|
Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Montag, 13.03.2023 | Leichter Regen und windig bei Höchsttemperaturen um 13°C. | ||
+ Berliner SPD zwischen Koalition, Opposition und Revolution + CDU will Platz oder Straße in Berlin nach Helmut Kohl benennen + Klima-Volksentscheid droht dem Senat Klage an + |
von Lorenz Maroldt |
|
Guten Morgen, während die Verhandlungen zur Senatsbildung von heute an in den 13 Arbeitsgruppen vertieft werden sollen, schwanken die Sozialdemokraten zwischen Koalition, Opposition und Revolution wie die zerstrittene Besatzung eines leckgeschlagenen Kahns im Sturm mit zwei orientierungslos wirkenden Kapitänen auf der Suche nach dem rettenden Kurs hin und her: Die Jusos stellen sich ebenso wie die Bezirksverbände Neukölln und Steglitz-Zehlendorf gegen die Rolle als Juniorpartnerin der CDU, Pankow ist klar dafür – auch wenn Matthias Brückmanm, stellvertretender Vorsitzender der SPD Kollwitzplatz-Winskiez, bei der Versammlung Franziska Giffey zurief: „Du bist an Wahlkampfständen eher als Wählerschreck denn als Magnet wahrgenommen worden.“ Auch der frühere Bildungsstaatssekretär Mark Rackles macht weiter mobil für einen rot-grün-roten Senat – mit Blick auf die klare Haltung der Jusos ruft er zur Meuterei gegen den Landesvorstand auf: „Auch für alle über 35 geeignet, die der Verzwergung der SPD unter Franziska Giffey und Raed Saleh was entgegensetzen wollen.“ Giffey dagegen will die SPD an die CDU binden („Wir haben jetzt nicht die Wahl zwischen Rot-Grün-Rot und Schwarz-Rot“) wie einst Odysseus sich selbst an den Mast seines Schiffes. Denn die Grünen sitzen für Giffey auf ihrer Insel wie die Sirenen aus der griechischen Mythologie, um die SPD erst zu betören und dann ins Verderben zu stürzen. Tatsächlich lockt ihr Fraktionschef Werner Graf: „Die Tür zu Rot-Grün-Rot ist immer noch da. Man muss sie nur öffnen und durchgehen wollen.“ Ganz ohne Opfer würde das aber nicht gehen, denn Graf fügt noch hinzu: „Schöner wäre es ohne Franziska Giffey.“ Alle aktuellen Entwicklungen können Sie hier in unserem Blog verfolgen. | |||
|
Helmut Kohl ist zurück auf der politischen Bühne: Die CDU will nach Checkpoint-Informationen bei den Koalitionsverhandlungen mit der SPD besprechen, welche Straße oder welcher Platz in Berlin nach dem früheren Kanzler benannt werden soll. Alle bisherigen Vorstöße der CDU waren gescheitert oder versandet. Burkhard Dregger, der 2018 den Großen Stern vorgeschlagen hatte, sagte dem Checkpoint: „Selbstverständlich unterstütze ich dies weiterhin angesichts der überragenden Verdienste Helmut Kohls bei der Widerherstellung der Einheit Berlins, Deutschlands und Europas.“ Kai Wegner hatte kurz vor der Entscheidung über die Widerholungswahl im vergangenen Jahr gefordert, „an einer zentralen Stelle Berlins“ an den „Kanzler der Einheit“ zu erinnern. Das unterstützt auch die Abgeordnete Stefanie Bung, Mitglied der Verhandlungsgruppe Stadtentwicklung: „Fast 25 Jahre nach der Kanzlerschaft Helmut Kohls sollte sein politisches Wirken, insbesondere bei der deutschen Einheit, im Berliner Stadtbild gewürdigt werden.“ Vielleicht handelt die SPD im Gegenzug ja einen Helmut-Schmidt-Platz aus. Und was meinen Sie: Welche Straße oder welcher Platz soll nach Helmut Kohl benannt werden? Schreiben Sie uns an checkpoint@tagesspiegel.de – eine Auswahl Ihrer Antworten veröffentlichen wir morgen hier im Tagesspiegel und im Newsletter Checkpoint. | |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
|
