Der deutsche Leitindex befindet sich weiter im Korrekturmodus, kämpft mit der 11.000er-Marke. Ist jetzt die Zeit für die Schnäppchenjagd gekommen? Ich habe drei der nach KGV günstigsten DAX-Aktien unter die Lupe genommen. Meine eigentliche Botschaft ist aber eine andere. Auf Basis des für 2018 zu erwartenden Gewinns liegen momentan beim KGV-Ranking die Deutsche Lufthansa, Covestro und die Vorzugsaktien von Volkswagen mit KGVs von 4,9 bzw. 5,6 bzw. 5,7 vorne. Hierzu muss man allerdings wissen, dass die Lufthansa und VW traditionell mit Bewertungsabschlägen zu anderen DAX-Werten gehandelt werden, nicht nur auf KGV-Basis, sondern auch bei Kennzahlen, die z.B. auf den Cashflow oder den Buchwert abstellen. Bei der Lufthansa liegt das an strukturellen Nachteilen gegenüber wendigeren und jüngeren Playern wie beispielsweise Ryanair. Die Lufthansa hat z.B. mit starken Gewerkschaften zu kämpfen (momentan gibt es schon wieder Streiks bei der Tochter Eurowings für höhere Löhne) und hohen Pensionsverbindlichkeiten. Das ist im Konkurrenzkampf ein klarer Nachteil. Die Marktbewertung spiegelt dies mit entsprechenden Abschlägen wider. Daher muss man bei der Kranich-Airline immer schauen, ob der quasi immer vorhandene Bewertungsabschlag grade im Moment besonders hoch ist, wenn man herausfinden möchte, ob die Aktie gerade auch für Lufthansa-Verhältnisse günstig bewertet ist. Bei VW wiederum gibt es zusätzlich zu den im Moment nach KGV ohnehin sehr günstigen Autobauern den Malus, dass es sich um einen Konzern handelt, der eine Kombination von verschiedenen Automarken (Volkswagen, Audi, SEAT, Skoda, Bentley, Bugatti, Lamborghini, Porsche, Ducati) und Nutzfahrzeugmarken (Volkswagen Nutzfahrzeuge, Scania und MAN) mit unterschiedlichen Zielgruppen darstellt (quasi ein Konglomerat innerhalb der Fahrzeugbranche). Hinzu kommt die Beteiligung des Landes Niedersachsen in Höhe von 20,2 Prozent der Stimmrechte. Hintergrund ist hier das so genannte VW-Gesetz, das besagt, dass kein Aktionär mehr als 20 Prozent der Stimmrechte ausüben kann, auch wenn er mehr Anteile besitzt. So will die öffentliche Hand ihren Einfluss auf den Autobauer sicherstellen und z.B. eine feindliche Übernahme verhindern. Auch das führt zu einem dauerhaften Bewertungsabschlag. Auch hier gilt wie bei der Lufthansa: Möchte man beurteilen, ob die Aktie aktuell besonders günstig ist, muss man untersuchen, ob der Bewertungsabschlag zu den anderen Autobauern ungewöhnlich hoch ist und Autobauer zugleich an sich besonders günstig bewertet sind. Genug der Vorrede. Schauen wir uns die Werte einzeln an: Deutsche Lufthansa Momentan stufen von 21 Analysten 11 die Lufthansa mit "Kaufen" ein, 5 mit "Halten" und 5 mit "Verkaufen". Bernstein Research sieht in einer ganz aktuellen Einstufung noch Potenzial für die Aktie. Die Erträge in der Branche seien nachhaltiger als früher, findet Analyst Daniel Roeska in einer am Freitag veröffentlichten Studie. Allerdings dürften die starken Schwankungen der Treibstoffpreise fortdauern. Das größte Risiko für sein Kursziel stelle ein rascher Einstieg von Billigfliegern auf dem Heimatmarkt der Lufthansa, aber auch auf langen Strecken dar. Er sieht ein Kursziel von 27 Euro bei einem aktuellen Kurs von 21 Euro. Zuletzt kostete Kerosin wesentlich weniger als die Lufthansa das für 2019 ursprünglich geplant hatte, was sich natürlich kostenmindernd auswirkt. Allerdings gab es zuletzt speziell auf den Kurzstrecken verstärkten Konkurrenzdruck. Der Vorstand selber konnte bei einem Analystentreffen die negative Reaktion des Marktes auf die Zahlen zum 3. Quartal nicht verstehen. Bereits zuvor hatte die Aktie ausgehend vom Höchstkurs im Dezember 2018 stark korrigiert. Das hatte neben der Kerosinproblematik auch an Problemen bei der Integration der Reste von Air Berlin gelegen, denn der komplette deutsche Flugverkehr musste neu strukturiert werden. Die Folge waren enorme Verspätungen und viele Flugausfälle, die zu erheblichen Erstattungen an die Kunden führten. Interessante News gab es bei der Frachttochter Lufthansa Cargo. Diese hat eine strategische Vereinbarung mit der China Post Group vereinbart, der offiziellen Post des bevölkerungsreichsten Landes der Welt. Bereits in 2017 hatte sich das ehemalige Problemkind schneller