Italien am Scheideweg von Daniel Pipes Washington Times 18. Juni 2019 http://de.danielpipes.org/18912/italien-am-scheideweg Englischer Originaltext: Italy at the Crossroads Übersetzung: H.Eiteneier ROM – Italien ist dieser Tage vor allem wegen zweier Entwicklungen in den Nachrichten. Erstens hat Innenminister Matteo Salvini – gegen massive Opposition seitens der Medien, der Justiz und der Kirche – die Häfen des Landes für illegale Migranten geschlossen und damit die Zahl der Ankommenden aus dem Mittelmeer von 2017 auf 2019 um 97 Prozent reduziert. Zweitens entwickelte sich seine zivilisationistische Partei, die Liga (auf Italienisch: Lega) von 6 Prozent Wählerstimmen bei den Wahlen zum Europaparlament im Jahr 2014 auf 34 Prozent in denselben Wahlen letzten Monat, was sie zur bei weitem populärsten Partei Italiens macht. Ein Vergleich der illegalen Migranten, zwischen dem 1. Januar und dm 12. Juni 2017 bis 2019 die auf dem Seeweg nach Italien kamen. Quell: Italiens Ministerium für öffentliche Sicherheit |
Von außerhalb Italiens betrachtet legen diese dramatischen Entwicklungen nahe, dass eine zunehmende Zahl der 61 Millionen Einwohner Italiens aufgehört haben die apokalyptischen Immigrations- und Islamisierungsprobleme zu bestreiten und bereit sind sich den existenziellen Bedrohungen des Landes zu stellen. Aber ist das wirklich so, haben die Italiener im Kampf um die Kontrolle ihres Schicksals die Kurve gekriegt? Was bedeuten die Hafenschließungen und wie bedeutend ist der Aufstieg der Liga? Um diese Fragen zu recherchieren, verbrachte ich eine Woche in Rom, traf 25 Politiker, Diplomaten, Journalisten und Intellektuelle, die eine große Bandbreite an Ansichten vertreten; Salvini wurde mit jedem von Juan Perón bis Margaret Thatcher gleich gesetzt. Ich verließ das Land beeindruckt von dem Ausmaß des Kampfs, der im Gang ist; einem, in dem die Zivilisationisten einen momentanen und gefährdeten Vorteil genießen, den Fehltritte schnell umkehren könnten. Der rote Marker zeigt die italienische Insel Lampedusa, das europäische Territorium, das Libyen am nächsten liegt. |
Italiens Herausforderungen bieten den Kontext für diesen Kampf. Staatsführung ist auf allen Ebenen notorisch gestört, vom Verkehr in Rom bis zur Brücke in Genua. Seine Bevölkerung hat mit 48 Jahren den höchsten Altersdurchschnitt der Welt. Fast drei Viertel der Italiener sehen die Zukunft des Landes pessimistisch. Mit den höchsten Regierungsschulden in Europa und den zweithöchsten Regierungsschulden als Prozentsatz des Bruttosozialprodukts steht es in Gefahr juristisches Handeln und riesige Bußgelder der Europäischen Union zu erleben. Die Inseln Lampedusa und Sizilien machen es zu dem europäischen Land, das der Anarchie in Libyen am nächsten liegt und daher am stärksten vom Bevölkerungsboom in Afrika betroffen ist. Schlimmer ist, dass die beiden dominanten kulturellen Faktoren in Italien – die kommunistische Partei und die römisch-katholische Kirche – beide universalistisch sind, die dem, was eine eigenständige Nation ausmacht, wenig Wertschätzung entgegenbringen. Natürlich favorisieren beide zahlenmäßig starkeZuwanderung, wie es Papst Franziskus in seinen leidenschaftlichen Äußerungen zum Ausdruck bringt. Am 27. Mai bezeichnete er zum Beispiel die Anwesenheit von Migranten als "Einladung zur Wiederherstellung einiger der wesentlichen Dimensionen unserer christlichen Existenz". Zusätzlich zu diesen erhabenen haben andere Italiener praktischere Gründe, um einen unaufhörlichen Immigrantenstrom zu wünschen. Italiens Linke kann nicht anders als festzustellen, dass der Migrantenstrom ihren Gegenstücken in anderen Ländern (z.B. Frankreich) hilft. Staatlich finanzierte Migrantendienste, die rund 36.000 Menschen beschäftigen, entließen 5.000 Beschäftigte, als die Zahl der Illegalen zurückging; es wird erwartet, dass weitere 10.000 arbeitslos werden. In diesen Diensten herrschen Korruption, darunter Unterschlagung und Prostitution, wobei die Mafia "enorme Profite auf dem Rücken der Migranten" macht. Auf der andren Seite stehen die, die wünschen