meine Güte, was für eine elende Clickbait-Überschrift, werdet ihr denken. Nö, is anders. Sie ist leider absolut notwendig! Als die Suchmaschine Google erfunden wurde, war das Motto des Unternehmens „Don’t be evil!“ und es galt auch noch viele Jahre nach dem erfolgreichen Börsengang. Inzwischen wurde es gestrichen und das hat leider seine volle Berechtigung, denn Google bzw. Alphabet, wie die Konzernmutter inzwischen heißt, ist alles andere als ein Saubermann.
Kürzlich startete das US-Justizministerium einen weiteren Angriff auf Googles marktbeherrschende Stellung bzw. auf die bösartige Ausnutzung dieser Machtposition. Und die Headline ist allein schon deshalb nötig, weil US-Verbraucher in Umfragen ganz überwiegend äußern, dass sie überhaupt nicht verstehen, warum das „arme“ Google am Pranger steht. Und genau das ist das Problem!
Google ist die beliebteste Suchmaschine der Welt, sie hat alle anderen längst verdrängt und/oder zu Nischenprodukten gemacht. Bing – immerhin das Konkurrenzprodukt von Microsoft – fristet ein Nischendasein, andere Suchmaschinen finden noch weniger Zuspruch. Das ist aber keine Selbstverständlichkeit und schon gar kein Naturgesetz oder allein auf die hohe Qualität der Suchergebnisse zurückzuführen, sondern auf knallharten Lobbyismus und wettbewerbsverhinderndes Verhalten von Google bzw. Alphabet.
Denn Alphabet betreibt nicht nur die Suchmaschine Google, sondern hat vor vielen Jahren auch einen Betriebssystem-Hersteller übernommen, der ein Nischenprodukt auf dem Markt hatte: Android. Alphabet baute dieses Open-Source-Projekt gezielt aus und etablierte es als Universal-Betriebssystem auf mobilen Endgeräten. Windows Mobile hatte keine Chance und signifikante Marktanteile erzielt nur noch Safari, Apples eigener Browser für iOS-Geräte. Aber Alphabet hat nicht nur Android in seinen Reihen, sondern startete vor einigen Jahren einen weiteren Eroberungsfeldzug – gegen Microsoft und seinen damals weltweit dominierenden Internet Explorer. „Chrome“ wurde schnell zum Marktführer und der Internet Explorer verschwand in der Versenkung. Microsofts Gegenentwurf Edge kam nie wirklich aus den Knien und so vereinnahmt Chrome heute mehr als 60% der Internetnutzer auf sich, während die Konkurrenz (wie Firefox, Opera, Edge) jeweils kaum mehr als 3% erreicht.
Na und? Google ist kostenlos für die Nutzer. Chrome ist kostenlos für die Nutzer. Android ist kostenlos für die Nutzer. Wo soll also der Schaden liegen?
An dieser Stelle rufen wir uns mal eine schlaue Weisheit in Erinnerung: Wenn ein Produkt nichts kostet, dann bist Du das Produkt!
Die Google-Suche kostet Dich nichts, aber die Suchergebnisse zeigen nicht unbedingt die besten Ergebnisse an, die zu deiner Frage/Suche passen, sondern die, für die am besten bezahlt wird – von den Unternehmen, auf die Suchergebnisse verlinken. Du bist das Produkt, denn letztlich bezahlst Du die Google-Suchergebnisse doch, weil du im Zweifelsfall auf einer Website oder in einem Online-Shop landest, der seine Werbekosten (die er an Google zahlen muss) auf seine Preise umlegt, die Du als Käufer dann bezahlst. Du bist das Produkt – und bezahlst am Ende doch.
Das Android-Betriebssystem kostet Dich nichts, dein Smartphone läuft reibungslos. Nur... als Standardsuche ist Google voreingestellt und obwohl es möglich ist, wechseln nur wenige Nutzer von Smartphones mit Android-Betriebssystem zu alternativen Suchmaschinen. Wann immer Du auf deinem Smartphone oder Tablet also etwas über den Browser suchst, landet diese Suchanfrage bei Google. Du bist das Produkt.
Der Chrome-Browser kostet Dich nichts. Dass er im Hintergrund deine Eingaben und besuchten Websites „realtime“ trackt und vorgeblich anonym an Google meldet – geschenkt. Ist jedem klar. Oder sollte es sein. Aber... auch beim Chrome ist Google selbstverständlich die Standard-Suchmaschine. Egal, ob auf dem PC, Tablet oder auf dem Smartphone, wenn Du mit Chrome surfst, landet deine Suche bei Google. Es sei denn, Du änderst das ganz bewusst in den Einstellungen. Aber, Hand aufs Herz, wer macht das schon? Und deshalb: Du bist das Produkt.
Nun gibt es ja noch Apple, die ein immer größeres Stück vom Kuchen des weltweiten Smartphone- und Tablet-Markts abschneiden. Hier lauert also der Wettbewerb für Google. Oder doch nicht? Nein!