erholt als erwartet. Nach einem minus von 50 Millionen Euro in 2016 (bereinigtes EBIT) schaffte man in 2017 ein Plus von 240 Millionen Euro. Fakt ist jedoch auch, dass die Lufthansa im Zuge der Bekanntgabe des Quartalsberichts am 30. Oktober bei den Wachstumszielen zurückgerudert war. Im Sommer 2019 will sie ihr Flugangebot nur noch halb so stark ausweiten wie im laufenden Jahr. Pessimist Dirk Schlamp von der DZ Bank fürchtet daher eine stärkere Abschwächung im gesamten Sektor und hat sein Kursziel auf 15,50 Euro reduziert. Deutsche Lufthansa AG (ISIN: DE0008232125) | | WKN / Kürzel | Börsenwert | KGV 17/18e/19e | Kurs | 823212 / LHA | 10 Mrd. EUR | 6 / 5 / 5 | 20,91 EUR | Meine Meinung: Die Aktie ist aus Tradinggesichtspunkten interessant, wegen der grundlegenden strukturellen Schwierigkeiten aber kein Langfristkauf. Volkswagen Vorzüge Probleme über Probleme beim Volksautobauer: Diesen Eindruck erhält man zumindest, wenn man die jüngsten Schlagzeilen einzuordnen versucht. Emissionen, WLTP, Zölle und die weitere Entwicklung in China bereiten Anlegern Bauchschmerzen. Und darin ist die Hauptthematik der kommenden Jahre nur am Rande angesprochen: Der Übergang zur Elektromobilität, der durch die jüngsten Skandale noch forciert werden könnte und der die Branche auf den Kopf stellen könnte. Nicht weniger als 44 Milliarden Euro muss oder will (je nach Sichtweise) VW in den kommenden fünf Jahren investieren, um auch im Elektroauto-Zeitalter ein weltweit führender Hersteller zu bleiben. Im Zentrum stehen dabei Elektrofahrzeuge, die Digitalisierung, Autonomes Fahren und neue Mobilitätsdienstleistungen. Fast unter ging dabei, dass VW mit seinem Kosteneinsparprogramm gut vorankommt. Die Ziele für das operative Ergebnis (EBIT) vor Sondereffekten sowie den Vor- und Nachsteuergewinn für die Jahre bis 2020 konnte man deshalb nach oben revidieren. VW treffe viele gute Entscheidungen und könnte zu einem führenden Unternehmen bei Elektrofahrzeugen aufsteigen, loben viele Analysten wie beispielsweise Harald Hendrikse von Nomura. Andererseits sei das Unternehmen wegen der im Vergleich zu BMW und Daimler schwächeren Bilanz aber auch anfälliger für einen Nachfragerückgang. Fakt ist aber auch, dass sich die Nachfragesituation in der Automobilindustrie zuletzt merklich abgekühlt hat. VW ist mit seiner mittelfristigen Anhebung der Prognosen eine rühmliche Ausnahme. Für 2018 haben nun die meisten Autobauer und -zulieferer ihre Erwartungen reduziert. Zu bedenken ist dabei auch, dass die 2020er-Prognose natürlich mit einer erhöhten Unsicherheit verbunden ist. Volkswagen VZ (ISIN: DE0007664039) | | WKN / Kürzel | Börsenwert | KGV 17/18e/19e | Kurs | 766403 / VOW3 | 74 Mrd. EUR | 7 / 6 / 5 | 146,20 EUR | Meine Meinung: Die Aktie ist günstig wie kaum jemals zuvor. Sie notiert auf Kennzahlenbasis ca. 30 Prozent unterhalb der langjährigen Durchschnittsbewertung. Allerdings gibt es dafür eben auch gute Gründe. Die Zukunftsaussichten sind unsicherer denn je. Da der Automobilsektor im DAX ohnehin sehr hoch gewichtet ist, könnte man auch mit einem DAX-ETF den Autosektor abdecken und dabei die Risiken begrenzen. Covestro Covestro ist ein hochprofitabler Kunststoffspezialist, der mit seinem Produktportfolio fast alle Bereiche des täglichen Lebens tangiert. Dank einer hocheffizienten und international skalierbaren Produktionsplattform ist das Unternehmen Kostenführer und hat in fast allen Bereichen, in denen man aktiv ist, auch die Marktführerschaft inne. Ein wichtiger Grund für die Gewinnexplosion in den letzten Jahren (Jahresüberschuss von 343 Mio. Euro in 2015 auf 2,0 Mrd. Euro in 2017) spielten aber Preisanstiege bei wichtigen Produkten von Covestro, z.B. bei TDI, das für die Herstellung von flexiblen Schaumstoffen für Matratzen und Autositze eingesetzt wird. TDI ist neben Polyether-Polyolen und der Chemikalie Methylendiphenylisocyanat (MDI) einer von drei Bausteinen im PU-Geschäft. Polyurethane entstehen durch die Kombination von Polyolen mit MDI oder TDI, je nach geforderter Eigenschaft. Sie bieten unter anderem den Vorteil, dass sie durch Modifikation der Bausteine in enormer Vielfalt produziert und bei Bedarf auch am Verwendungsort erst zusammengemischt werden können. Wichtig: Für die beiden