Jahresendrally startet mit starken bullishen Signalen
Jahresendrally startet mit starken bullishen Signalen von Torsten Ewert Sehr verehrte Leserinnen und Leser, die jüngste Stärke der Aktienmärkte ist beeindruckend. Damit sollte die Jahresendrally gestartet sein. Und die Vielzahl starker bullisher Signale bestätigt diese Ansicht. Außergewöhnlich schnelle Kursanstiege Da sind zunächst die Kursgewinne seit Ende Oktober. Sie reichen von 6,5 % beim STOXX Europe 600 bis 13,2 % beim Nasdaq Composite. Das sind fast durchgängig Werte im statistisch obersten Bereich – im Nasdaq Composite gab es nur in 1,2 % aller Fälle einen größeren Anstieg in einem vergleichbaren Zeitraum! Vielversprechend ist zudem, dass der Nasdaq Composite stärker gewann als der bekanntere Nasdaq 100, der allerdings mit +13,1 % maximalem Kursgewinn seit dem Oktober-Tief seinem großen Bruder kaum hinterherhinkt. Die Stärke des Nasdaq Composite beweist, dass die Marktbreite wieder zunimmt. Das bestätigt auch der Kursverlauf der Vorwoche: Da gewannen der S&P 500 2,2 %, der Nasdaq Composite 2,4 % und der Small Cap-Index Russell 2000 sogar 4,0 %. Alle drei waren damit stärker als der Nasdaq 100 (+2,0 %). (Trotzdem steht der Nasdaq 100 kurz vor seinem Jahreshoch, während die anderen Indizes davon zum Teil noch ein gutes Stück entfernt sind.) Die Marktbreite nimmt merklich zu Warum ist die Stärke der anderen Indizes so wichtig? Weil bisher meist der Nasdaq 100 bzw. die großen Tech-Werte die Märkte nach oben gezogen haben, während die breite Masse an Aktien den Indizes hinterherhinkte. Und wir haben hier in der Börse-Intern seit Monaten mehrfach darauf hingewiesen, dass diese Einseitigkeit bei der Kursperformance ungesund ist. Wenn nun der Tech-Sektor (dessen bekanntester Index der Nasdaq 100 ist) schwächer läuft als S&P 500 und Nasdaq Composite (in denen genau diese Tech-Werte am höchsten gewichtet sind, und zwar aktuell mit 29,3 % bzw. 48,3 %!), dann zeigt dies, dass andere Sektoren und Aktien entsprechend stärker sind. Die Rally steht damit auf breiterem Fundament – und genau das ist ein sehr wichtiges Indiz dafür, dass sie weitergeht. Es gibt aber weitere Signale der Stärke von der Marktbreite. So betrug der Anteil des Volumens aller Aktien, die gestiegen sind, am gehandelten Gesamtvolumen an der US-Börse NYSE (das sogenannte „Aufwärtsvolumen“) am 2. November 89,8 % und am 14. November 91,4 %. Derart hohe Werte gelten als Extremfälle, bei denen die Marktstimmung sehr einseitig verteilt ist – in diesem Fall also bullish. Alles steigt Am vergangenen Dienstag verzeichneten zudem mehr als 90 % aller an der NYSE gehandelten Aktien Kursgewinne. „Alles“ steigt also, und dies ist ein noch selteneres Ereignis – dazu kam es zuvor überhaupt nur 13 Mal in der Historie dieser Aufzeichnungen seit 1940! Und wie Sie sehen, geschah dies meist kurz vor oder nach markanten Tiefs: Quellen: MarketMaker mit Daten von VWD, Barron’s, eigene Berechnungen Anders als man vermuten mag, ist diese Einseitigkeit kein negatives Zeichen („Die Masse liegt meist falsch“), sondern ein positives – insbesondere, wenn sie am möglichen Ende einer Abwärtsbewegung vorkommt. Und eine solche Abwärtsbewegung könnte Ende Oktober zu Ende gegangen sein. Jetzt geht es wieder hoch – und zunehmend auf neue Hochs! Dazu passt auch, dass im Oktober viele Aktien geradezu heruntergeprügelt wurden: Während die US-Indizes – also auch der NYSE Composite – im Oktober noch weit weg von ihren Jahrestiefs, geschweige denn ihren 52-Wochen-Tiefs waren, erreichten viele Aktien (immer wieder) derartige Tiefs. Dadurch fiel die Kurve der kumulierten Saldi aus Aktien mit neuen 52-Wochen-Hochs und -Tiefs dynamisch auf neue Jahrestiefs (blaue Kurve im folgenden Chart). Quellen: MarketMaker mit Daten von VWD, Barron’s, eigene Berechnungen Dabei kam es auffallend oft dazu, dass die Zahl der Aktien mit neuen 52-Wochen-Tiefs mehr als 10-mal so groß war wie die Zahl der Aktien mit neuen 52-Wochen-Hochs (siehe rote „Nadeln“). Ein derart gehäuftes Auftreten ist meist ein Zeichen dafür, dass das Ende eines Abwärtstrends oder zumindest der Beginn einer deutlichen Erholung bevorsteht, was sich auch 2022 