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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Freitag, 12.05.2023 | viel Sonne, gegen Abend bewölkt, 11 bis 22°C. | ||
+ Kai Wegner und die 800.000-Euro-Spende + Angehender CDU-Stadtrat macht Wahlkampf unter falscher Flagge + Berlins Verwaltungsgericht verwirft Schmerzgriff-Klage der „Letzten Generation“ + |
von Margarethe Gallersdörfer und Lorenz Maroldt |
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Guten Morgen, wir sind mitten im Lenz! Leider nicht dem faulen, ganz im Gegenteil. Von Kopf bis Fuß auf Neuanfang eingestellt ist die Berliner Landespolitik – doch bei der ersten regulären Plenarsitzung des Abgeordnetenhauses nach der Wiederholungswahl stellte sich heraus, dass der Hafer einige ganz gewaltig sticht. Und die Vergangenheit erst! Zwischen den Scheidungsparteien – Grüne und Linke auf der einen Seite, und SPD mit ihrem neuen Kerl auf der anderen Seite – brennt die Luft. Es war kaum Mittag, da unterstellte SPD-Neusenator Christian Gaebler, als Regierungsmitglied im Parlament nur zu Gast, der Linken-Abgeordneten Katalin Gennburg, sie habe ihm eine Frage nach möglichen Einflüssen auf die Koalitionsverhandlungen durch den Architekten- und Ingenieurverein Berlin-Brandenburg nur „aus latentem Hass“ auf Baudirektorin Petra Kahlfeldt gestellt. Wogegen Gennburg sich prompt verwahrte. Daraufhin wutentbrannt am Podium: SPD-Mann Torsten Schneider. Der sagte erst, er erkenne keinen qualitativen Unterschied zwischen der „Hetze“, die von Linke und AfD käme, und beantragte quasi im gleichen Atemzug eine Sitzungsunterbrechung für den Ältestenrat. Immerhin, aus der kam Schneider erfrischt zurück – mit einer Entschuldigung an die Ex, äh Linke, für den fiesen Vergleich. Doch die Wunden sitzen zu tief, die Giftpfeile werden noch drei Jahre weiterfliegen. Geduckt daneben sitzt die CDU, die sich wie jeder neue Kerl bang fragen muss: Wenn die sich doch noch so fetzen – ist es dann wirklich vorbei? Lachender Fünfter: die AfD. | |||
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Heute Nachmittag erscheint der dritte Teil unserer Podcast-Serie über Kai Wegner. Diesmal geht es darum, was vom neuen Regierenden Bürgermeister zu erwarten ist – und wie seine Verbindungen zur Baubranche sind. Eine Frage war da bisher offengeblieben: Wie kam es zu den Spenden von insgesamt 800.000 Euro, die der Immobilienentwickler Christoph Gröner im Jahr vor der Wahl 2021 der Berliner CDU zukommen ließ? Selbst in der CDU waren damals viele über die Höhe der Parteispenden überrascht, und sogar in der Wirtschaft erregte das Misstrauen. Wir sind der Geschichte dieser Spenden nachgegangen – und dabei auf Widersprüche gestoßen. Über seine Bewegründe für das außergewöhnliche Engagement sagte Gröner dem Checkpoint: „Die Glaubwürdigkeit der CDU war so nach unten gefallen, dass wir gesagt haben: Mit einem neuen Kopf und mit einem belastbaren Programm können wir dem bürgerlichen Lager wieder ein Gesicht verleihen.