Marktführer Covestro und BASF sind Polyurethane seit vielen Jahren ein Eckpfeiler und wichtiger Ertragsbringer im Kunststoffgeschäft. Preisanstiege und Preisrückgänge bei diesen Materialien schlagen sich sofort in den Gewinnen des Unternehmens nieder. Im lange Zeit von extrem steigenden Preisen geprägten Marktumfeld konnte Covestro folglich immer höhere Margen erzielen. Man rechnet hier gerne mit der EBITDA-Marge, also dem Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Amortisationen. Diese lag in der Spitze bei über 25%. Die Aktie explodierte regelrecht. Das ist gut im Allzeit-Chart (seit der Ausgliederung aus Bayer) zu erkennen: Covestro AG (ISIN: DE0006062144) | | WKN / Kürzel | Börsenwert | KGV 17/18e/19e | Kurs | 606214 / 1COV | 9,6 Mrd. EUR | 9 / 6 / 7 | 47,62 EUR | Das Problem dabei ist aber eben, dass historisch diese EBITDA-Margen eher im Bereich von 13% gelegen haben und im Tief 2013 sogar bei unter 10%. Zuletzt sind die Preise z.B. für TDI speziell im wichtigen chinesischen Markt stark gefallen. Deshalb dürften eben die Gewinne von Covestro nun wieder deutlich zurückgehen. Man spricht hier von einer hohen Zyklik des Geschäfts und das Problem ist, dass sich diese Zyklen eben sehr schwer prognostizieren lassen. Deshalb liegen auch die Analysten immer wieder so falsch und müssen reaktiv die Kursziele anpassen. In dieser Woche hat das Unternehmen prompt eine Gewinnwarnung veröffentlicht, obwohl man noch vor wenigen Wochen die Prognose für 2018 bestätigt und im Sommer sogar noch eine Erhöhung vorgenommen hatte. Das sorgte für enorme Unsicherheit und einen Vertrauensverlust ins Management. Die Aktie stürzte in der Spitze um über 15 Prozent ab. Analysten folgten und kürzten die Schätzungen für die Jahre bis 2021 um teilweise über 25 Prozent pro Jahr. Das günstige KGV relativiert sich somit deutlich. Trotzdem ist nun im Kurs aus meiner Sicht extrem viel Pessimismus enthalten. Auf Basis der aktuellen Konsensschätzungen für 2019, die freilich noch etwas sinken könnten, liegt das KGV gerade mal noch bei sieben. Meine Meinung: Bei Covestro stimmt nicht nur die Bewertung, sondern auch die Qualität. Das Unternehmen ist bei vielen Produkten marktführend und generiert mit Aktienrückkäufen Mehrwert für die Anleger. Mutige greifen hier ins fallende Messer und spekulieren darauf, dass es nicht ganz so schlimm kommt wie der Markt erwartet. Manko ist aber, dass bei anhaltender Schwäche auch ein Ausschluss aus dem DAX drohen könnte. Stringente Strategie ist wichtig! Grundsätzlich halte ich es aber für sinnvoller, wenn wir als Anleger nicht diskretionär einzelne Titel aus dem DAX auswählen, sondern eine grundsätzliche Strategie beim Portfolioaufbau anwenden, z.B. die Trending Value-Strategie nach O`Shaughnessy. Hier wird ein ganzer Korb von etwa 25 Aktien mit den günstigsten fundamentalen Bewertungskennzahlen erworben, die aber gleichzeitig auch einen intakten Trendverlauf haben. Diese werden dann für einen bestimmten Zeitraum, meist für ein Jahr, gehalten und dann durch jeweils neue Trending Value-Werte ersetzt. So ließ sich der Markt in der Vergangenheit um durchschnittlich 6 bis 6 Prozent per anno schlagen. → Mehr dazu findest Du in diesem Video... Hinweispflicht nach §34b WpHG: Die Geldanlage-Report-Redaktion ist in den genannten Wertpapieren / Basiswerten zum Zeitpunkt des Publikmachens des Artikels nicht investiert. Es liegen daher keine Interessenskonflikte vor. Die in diesem Artikel enthaltenen Angaben stellen keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dar. Viel Erfolg bei Deinen Finanzentscheidungen & ein schönes Wochenende wünscht Dir Dein Armin Brack Chefredakteur Geldanlage-Report >> Die nächste Ausgabe erscheint am 01. Dezember Wir freuen uns über Lob, Kritik und Anregungen. Gerne kannst Du uns auch Themenvorschläge unterbreiten. Fragen und Anregungen bitte per Mail an redaktion@geldanlage-report.de Tradesignal® ist eine eingetragene Marke der Tradesignal GmbH. Nicht autorisierte Nutzung oder Missbrauch ist ausdrücklich verboten! Hier kommst Du zu Tradesignal Online. Geldanlage-Report weiterempfehlen! Wir würden uns freuen, wenn Du den Geldanlage-Report Deinen Freunden und Kollegen weiterleiten würdest! Kostenlose Anmeldung unter www.geldanlage-report.de |