bestätigte. Und inzwischen drehte sich der Trend bei den neuen Hochs und Tiefs nicht nur – es gibt nun mehr neue Hochs als Tiefs, (siehe unterster Chartteil), sondern in der Vorwoche gab es erstmals seit Anfang September auch auf Wochenbasis mehr neue 52-Wochen-Hochs als -Tiefs. Die Stimmung der Anleger hat sich also deutlich aufgehellt. Auffällige Stimmungssignale Apropos Stimmung: Es gab in jüngster Zeit auch einige auffällige Signale von „richtigen“ Sentiment-Indikatoren. So brach die Stimmung der US-Privatanleger laut der Umfrage der American Association of Individual Investors (AAII) Anfang November drastisch ein: Der Anteil der Bären schoss auf mehr als 50 % nach oben, der Anteil der Bullen sackte unter 25 % (siehe rote Kreise im mittlerer Chartteil des folgenden Charts). Quellen: MarketMaker mit Daten von VWD, AAII, eigene Berechnungen Prompt kam es in jener Woche zu einem starken Anstieg mit den oben genannten bullishen Signalen von der Marktbreite. Damit erwies sich dieser bearishe Stimmungsimpuls als typisches antizyklisches Signal. Das ist nicht immer so, aber doch sehr häufig, denn diese Konstellation – mehr als 50 % Bären und weniger als 25 % Bullen – trat auch während des Bärenmarkts 2022 bevorzugt in der Nähe markanter Tiefs auf (siehe grüne Dreiecke im oberen Chartteil). Ein radikaler Stimmungswandel Im jüngsten Fall gab es aber noch ein weiteres Stimmungssignal: Die (für die Anleger offenbar) überraschende Stärke des Aktienmarkts führte zu einem erneuten radikalen Stimmungswandel – das Sentiment (der Saldo aus Bullen und Bären) stieg rasant um mehr als 41 Prozentpunkte im Wochenvergleich (siehe unterster Chartteil). Einen Stimmungsimpuls von mehr als 40 Prozentpunkten – das sind drei Standardabweichungen! – gab es in der Historie der AAII-Umfrage seit 1987 erst 11 Mal (bzw. in 0,6 % aller Fälle!), zuletzt Anfang 2009 nahe dem damaligen Tief des Finanzkrisen-Crashs. Sie könnten nun auf die Idee kommen zu sagen, dass eine solche Wankelmütigkeit der Anleger wohl kaum etwas Gutes bedeuten kann. Warum dieser Umschwung bullish ist Doch genau das Gegenteil ist der Fall! Bedenken Sie: Die Anleger waren gerade erst massiv bearish. Dann schossen die Kurse dynamisch nach oben und belehrten Sie eines Besseren. Folglich schlug die Stimmung um. Diese Anleger haben sich also massiv die Finger verbrannt mit ihrer pessimistischen Einstellung. Sie werden also kaum bald wieder erneut ins Bärenlager wechseln. Damit ist ein Großteil potenzieller Verkäufer aus dem Markt. Abgesehen davon sind Anleger grundsätzlich Optimisten – wer würde sonst Geld in „windige“ Aktien stecken? Sie wollen also auch an die Rally glauben. Und Wirtschaft und Börse sind nun mal zu mindestens 50 % Psychologie, da ist das Phänomen der selbsterfüllenden Prophezeiung nur allzu bekannt. Drei Gründe für eine kurze (!) Verschnaufpause Die Summe dieser Signale spricht also ganz klar dafür, dass die Jahresendrally weitergeht. In dieser Woche könnten die Kurse jedoch eine kleine Verschnaufpause einlegen, und zwar aus drei Gründen: Erstens sind die Märkte nach den starken Anstiegen der vergangenen Wochen kurzfristig stark überkauft. Zweitens wird in den USA am Donnerstag in dieser Woche Thanksgiving begangen. Dann sind die Börsen geschlossen, und am Freitag findet nur ein verkürzter Handel statt. Und auch vorher passiert meist nicht viel. Zumal, drittens, am Thanksgiving-Wochenende das Jahresendgeschäft im Einzelhandel eingeläutet wird – Stichwort: Black Friday und Cyber Monday. Die Umsatzzahlen des Handels werden auch als Konjunkturbarometer gewertet, haben also auch für die Börsen eine gewisse Relevanz. Daher warten die Anleger dieser Zahlen oft ab, bevor sie sich für die Jahresendrally positionieren. Die Wirtschaftsdaten aus den USA waren jedoch bislang robust, auch die Verbraucherstimmung hat sich seit dem vergangenen Jahr kontinuierlich gebessert. Seit dem Frühjahr legt auch das Wachstum der Einzelhandelsumsätze wieder zu. Sofern es also am Wochenende keine negative Überraschung aus dem Einzelhandel gibt, sollte danach die Rally weitergehen. Mit besten Grüßen Ihr Torsten Ewert
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