Liebe Leserin, Lieber Leser,
früher logen Parteien eher vor der Wahl. Man versprach, was die Leute halt so hören wollten. Und danach hieß es: Sorry, Schlaraffenland ist abgebrannt. Die Union zeigte diese Woche, dass sich der Trend auch drehen kann: Im Wahlkampf raunte Friedrich Merz noch von bitteren Wahrheiten und wenig Spielraum. Nun reißt er die ganz große Bonbonniere auf und sagt mit der Gravitas eines sauerländischen Sparkassen-Vorstandes: „Whatever it takes!“
Genau! Was immer ihr braucht – das Geld gibt’s ab sofort bei uns. Und natürlich bin ich ungerecht. Meine Empörung konnten Sie mir gestern schon anmerken, als ich hier die Eine-Billion-Bombe auseinandernahm, mit der Merz im schwarz-roten Duett mit Lars Klingbeil von der SPD die Republik sanieren will (siehe der Zeitplan weiter unten).
Es ist ja auch nicht so einfach, die zerstörerische oder gar rettende Kraft des historisch einmaligen Geldsegens zu verstehen. Selbst wenn man zum Beispiel zwei Top-Ökonominnen fragt, bekommt man drei Antworten zum Thema.
Monika Schnitzer, Chefin des Rates der Wirtschaftsweisen, feiert die beiden avisierten Geldpakete für Verteidigung und Infrastruktur als alternativlos großen Wurf. Ihre Ratskollegin Veronika Grimm hält dagegen: „Wir reden dauernd nur über zusätzliche Schulden, viel zu wenig über eine Strategie, wie wir aus diesen Investitionen auch wirklich Wachstum generieren.“ Halten Sie sich fest: Beide haben recht.
Denn natürlich ist Deutschland – durch eigene Dummheit, aber auch externe Dynamik – an einem Punkt angekommen, wo wir ohne frisches Geld kaum noch zu retten wären. Zugleich stimmt aber auch: Geldausgeben allein reicht nicht.
Es bedarf viel grundlegenderer Reformen – in wichtigen Sektoren wie Gesundheit, Rente und Pflege, beim Bürokratieabbau, der Wirtschafts- und Bildungsförderung, im Steuerrecht und und und… Derlei hat weniger mit Geld zu tun, als mit Anstrengung und Schmerzen. Diese Schmerzen werden noch kommen. Und der künftige Kanzler wäre gut beraten, rechtzeitig darauf hinzuweisen, dass es mit der Mission Füllhorn nicht getan ist, zu der die Empörung übrigens breit und laut ausfiel. |