W&V Techonomics
von 27.05.2024 - 14:32 Uhr   » Zur Webversion
Jochen Fuchs

Jochen G. Fuchs, aka der ‚E-Fuchs‘, sortiert die Ereignisse der Woche aus den Bereichen KI, Tech und Commerce und analysiert daraus das, was wirklich wichtig ist.

Hallo John,

Ein Zeitalter des Umbruchs steht an, nach der Vorstellung von AI Reviews von Google und Microsofts Recall auf den Copilot+ PCs. 
 
Das Internet, ursprünglich dezentral, frei und offen konzipiert, könnte sich stark von dieser Ursprungsidee entfernen. Das könnte  für Handel und Marketing enorme Veränderungen bringen. 
 
Wieso, wie die Veränderungen aussehen könnten und was wir tun können, erfährst du im heutigen Techonomics-Stück weiter unten.
 
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Jochen G. Fuchs

 
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KI wird das freie Netz und damit Marketing und Handel radikal verändern
 
Bild 1
Generiert von Jochen G. Fuchs durch Dall-E für W&V.
Ein Zeitalter des Umbruchs steht an, nach der Vorstellung von AI Reviews von und Microsofts Recall auf den Copilot+ PCs. Das Internet, ursprünglich dezentral, frei und offen konzipiert, könnte sich stark von dieser Ursprungsidee entfernen. Das mag fast philosophisch und moralisch angehaucht klingen, aber die Folgen werden harte wirtschaftliche Auswirkungen haben und könnten den Zugang zu den Kund:innen monopolisieren.
 
ChatGPT& CO. sind nur der Anfang, die echte Magie kommt noch
Der Entwicklungssprung im Bereich Generative KI, beginnend mit ChatGPT hat uns Nutzer:innen plastisch vor Augen geführt, was KI heute kann. Abstrakte Begriffe wie Machine Learning und Neuronale Netzwerke konnten das Thema KI vorher nicht so eindrücklich begreifbar und ausprobierbar machen - für jedermann.
 
Mit Chatbots Bildchen generieren und die magische Schreibmaschine Textchen schreiben lassen, ist ein schönes und eindrucksvolles Zauberkunststück.  Aber, wie Sascha Lobo es auf LinkedIn so schön ausgedrückt hat, "Generative KI hat außerhalb von Bereichen wie Software-Entwicklung in seiner Normalform bisher selten Umsetzungskraft". 
 
Die echte Magie kommt erst noch, wenn der Zauberlehrling KI, seine durch die LLMs neu gewonnene Fähigkeit menschliche Texte und Spracheingaben zu interpretieren dazu nutzt, um damit mit anderen (KI-)Technologien zu kooperieren und so komplette Abfolgen von Aufgaben automatisiert ausführt.
 
Idealerweise, ich zitiere Lobo frei: "ohne 17 Programme und Hilfswebseiten zu verwenden sowie ohne 17 Passwörter, Zugangsberechtigungen und 2-Step-Verifikationen durchzotteln zu müssen".
    
Allerdings sind die 17 Programme und Hilfswebseiten damit überflüssig geworden. Was kann noch alles überflüssig werden? Im Prinzip das ganze Netz.

Googles AI Reviews, Microsoft Recall und der kleine Hoffnungsschimmer namens Apple
Sascha Lobo hebt die Radikalität von Microsofts Copilot+ PCs sowie deren Feature Recall hervor, dem Feature, das alles wieder hervorzerrt, was Nutzer:innen jemals gesehen, gehört und gelesen haben und dann ermöglicht diese Informationen mit einem dahingeworfenen Halbsatz direkt im Endgerät weiterzuverarbeiten.
 
Eine der lesenswertesten, wenn auch sicher polarisierendsten, Analysen der Google I/O lieferte der bekannte Blogger Sascha Pallenberg, der aufgrund von Googles AI Reviews, den neuen automatisierten KI-Antworten auf Suchanfragen, das Ende des SEO-Zeitalters postulierte.
 
Google wirbt damit, dass KI die "harte Arbeit" aus der Suche herausnehmen wird. Pallenberg schreibt, dass die Google-Suche zukünftig vorausschauend sein wird: "Google nutzt dabei seine Gemini-AI, um herauszufinden, was wir suchen... egal, ob wir tippen, sprechen, ein Bild machen oder ein Video aufnehmen." 
 
Im Ergebnis wird niemand mehr Google verlassen müssen, so Pallenbergs Beobachtung: "Ein neues spezialisiertes Gemini-Modell fasst das Web zusammen und zeigt uns dann eine entsprechende Antwort an."
 