Apple und Alphabet haben eine vertragliche Vereinbarung, wonach Google auf iOS-Geräten als Standardsuche voreingestellt ist. Auch bei Apple-Geräten landest Du also bei Google, wenn Du das nicht aktiv änderst. Google zahlt dafür rund 20 Mrd. US-Dollar an Apple – pro Jahr. Die Kooperation rechnet sich für beide. Und Du bezahlst! Nicht über eine Rechnung, aber indirekt über die Produkte, die Du kaufst, weil der Händler seine Kosten für die hohe Positionierung in den Google-Suchergebnissen natürlich in seine Preise einrechnet, die Du dann bezahlen musst.
Google hat ein Monopol, denn der einzige wirkliche Wettbewerber lässt sich von Google bezahlen, damit er nicht in Wettbewerb tritt.
Monopole sind nicht verboten. Das Ausnutzen eines Monopols (zum Schaden der Verbraucher) hingegen schon. Und genau darum geht’s.
Vor Gericht laufen schon seit vielen Jahren Kartellverfahren gegen Google und gegen Apple wegen dieser Monopol-Stellung und ihrer Vereinbarung. Inzwischen ist richterlich festgestellt worden, dass (a.) Google ein Monopol innehat und (b.) dieses wettbewerbsschädlich ausnutzt.
Google wehrt sich dagegen und versucht, eine endgültige Entscheidung hinauszuzögern. Nachvollziehbar, denn Google bzw. Alphabet verdient zig Milliarden pro Jahr und will daran auf keinen Fall etwas ändern. Und Apple auch nicht, denn von den 100 Mrd. US-Dollar, die Apple jedes Jahr an Gewinn macht, stammt ein Fünftel aus Googles Taschen – fürs Nichtstun. Wer würde dazu schon „Nein“ sagen?
Das US-Justizministerium dreht nun die Daumenschrauben ganz fest an. Man zielt nicht auf eine Wettbewerbsstrafe und Modifizierungen, sondern man will die Zerschlagung des Alphabet-Konzerns. Nichts anderes als die Herauslösung des Chrome-Browsers ist das Ziel.
Und der Schlag würde sitzen, denn ein selbständiges Chrome, das nicht mehr Google als Standardsuche eingestellt hat (oder sogar einstellen darf), würde sofort Bewegung in die Marktanteile bringen und anderen Suchmaschinen erstmals ernsthaft eine Chance, sich gegen Google zu behaupten. Auch bei denen wärst Du das Produkt. Aber wenn mehrere Anbieter um Kunden raufen, geht dies zumeist über den Preis. Und wenn die Suchmaschinen-Ergebnisse die Unternehmen nicht mehr so viel kosten, können sie ihre Preise für die Verbraucher senken. Also für Dich.
Das ist das Ziel und deshalb geht das US-Justizministerium gegen Google bzw. Alphabet vor.
So ehrenwert der Kampf des Justiz-Ministeriums auch sein mag, seine Erfolgsaussichten sind nicht unbedingt hoch. Aus mehreren Gründen. Sachlich ist die Attacke durchaus begründet, aber die USA haben soeben einen neuen Präsidenten gewählt und der ist kein Freund von Regulierung oder Staatseinmischungen. Es dürfte zügig zu Veränderungen an der Spitze der Wettbewerbsbehörde kommen, ebenso beim Justiz-Ministerium. Und damit dem Löwen die Zähne gezogen werden. Das gilt für alle US-Technologieriesen, denn Trumps aus seiner Sicht viel wichtigerer Kampf richtet sich gegen China. Und hierzu benötigt er nicht nur ein starkes Militär, sondern auch starke globale Unternehmen, die es mit den chinesischen Gegnern aufnehmen und diese mindestens in Schach halten können. Die US-Technologieriesen durch Kartellverfahren, so begründet diese auch sein mögen, zu schwächen, würde Trumps eigentliches Ziel zuwiderlaufen: Make America Great Again.
Auf der anderen Seite haben die US-Technologieriesen überwiegend Wahlkampfspenden an Kamala Harris und die Demokraten verteilt, nur wenige (wie Teslas Elon Musk) an Trump und die Republikaner. Und Alphabet/Google war ganz vorne mit dabei bei der Unterstützung für Harris. Das wird Trump keinesfalls vergessen (haben).
Aber Don Trump ist auch ein Deal-Maker und der Feind von eben ist sein Freund, wenn er ihm nun nützlich ist. Gut möglich, dass Alphabet für Trumps Unterstützung woanders einen Preis bezahlen muss. Aber das ist Google nicht fremd; immerhin bezahlt das Unternehmen mehr Geld als die meisten anderen Konzerne, um schlagkräftige Lobbyisten zu unterhalten. Ob nun in Washington oder in Brüssel. Und eins hat jeder Politiker fast noch lieber als Wählerstimmen: Geld.