Ein Ort, den wir für das Projekt „Helmut Kohl“ nicht empfehlen können, liegt zwischen Maxim-Gorki-Theater, Straße am Festungsgraben, Kastanienwäldchen, Dorotheenstraße und der HU – denn das ist Berlins Bermuda-Dreieck: Hier verschwinden Plätze so wie im Norden der Karibik die Schiffe. Glauben Sie nicht? Dann lesen Sie mal weiter: Heute auf den Tag genau vor 25 Jahren, am 13. März 1998, veröffentlichte der Senat im Amtsblatt auf Seite 1045 den Beschluss, eben diesen namenslosen Ort in der Nachbarschaft von Helmut Kohls Deutschem Historischen Museum und direkt neben der früheren Singakademie, wo nach dem Aufstand die Preußische Nationalversammlung tagte, in „Platz der Märzrevolution“ zu benennen. Angesichts des damaligen 150. Jahrestags des Beginns der Barrikadenkämpfe in Berlin heißt es im Amtsblatt weiter: „Die Benennung wird am 18. März 1998 wirksam.“ Und: „Die sofortige Vollziehung der Straßenbenennung wird angeordnet.“ Berlinkenner wissen, was hier „sofortige Vollziehung“ bedeutet: Kannste vergessen. Und so kam es auch: Zwar tauchte der „Platz der Märzrevolution“ an genau dieser Stelle auf gedruckten und digitalen Stadtplänen auf, und die Verwaltung ordnete ihn namentlich in Wahlbroschüren noch im Jahr 2019 dem Stimmbezirk 108 zu; aber auch im 175. Jahr der Märzrevolution weist nichts darauf hin, dass hier jemand die Absicht hat, ein Namensschild zu errichten und damit einen Senatsbeschluss zu vollziehen. Im Gegenteil: Das Bezirksamt Mitte bestreitet inzwischen sogar, dass es hier überhaupt einen Platz gibt, der zu benennen wäre. Und dazu dient ein kleiner Trick: Die Verwaltung erklärt heute offiziell, in der Amtsblatt-Veröffentlichung sei es um einen „noch anzulegenden und noch zu gestaltenden Platz“ gegangenen. Da aber niemand dort einen Platz angelegt und der Senat die Pläne zur „Herstellung“ eines solchen Platzes zudem aufgegeben habe, gebe es folglich auch keinen Platz, der benannt werden könne. Tatsächlich aber ist im inzwischen leicht vergilbten, ansonsten aber originalen Amtsblatt nur die Rede vom „noch zu gestaltenden Platz“ – was die tatsächliche Existenz eines solchen Platzes voraussetzt und zugleich bestätigt. Und so lautet ja auch die Überschrift des Original-Amtsblatts: „Benennung eines Platzes.“ Warum hier trotz der Proteste u.a. der „Berliner Geschichtswerkstatt“ 25 Jahre lang keine Schilder aufgestellt wurden und wohl auch keine mehr aufgestellt werden, liegt vor allem daran, dass inzwischen der „Platz vor dem Brandenburger Tor“ in „Platz des 18. März“ umbenannt wurde. Damit, so der Bezirk, sei der Beschluss zum „Platz der Märzrevolution“ gegenstandslos geworden; der Verwaltungsakt müsse deshalb auch nicht rückgängig gemacht werden. Die Beschlüsse zum „Platz des 18. März“ fielen allerdings 1997 und 1999 – also zur gleichen Zeit wie der zum „Platz der Märzrevolution“. Und so verschwinden in Berlin auf wundersame Weise sogar Plätze, die es nie gegeben hat. | |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
|
Und wieder gibt’s Wahlärger in Berlin – diesmal geht’s um den Klima-Volksentscheid: Weil wegen Wartungsarbeiten am Landesnetz mitten in der Mobilisierungsphase am Wochenende die Online-Beantragung von Abstimmungsscheinengestört bzw. ganz unterbrochen war, droht der Anwalt der Initiative „Klimaneustart“ dem Landeswahlleiter damit, bei einem Scheitern das Ergebnis anzufechten. Das Land Berlin habe mit der kurzfristig angekündigten Netzunterbrechung „eine erneute Abstimmungswiederholung riskiert“, heißt es in dem Schreiben, das dem Checkpoint vorliegt, und: „Damit greifen Sie rechtswidrig in die Rechte meiner Mandantin auf ordnungsgemäße Durchführung des Volksentscheids ein.