Pallenberg verweist auf Googles Head of Search Liz Reid, die erklärt habe, dass frühe Daten zeigen würden, dass diese neue Art der Suche zu mehr Klicks ins offene Web führen würde.
  
Etwas weiter oben in seinem Artikel hat der Blogger allerdings eine Studie von Sparktoro zitiert, die zeigt, dass schon 2020 Zweidrittel aller Google-Suchen Suchen ohne einen weiteren Klick waren. Also null Traffic für die Content-Produzenten.
 
Ein Beispiel: Ich nutze Perplexity für Recherchen, und ja, ich klicke jede Quelle an, die mir die KI-Suchmaschine liefert. Aber nur, weil ich Journalist bin und jeder Aussage der KI erst einmal misstraue. Aus inhaltlichen Gründen müsste ich es theoretisch nicht. (Dann würde ich zwar über manche Halluzination und Fehlinterpretation der KI stolpern und mir im Falle von Googles AI Reviews vielleicht Kleber auf die Pizza schmieren oder Steine schlucken, aber die KIs werden gefühlt täglich besser.)
 
Null Traffic für die Content-Produzenten bedeutet:
  • Content-Marketing für Marken und Shops im Internet könnte sinnlos werden
  • SEO könnte sinnlos werden
  • Marketing direkt auf Websites könnte sinnlos werden
  • Und Marketing im freien Internet in Onlineshops und auf Marktplätzen könnte sinnlos werden
Noch radikaler: 
  • Die Erstellung von Inhalten für ein freies Netz könnte komplett sinnlos werden

Das Innovators-Dilemma könnte für Marketing und Handel noch ein Rettungsanker werden, denn schließlich will beispielsweise Google nicht sein Werbegeschäft kannibalisieren. Also wird man dort Content und neue Werbemöglichkeiten in KI-Kanälen zusammenführen. In diesem Szenario würde sich das Marketing vom freien Netz in die KI verlagern.
 
Auch Microsoft, deren Werbeeinnahmen keine so große Rolle spielen wie bei Google, wird sich trotzdem den Kundenzugang sichern (und vielleicht eine größere Scheibe am Werbegeschäft abschneiden) wollen. Das werden alle Anbieter eines KI-Assistenten wollen.
 
Bei Apple geht man im Moment recht agnostisch auf das Thema zu. Und spricht anscheinend mit allen großen KI-Anbietern, um eine Integration der verschiedenen KIs in das eigene Betriebssystem zu planen. Da bleibt zumindest die Hoffnung, dass dort die Strategie verfolgt wird, den Kunden an Gerät und OS zu binden – nicht an eine bestimmte KI.
 
"Was tun?", spricht Zeus. Den Kundenzugang erhalten!
Der Journalismus befindet sich schon seit Längerem im Umbruch, doch der Aufstieg der LLMs führt dazu, dass viele, wenn nicht alle Inhalte, hinter der Paywall verschwinden. Auch, damit die Inhalte nicht unfreiwillig Teil der Trainingsdaten werden. Die Verlage versuchen, ihr Hab und Gut zu schützen und gleichzeitig den Kundenzugang zu verteidigen. 
 
Das wird zukünftig eine Frage für jeden Content-Produzenten: Marketeers, Händler, Marken und jedes Unternehmen, das Inhalte von Bedienungsanleitungen über Anwendungstipps hin zu Ratgebern veröffentlicht.
 
Packe ich meinen Content hinter ein Gate? Oder füttere ich die KI, um Kundenzugang zu erhalten? Der Endgegner ist hier der Kundenzugang.
 
Ich neige dazu, für den Erhalt des freien Netzes zu plädieren. Diversifizieren wir die KI-Chatbots, die KI-Features und stellen diesen unsere Inhalte zur exklusiv zur Verfügung. Vermiesen wir den großen KI-Assistenten das Geschäft mit eigenen Assistenten und Features und machen das Netz intelligenter. 
 
Wenn der KI-Chatbot einer Camping-Zeitschrift oder eines Campingartikel-Herstellers bessere Ergebnisse liefern kann als Gemini oder ChatGPT, dann hätte er eine Daseinsberechtigung. 
 
Vielleicht ist die Website an sich dann Geschichte, und es wird nur noch ein KI-Assistent frequentiert. 
 
Aber das ist letztlich nur eine Oberfläche. Der Inhalt zählt.
 
 
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