Kalter Krieg um Corona | Laschet lehnt Stadion-Konzert ab | Mit Kamala Harris gegen Trump
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Rheinische Post

Tägliche Post aus der Chefredaktion

Stimme
des Westens

Moritz Döbler

12. August 2020

Liebe Frau Do,

die „Stimme des Westens“ startet heute im Osten. Der Kalte Krieg ist wieder da, jedenfalls bei der Suche nach einem Impfstoff gegen das Corona-Virus. Was damals die Raumfahrt war, ist heute die Medizin: Das scheint jedenfalls Wladimir Putin nahelegen zu wollen. Der erste künstliche Satellit namens Sputnik wurde 1957 auf die Erdumlaufbahn geschossen und begründete die sowjetische Raumfahrt. Die USA hatten das Nachsehen, vom Sputnik-Schock war noch lange die Rede. Jetzt hat Russlands Präsident einen Impfstoff unter dem Namen Sputnik V präsentiert. Wieder haben die USA das Nachsehen und das kurz vor der Präsidentschaftswahl – aber ob wirklich ein Schock daraus wird, muss sich zeigen. Zunächst sieht es nach einem PR-Coup aus, der darauf beruht, dass die Arznei nicht ausreichend erprobt wurde. Russisches Roulette also, wie Antje Höning in ihrem Leitartikel schreibt.

Aber auch die Anfänge der Raumfahrt glichen einem lebensgefährlichen Glücksspiel. Wo die anderen Nationen bei der Suche nach dem Impfstoff stehen und wie Experten auf die russische Eröffnung reagieren, haben Wolfram Goertz, Antje Höning und Eva Quadbeck recherchiert. Ärztepräsident Klaus Reinhardt kritisiert die Zulassung des russischen Impfstoffes als „ein hochriskantes Experiment am Menschen“. Es dränge sich der Eindruck auf, dass hier ein autoritär regierter Staat der Weltgemeinschaft seine wissenschaftliche Leistungsfähigkeit demonstrieren wolle. Sputnik eben.

Irdischer sind die Themen, mit denen sich NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) im Kampf gegen die Pandemie beschäftigen muss. Düsseldorfs OB Thomas Geisel (SPD, auch wenn das nicht auf den Wahlplakaten steht) will ein Stadionkonzert ermöglichen, bei dem unter anderen Bryan Adams und Sarah Connor vor 13.000 Menschen auftreten sollen. „Kein gutes Signal“ angesichts der aktuell wieder gestiegenen Infektionszahlen, sagt Laschet und vermutet beim politischen Gegner wegen des Konzerttermins knapp vier Wochen vor der Kommunalwahl einen Versuch der Profilierung. Die Einzelheiten haben Kirsten Bialdiga, Reinhard Kowalewsky und Uwe-Jens Ruhnau zusammengetragen.

Dass der neue Kanzlerkandidat Olaf Scholz bei seinen Wahlplakaten in einem Jahr auf das SPD-Logo verzichten darf, ist nicht anzunehmen. Denn die einstige Volkspartei will ja ausgerechnet mit ihm ihr linkes Profil schärfen. Vom Stamokap-Juso reifte er zum Agenda-Mann, jetzt soll er wieder näher an seine politischen Wurzeln rücken. Wo der Spagat für ihn schwierig werden könnte, beschreiben Jan Drebes und Birgit Marschall. Unbill droht ihm auch von dem Untersuchungsausschuss zur Wirecard-Affäre, auf den sich die Opposition im Bundestag einigen dürfte.

Es könnte zu einem Lagerwahlkampf (wie zu Zeiten des Kalten Krieges…) kommen, wenn nicht die Grünen wären. Denn die wollen sich nicht auf ein Lager und damit auch nicht auf Schwarz-Grün festlegen. Was das für die Union bedeutet, schreibt Gregor Mayntz in seiner Analyse. Sie wissen ja, dass ich erst seit Jahresanfang bei der Rheinischen Post arbeite und zuvor Chefredakteur in Bremen war. Aber unser Chefreporter hat das kleinste Bundesland nicht mir zuliebe erwähnt, sondern weil von dort ein fatales politisches Signal ausging. Denn vor etwas mehr als einem Jahr wurde dort zwar die CDU erstmals nach mehr als 70 Jahren die stärkste politische Kraft und hatte in den Grünen auch ihren Wunschpartner gefunden. Doch die gingen stattdessen ein Dreier-Bündnis unter SPD-Führung und mit der Linken ein. Der Wahlsieger darf nicht mitregieren. Und auch deswegen sieht Gregor Mayntz für die Union „Fallgruben vor dem Kanzleramt“.

Im Osten hat dieser Newsletter heute angefangen, im Westen lassen wir ihn enden: US-Präsidentschaftskandidat Joe Biden hat eine womöglich wegweisende Entscheidung getroffen und Kamala Harris als „Running Mate“ benannt - als Vize für den Fall seiner Wahl also. Die Entscheidung war mit Spannung erwartet worden, nicht zuletzt, weil Biden bereits 77 Jahre alt ist. Mehr als eine Amtszeit trauen ihm viele Beobachter nicht zu, entsprechend viel Gewicht hat die Wahl seiner Stellvertreterin.

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag und auch bei der aktuellen Hitze einen kühlen Kopf,

Herzlich

Ihr

Moritz Döbler

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