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Tagesspiegel Checkpoint vom Donnerstag, 23.09.2021 | Wolkig-heitere 19°C. | ||
+ Wir warten auf die Koalitionsverhandlungen + Grüne provozieren Giffey und Wegner mit Video + Wie die Parteien zusammenpassen + |
von Lorenz Maroldt |
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Guten Morgen, zu den ärgerlichsten Ausweichmanövern der Politik gehört die Behauptung, über Koalitionen entschieden die Wählerinnen und Wähler. Wer das glaubt, glaubt auch daran, dass eingelöst wird, was die Parteien im Wahlkampf versprechen. Also praktisch niemand. Doch an den Ritualen halten alle fest. In Berlin ist die Wahlurne also mal wieder eine Blackbox. Welche Mischung dabei herauskommt, entscheiden nicht die Wählerinnen und Wähler, sondern die Spitzenleute der Parteien nach Kriterien, die für gewöhnlich in langen Nächten in kaltem Kaffee aufgelöst und umgerührt werden – je nachdem, wie es gerade passt, und je nachdem, welche persönlichen Animositäten gerade unterdrückt oder ausgelebt werden. Nahezu ausgehandelte Koalitionen sind in Berlin schon mal an der Motorbootsteuer gescheitert (Ampel, 2001), mal am Weiterbau der A100 (Rot-Grün, 2011). Mal zog überraschend die Linke in den Senat ein statt der FDP, mal die CDU statt der Grünen. Und einmal wurde ein früherer Regierender Bürgermeister sogar Bundeskanzler, obwohl seine Partei nach der Wahl nur die zweitstärkste war. Was Franziska Giffey nach der Wahl anstrebt, sollte sie vorne bleiben, ist ihr Geheimnis. Zu Gerüchten, am liebsten wäre ihr Rot-Schwarz-Gelb, sagte sie in Marzahn am Rande eines Wahlkampftermins, das habe sie „nie gesagt“ (Q: Berliner Zeitung). Was sie denkt, sagte sie allerdings nicht. Nur, dass die Grünen ein bisschen aufpassen sollten: „Man muss sich doch noch ins Gesicht sehen können nach den Wahlen.“ | |||
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Doch die Grünen denken gar nicht daran, aufzupassen. Nachdem sie sich bereits über Giffeys Kostüme mokiert hatten, präsentierten sie jetzt ein Video, das neben der SPD-Spitzenkandidatin auch gleich den zweiten möglichen Koalitionspartner, Kai Wegner von der CDU, durch verfremdeten Redesequenzen lächerlich macht. Hier können Sie es sich anschauen. | |||
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Wie die Parteien programmatisch bei den Themen Wirtschaft und Migration zusammenpassen, zeigen wir am Ende im „Encore“. Und einen bunten Vorschlag für kreative Koalitionsverhandlungen hat Naomi Fearn gezeichnet – in ihren „Berliner Schnuppen“ weiter unten verrät sie ihn (Abo-Ausgabe). Bei manchen Wahlkampfaussagen fragt man sich schon, wer hier eigentlich in den vergangenen zehn Jahren regiert hat – zur Erinnerung: Bis auf die FDP waren von den traditionellen Parteien alle dabei. Die Grünen fordern ein Ende der Trödelei bei der Verkehrswende? Ok, das sollten sie mal ihrer Verkehrssenatorin sagen. Die SPD verspricht „Sichere Kieze“? Da wüsste man schon gerne, warum ihr Innensenator und ihre Bezirksbürgermeister nicht längst geliefert haben (oder was sie plötzlich für neue Ideen dafür haben). Dass inzwischen alle wissen, wie man „Klima“ buchstabiert, haben wir verstanden. Aber wie die lähmende, organisierte Unzuständigkeit zu überwinden ist, und zwar ganz konkret, weiß offenbar niemand zu sagen. Nur dass sie schlimm ist. Aber für diese Erkenntnis hätten wir keinen teuren Wahlkampf gebraucht, da reicht ein Besuch beim Bürgeramt (online buchbare Termine, Stand heute früh: keine). | |||
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Als letzten Gast bei unserem Wahlkampf-Barbecue grillte Robert Ide gestern Abend Kai Wegner – der Beginn des Livestreams musste allerdings ein wenig verschoben werden, der CDU-Spitzenkandidat kam zu spät: Ausgerechnet am proklamierten „autofreien Tag“ mit kostenlosem BVG-Angebot war Wegner in seinem Wagen im Stau stecken geblieben, oder besser gesagt: Er war ein Teil davon. Politisch blieb Wegner pragmatisch: Da Giffey das CDU-Programm ohnehin weitgehend übernommen habe, „wären wir relativ schnell fertig mit dem Koalitionsvertrag“. Wie sich Wegner die Stadt der Zukunft vorstellt, hat hier Sabine Beikler zusammengefasst (Abo). Und ein Video des gesamten Talks finden Sie hier. | |||