“ Das aber war noch nicht alles. Sicher ist: Das Geld kam über einen Kontakt von Gröner und Wegner bei der CDU an. Kennengelernt haben die beiden sich bei einer Veranstaltung. Wegner ist von Gröner „beeindruckt“, wie er sagt, vor allem von dessen „großer sozialer Verantwortung“ – der Unternehmer engagiert sich persönlich und finanziell für Kinderprojekte. Gröner schätzt an Wegner, dass der Schluss machen wolle mit der „Hinterstuben-Politik“, bei der „Dinge verabredet wurden und der Bürger dann vor vollendete Tatsachen gesetzt wurde“. Beide eint, dass sie den Aufstieg aus eher bescheidenen Verhältnissen geschafft haben, der eine politisch, der andere wirtschaftlich. Beide trennt die Beschreibung ihrer Beziehung – und ein wichtiges Detail im Zusammenhang mit den Spenden. Auf die Frage, ob sie miteinander befreundet sind, sagt Wegner: „Nein, dafür kennen wir uns nicht lang genug. Ich glaube auch nicht, dass Christoph Gröner mit einem privaten Problem zu mir kommen würde, und ich würde es auch nicht tun.“ Dieselbe Frage beantwortet Christoph Gröner so: „Ja, wir sind befreundet. Also, ich habe drei, vier Freunde im Leben und dazu gehört der Kai Wegner sicherlich nicht. Aber es ist ein wirklich sympathischer Mann, mit dem ich gerne Zeit verbringe.“ Zu den Spenden von Christoph Gröner sagt Wegner: „Das alles Entscheidende ist doch, dass man davon politische Entscheidungen nicht abhängig macht, und das werde ich nie tun. Und das weiß auch jeder, dass ich das nicht tun werde.“ Gröner sagt dagegen zu seinen Spenden an die CDU: „Ich habe eine einzige Forderung an den Herrn Wegner gestellt, und die war die, dass ich gesagt habe: Kinder im Kinderheim, die behindert sind, sollen bitte in Zukunft den gleichen Kleidersatz kriegen wie Kinder, die nicht behindert sind. Da wir sehr viele Kinder in Berlin betreuen, über zweieinhalbtausend in Kinderheimen, habe ich mir erlaubt, eine solche Forderung in den Raum zu stellen. Der werde ich auch konsequent nachgehen, das erwarte ich. Ich werde es prüfen. Ich bin davon überzeugt, dass er das ganz von allein auch weiß. Das ist sozusagen schriftlich fixiert.“ Die ganze Geschichte gibt’s ab heute Nachmittag in unserem Checkpoint-Podcast „Berliner & Pfannkuchen zu hören“ – überall dort, wo es Podcasts gibt, und natürlich auch auf tagesspiegel.de. Hier sind auch die beiden ersten Folgen zu finden. Für Berlinkenner und alle, die es werden wollen! | |||
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Am 22. September 2022, die Wahlwiederholung war absehbar, eine Entscheidung stand unmittelbar bevor, meldete sich um 13.13 Uhr ein neuer User für das Diskussionsforum auf der Tagesspiegel-Website an. Sein Nutzername: @reh383. Seitdem hat @reh383 genau 131 Kommentare verfasst, in denen er sich an Linken, Grünen, Klimaschützern („Mit solchen Leuten spricht man nicht“), der SPD und dem Tagesspiegel abarbeitet. Die Artikel im Tagesspiegel zu den Koalitionsverhandlungen nennt er eine „Kampagne“. Er sieht „geschlossene linke Weltbilder in der Hauptstadtpresse“. Einem Gastautor von der SPD bescheinigt er „krude Thesen“, nennt ihn „bekloppt“ und fragt: „Warum dürfen hier ständig Sozialdemokraten ihr Gift ablassen?“ Zu Franziska Giffey heißt es: „Nett vom Tagesspiegel, der Frau ein wenig Wahlkampfunterstützung zu geben.“ Über den Text eines Tagesspiegel-Redakteurs schreibt @reh383: „Es ist ja immerhin ehrlich, wenn sich der Autor als linker Sozialromantiker outet. Konsequenterweise müsste man das bei allen weiteren Artikeln dazuschreiben - so als Disclaimer.