“ Das Büro des Landeswahlleiters hatte die Initiatoren erst am Freitagmittag um 12:31 Uhr darüber informiert, dass am Sonnabend die Onlinebeantragung der Briefwahlunterlagen „von 4:00 bis 10:00 gar nicht und von 10:00 bis 18:00 nur eingeschränkt zur Verfügung“ stehen wird. Genau für diesen Tag hatte die Initiative aber ihren Hauptwerbetag für die Briefwahl und eine Großveranstaltung geplant. Nach Angaben von Anwalt Peter Kremer werden täglich zwischen 24.000 und 45.000 Unterlagen für die Abstimmung per Brief beantragt. Abstimmungstag ist der 26. März. Die Initiative sah sich bereits dadurch benachteiligt, dass die Abstimmung vom Senat auf Vorlage von Innensenatorin Iris Spranger nicht zeitgleich mit der Wiederholungswahl angesetzt worden war. Das IT-Dienstleistungszentrum des Senats verwies nach Angaben der Initiative darauf, die Landeswahlleitung habe den Wartungsarbeiten zu diesem Zeitpunkt bereits vor Monaten zugestimmt. Der Landeswahlleiter wiederum erklärte der Initiative zufolge, das ITDZ müsse die Wartungsarbeiten jetzt durchführen, weil sie bereits seit Monaten geplant gewesen seien. Mit anderen Worten: Is‘ so, weil: Is‘ so. Übrigens: Sowohl das ITDZ wie auch die Landeswahlleitung sind organisatorisch der Innensenatorin zugeordnet. Michaela Zimmermann, Sprecherin bei „Klimaneustart“, sagte dem Checkpoint dazu gestern Abend: „Ein Tag wirft uns erheblich in der Mobilisierung zurück. Im Vorfeld der Wahl wäre so ein Eingriff in den Prozess sicherlich nicht autorisiert worden. Hier wird wieder mit zweierlei Maß gemessen, obwohl Wahlen und Volksentscheide den gleichen Verfassungsrang haben.“ Es kommentiert Checkpoint-Gastautor George Orwell: „Alle Wahlen und Abstimmungen sind gleich. Aber manche sind gleicher als die anderen.“ | |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
|
Ok, hätten wir das geklärt. Aber: Wie soll das Ziel des Volksentscheids, Berlin bis zum Jahr 2030 klimaneutral zu machen, eigentlich umgesetzt werden? Was kostet das? Ist das überhaupt realistisch? Und: Wie würde sich Berlin durch die erforderlichen Maßnahmen verändern? Ann-Katrin Hipp und Anke Myrrhe verraten Ihnen die Antworten darauf in der neuen Ausgabe unsers Checkpoint-Podcasts „Berliner & Pfannkuchen“ (u.a. hier zu hören). Bei Ihren Recherchen haben sie u.a. mit dem Klimaforscher Felix Creutzig von der TU Berlin und dem Mitinitiator Stefan Zimmer gesprochen. Wer vorhat, sich an der Abstimmung zu beteiligen und mit Ja oder Nein zu stimmen, aber auch, wer aus Ratlosigkeit, Ablehnung oder Fatalismus darauf eigentlich verzichten wollte oder einfach noch keine Meinung dazu hat, sollte sich diese knapp 40 Minuten auf gar keinen Fall entgehen lassen. | |||
|
Sie lesen hier die Checkpoint-Kurzstrecke. Mit einem Plus-Abo erhalten Sie exklusiv den digitalen Zugang zu allen Tagesspiegel-Texten, auf die Checkpoint-Vollversion und die Checkpoint-Website. Dort finden Sie auch das Checkpoint-Archiv und interaktive, nach Bezirken und Stichworten recherchierbare Berlinkarten mit allen Checkpoint-Tipps aus den Rubriken Essen & Trinken, Berlinbesuch, Geschenk, Noch hingehen sowie allen 1124 „Berliner Schnuppen“ von Naomi Fearn. Sie können alle unsere Abo-Angebote einen Monat lang kostenlos testen – zur Anmeldung geht es hier unter diesem Link. | |||
|
|
|
|
| |||
|
| |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
|
| |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
|
| |||
|
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
|
| |||
| |||
| |||
|
| |||
| |||
| |||
| |||
|
| ||||
|
| |||
| |||
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
|
|
| |||
| |||
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
| |||
| |||
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|