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Was die CDU-Fraktion da gerade als Flyer verschickt, kommt vielen bekannt vor – und tatsächlich: Die „Informationen zum Enteignungsvolksentscheid“ sehen dem offiziellen Informationsschreiben der Landesabstimmungsleiterin dazu in Schriftart und Anschein zum Verwechseln ähnlich – bis hin zum Berliner Bären im Kopf. Ja, dürfen die denn das? „Die CDU täuscht Wähler:innen“, empörte sich sogleich die Initiative und veröffentlichte einen Vergleich (hier zu sehen). Aber auch unabhängig von der Machart stellt sich die Frage, ob die Fraktion hier verbotene Parteiwerbung im Wahlkampf betreibt – und deshalb haben wir diese Frage auch gleich mal der Fraktion gestellt. Am Abend antwortete Fraktionssprecher Olaf Wedekind: „Der CDU-Fraktion wurde vorab von der Präsidentin des Rechnungshofes und mit einem Rechtsgutachten die Zulässigkeit einer Information zum Volksentscheid bestätigt. Es handelt sich dabei ausdrücklich nicht um Wahlkampfzwecke (siehe auch expliziten Hinweis auf der Karte). Vielmehr wird die Information der Bevölkerung nach der Verhinderung einer Stellungnahme des Parlaments durch Rot-Rot-Grün sichergestellt.“ Wer dieses Gutachten erstellt hat, beantwortete Wedekind nicht mehr. Vielleicht der emeritierte Staatsrechtler Ulrich Battis, der gerade im Auftrag des Lobbyvereins „Neue Wege für Berlin“ die Enteignungspläne für „nicht umsetzbar“ und „unverhältnismäßig“ erklärte (Q: B.Z.)? Wir werden sehen – unser landespolitischer Reporter Robert Kiesel bleibt jedenfalls dran. | |||
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Sie erinnern sich an Oskar? Der kleine Hund der Familie Brandts war vor der DM-Filiale am Bahnhof Pankow von einem Unbekannten losgebunden und mitgenommen worden, wir hatten hier den Suchaufruf von Kaia, Leni, Rike und Felix geteilt (Checkpoint v. 17.9.). Jetzt gibt es zwar noch kein Happyend, aber eine irre Fortsetzung der Geschichte – hier ist sie (Trigger-Warnung: Wer hier keine feuchten Augen bekommt, hat kein Herz): Der Hinweis einer aufmerksamen Dame aus Neukölln führte auf die Spur des „Entführers“ – und der ist nicht zwischen 15 und 17, wie Zeugen schätzten, sondern gerade mal zwölf Jahre alt. Der Junge aus Wedding hatte Oskars Leine gelöst, war mit dem kleinen Hund in die S-Bahn gestiegen, durch die halbe Stadt gefahren und irgendwann am Kottbusser Tor gelandet. Dort band er Oskar los. Weitere Zeugen beobachteten, wie der kleine Hund allein die Reichenberger Straße hinterlief. Es ist nicht das erste Mal, dass der Weddinger Junge einen fremden Hund mitnimmt. Wegen einer mentalen Schwäche erlauben ihm seine Eltern nicht, einen eigenen zu haben – also zieht er los und schaut, wo er einen losbinden kann. Er spürt nicht, dass es falsch ist, was er macht. Aber wenn er merkt, dass es ihm zu viel wird, lässt er den Hund wieder frei. Oskar war für vier Minuten zur falschen Zeit am falschen Ort. Der nächste Hinweis kam von einer Frau, die auf der Straße lebt und in Kreuzberg gut vernetzt ist. Sie beobachtete am 14. September eine Gruppe obdachloser Jugendlicher, in ihrer Begleitung ein kleiner Hund. Als sie von der Suche hört, fällt ihr auf: Der sah aus wie Oskar. Seitdem wird vermutet, dass Oskar mit einem oder mehreren Jugendlichen zwischen Revaler Straße, Warschauer Brücke, Skalitzer Straße, Görlitzer Park und Kottbusser Tor unterwegs ist. Kaia, Leni, Rike und Felix Brandts hoffen und suchen weiter – und wir wollen sie mit der Power der Checkpoint-Community dabei unterstützen. Bei Facebook haben die Brandts einen neuen Suchaufruf veröffentlicht, den Sie hier lesen können. Den Flyer mit einem Bild und weiteren Merkmalen des Jack-Russel-Terriers sowie den Kontaktdaten der Brandts finden Sie u.a. hier. Und falls Sie am Sonnabend um 16 Uhr und/oder Sonntag um 12 Uhr Zeit haben, können Sie direkt bei der Suche und dem Verteilen von Flyern helfen. Treffpunkt ist jeweils der U-Bahnhof Görlitzer Bahnhof (Ausgang Wiener Straße). | |||
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