“ Wer hinter @reh383 steckt, erfahren die anderen Leserinnen und Leser nicht. Für sie ist er einfach ein konservativer Bürger, der seine Meinung vertritt. Dabei müsste @reh383 konsequenterweise unter alle Kommentare seinen Namen und seine Funktion dazuschrieben – so als Disclaimer. Denn @reh383 ist Hannes Rehfeldt, Pressesprecher des CDU-Kreisverbands Neukölln sowie Koordinator und Verantwortungsträger im Stab des bisherigen CDU-Sozialstadtrats Falko Liecke, der im neuen Senat Jugendstaatssekretär wurde. Die Mailadresse, mit der Rehfeldt sich angemeldet hat, ist sein offizieller Dienstkontakt: hannes.rehfeldt@bezirksamt-neukoelln.de. Die CDU sagt danke: Nett vom Bezirksamt, Kai Wegner ein wenig Wahlkampfunterstützung zu geben. Mehr als 100 Kommentare zu Texten, die auf tagesspiegel.de erschienen sind, hat Rehfeldt zwischen 10 und 16 Uhr geschrieben, die meisten davon am Vormittag. Das fällt in die Kernarbeitszeit des Bezirksamts. Die Nutzung dienstlicher E-Mail-Adressen ist in der bezirklichen „Dienstvereinbarung zur Nutzung des Internet“ geregelt. Unter Punkt 2.2 heißt es da: „Die private Nutzung des Internet und der anderen Dienste ist grundsätzlich nicht zulässig.“ Vom Checkpoint dazu befragt, spricht Rehfeldt offen von einem Fehler: „Das soll natürlich nicht so sein. Ich will das gar nicht auf irgendwen schieben, ich hätte das früher prüfen sollen.“ Auf die Frage, ob er Kommentare während der Dienstzeit geschrieben hat, sagt er: „Ich habe stets darauf geachtet, die stets als private Meinung zu verstehenden Kommentare nicht in der Dienstzeit zu verfassen, sondern das in Pausen zu tun. In meiner bisherigen dienstlichen Tätigkeit ist diese Abgrenzung aber nicht immer einwandfrei möglich. Pausen werden dann gemacht, wenn es gerade passt, nicht nach Stechuhr. So kann es durchaus sein, dass Kommentare auch zu Zeiten, in denen üblicherweise keine Pausenzeiten und damit Raum für private Dinge sind, verfasst worden sind.“ Rehfeldt will sich am 24. Mai zum Stadtrat für Gesundheit und Soziales wählen lassen. | |||
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Ein herrliches Fundstück aus den neunziger Jahren weist den Weg zum Ursprung des Klimaklebens: Aus unerfindlichen Gründen veröffentlichte damals das Fraunhofer-Institut eine 32-seitige Broschüre mit dem Titel „Sprüche, die das Kleben schrieb – von Freunden für Freunde des Klebens“. Der Clou (Sie ahnen es sicher schon): In penetranter Konsequenz wird dem Wort „Leben“ an vorderster Stelle ein „K“ angeklebt. Und das liest sich dann, in weiser Voraussicht, zum Beispiel bei Christian Morgenstern (* 1871) so: „Blödem Volke unverständlich, treiben wir des Klebens Spiel. Gerade das, was unabwendlich, fruchtet unserm Spott als Ziel.“ Hier einige weitere bekannte Sprüche – mit kleiner Änderung zu großer Wirkung: „Freu dich des Klebens, es ist schon später als du denkst.“ „Ist der Ruf erst ruiniert, klebt es sich ganz ungeniert.“ „Kleben heißt kämpfen.“ „Wir kleben über unsere Verhältnisse, aber noch lange nicht standesgemäß.“ „Der Mensch ist, ich gesteh es euch, ein böses Klebewesen.“ „Nicht für die Schule, fürs Kleben lernen wir.“ „Morgen können wir’s nicht mehr, darum lasst uns heute kleben.“ „Das Kleben ein Kampf.“ Ok, kommen wir zurück ins Hier und Jetzt, wo Gerichte übers Kleben befinden. Mit dem Kleben davonkommen, das gelingt den wenigsten. Und dass der Klebende recht hat, kommt selten vor. „Du musst dein Kleben ändern“, das meint nicht nur Rilke, sondern auch so mancher Richter. Einem Aktivisten, der gegen die Polizei vor Gericht zog, weil sie ihn mit einem Schmerzgriff von der Straße holte, wurde jetzt beschieden: „Es irrt der Mensch, solang er klebt.“ Sein Eilantrag blieb erfolglos. | |||
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