nicht nur die Nation Italien und ihre ruhmvolle nationale Kultur zu feiern, sondern auch seine vielen unverwechselbaren Regionen mit ihren langen Geschichten, einander nicht verstehenden Dialekten und berühmten Küchen. Venedig zum Beispiel genoss elf Jahrhunderte lang (697 – 1797) Unabhängigkeit, entwickelte eine einzigartige Methode der Glasherstellung (Murano) und hat seine eigene Schule für musikalische Komposition. Zivilisationistischer Stolz auf das eigene Erbe steht in direktem Kontrast zu universalistischen Haltungen. Die Person des Matteo Salvini (46) treibt den zivilisationistischen Erhaltungs-Impuls. Als Karrierepolitiker, der sich der damals marginalen Lega Nord im Alter von 17 Jahren anschloss, wurde er mit 20 Stadtrat in Mailand und stieg innerhalb der Partei auf, nahm es mit dem langjährigen Parteichef auf und besiegte ihn 2013. Als neuer Parteichef machte er aus der Regionalpartei rasch eine nationale ("Nord" ließ er im Namen fallen) und machte die Kontrolle der Zuwanderung zu seiner zentralen Botschaft. Innenminister Matteo Salvini trägt oft lokale Trikots, um Regionalstolz betonen, sogar wie hier im Süden Italiens. |
Salvini dominiert die Liga derart und treibt Italiens Politik an, dass der zukünftige Kurs des Landes in großen Teilen von seinen Prioritäten, Fähigkeiten, Tiefe, Vision und Durchhaltevermögen abhängt. Sollte er Erfolg damit haben die Schließung der Häfen zu einer langfristigen Lösung des Problems der Zuwanderung und Islamisierung zu machen, kündigen seine aktuellen Wahlerfolge zu einem Wendepunkt für Italien an. Aber wenn er bei seinem Versuch scheitert, werden die Italiener so bald keine neue Gelegenheit haben ihre Grenzen zu kontrollieren und ihre Identität und Souveränität zu behaupten. Etwas weiter gefasst: Italien hat das Potenzial sich Ungarn dabei anzuschließen, Europa aus seinem aktuellen Niedergang hinauszuführen; aber diese erfreuliche Aussicht erfordert enormes Geschick und mehr als eine Prise Glück. --------- Ergänzungen vom 17. Juni 2019: (1) Paolo Quercia von der Universität Perugia weist mich darauf hin, dass Italien in den letzten Jahren "mehr als die Hälfte seines Verteidigungshaushalts für die Rettung und dann den Unterhalt der Grundkosten der aus Afrika kommenden illegalen Migranten ausgegeben hat". Es gab weit mehr für Training, Ausbildung und kulturelle Integration aus. (2) Zusätzlich zum Gewinn von 34 Prozent bei der Wahl zum EU-Parlament Ende Mai hat die Lega auch dafür gesorgt, dass die Linke bei den italienischen Kommunalwahlen im Mai/Juni einige Langzeit-Bollwerke verlor (Forli – 50 Jahre; Ferrara – 69 Jahre). Die Stadt Riace, deren linker Bürgermeister damit weltberühmt wurde, dass er begierig Migranten aus Afrika und Südasien willkommen hieß und dessen Bevölkerung zu einem Zeitpunkt fast zur Hälfte aus Immigranten bestand, stimmte jetzt für einen von der Lega unterstützten Bürgermeister. Riace, ein Dorf in Kalabrien |
(3) Es überrascht nicht, dass Papst Franziskus Salvini angesichts ihre diametral entgegengesetzten Ansichten zu illegalen Migranten erbittert kritisiert, wenn auch nicht namentlich; so wie hier: "Wir hören das Flehen der flüchtenden Menschen, die in der Suche nach Hoffnung auf Boot drängen, nicht wissen, welcher Hafen sie willkommen heißen wird, in einem Europa, das seine Häfen Schiffen nicht öffnet, die fortschrittliche und teure Waffen laden, die in der Lage sind Arten der Vernichtung zu schaffen, die nicht einmal Kinder verschont." (5) Ein Kriminologie mit Sitz in Rom sagte mir: "Es hat in Italien 25 Jahre lang keinen Terrorismus gegeben." Als ich eine Reihe Vorfälle abspulte – der Anschlag auf die Synagoge in Modena 2003, der McDonald's-Vorfall in Brescia 2004, der geplante Anschlag auf den Vatikan und die israelische Botschaft 2016, die Verhaftung von Jihadisten in Rom, Latina, Turin und Foggia 2018 – verstummte er völlig. Mit anderen Worten: Italien steht dem üblichen Problem gegenüber, dass die 6 Ps (Polizei, Politiker, Presse, Priester, Professoren und Staatsanwälte) die Augen vor der Wahrheit verschließen. |