibung der amerikanischen Rechtsprechung völlig unbekannt gewesen. „Roe war von Anfang an ungeheuer falsch. Seine Argumentation war außerordentlich schwach und die Entscheidung hatte verheerende Konsequenzen.“ Daher sei es an der Zeit, „die Verfassung zu achten und die Abtreibungsfrage an die gewählten Volksvertreter zurückzugeben“.
Zu den fünf Richtern, die sich der von Alito verfassten Mehrheitsmeinung angeschlossen haben sollen, sollen „Politico“ zufolge die Richter Clarence Thomas, Neil Gorsuch, Brett Kavanaugh and Amy Coney Barrett gehören. Alle fünf wurden von Republikanern ernannt. Die drei von Demokraten ernannten Richter Stephen Breyer, Sonia Sotomayor and Elena Kagan schlossen sich dem Urteil demnach nicht an. Laut „Politico“ arbeiten sie an einer oder mehreren abweichenden Meinungen. Unklar sei auch, wie der Vorsitzende des neunköpfigen Gerichts, Chief Justice John Roberts, urteilen werde. |