| Guten Morgen, wegen chaotischer Zustände vor den Testzentren will der Senat mal wieder mit viel Geld die Kapazitäten erweitern. Bisher lief das verlässlich auf neue Millionenaufträge für die Münchner Firma 21DX hinaus, teils ohne Ausschreibung und trotz erheblicher Zweifel am Geschäftsgebaren des Unternehmens: Die Website startete als billige Farce, wegen eines Lecks waren sensible Daten von 130.000 Getesteten über Wochen frei im Netz verfügbar, und es gab Hinweise darauf, dass die Geschäftsführerin von 21DX eine Auftragsbeschreibung des Senats mitverfasst hat (Sebastian Schöbel vom rbb trug hier viel zur Aufklärung bei). Erst im September 2020 war die Firma gegründet worden, schon ein paar Wochen später hatte sie den ersten zweistelligen Millionenauftrag des Landes in der Tasche – trotz einiger Konkurrenz aus Berlin. Zwei zentrale Fragen aber blieben bisher ohne Antwort: Warum bekam das kleine, neue Unternehmen den ersten Zuschlag? Und warum immer wieder aufs Neue, obwohl es günstigere Angebote gab – und sogar die Vergabekammer Bedenken bekundet? Aus internen Unterlagen der Gesundheitsverwaltung, die der Checkpoint einsehen konnte, ergibt sich jedenfalls ein erstaunlich salopper, vertrauter Umgangston der Beteiligten des Millionendeals beider Seiten untereinander – und eine geschickt aufgebaute Drohkulisse nach der ersten Anbahnung. So drängte die Geschäftsführerin von 21DX, Martina Steiner-Samwer, den Senat am 20.11.2020 zu einer schnellen Entscheidung: „Nun nimmt die Nachfrage aus dem privaten Sektor in Berlin zu und wir haben die vorhandenen Kapazitäten gedanklich noch für die Senatsverwaltung reserviert in der Annahme, dass die pandemisch wertvollste Allokation durch Sie erfolgt.“ Danach ging alles fast wie von selbst. Am 26.11.2020 war der Vertrag unterzeichnet, und bereits am 15.12.2020 vermerkte Jörg Max Haase, „Gesamtkoordinator Testung“ bei der Gesundheitsverwaltung, 21DX habe sich „als leistungsfähiges Unternehmen bewährt“. Die erforderliche Ausweitung der Testkapazitäten könne „nur durch eine ergänzende Beauftragung an 21Dx gewährleistet werden“. So kam es dann auch. Jeweils weitere „Ausweitungen“ der Testkapazitäten sah Haas am 29.12.2020 und am 08.02.2021 wortgleich wiederum „nur durch eine ergänzende Beauftragung an 21Dx gewährleistet“, auch im September 2021 ging wieder ein Auftrag an 21DX. Die Kommunikation mit den Vertretern der Gesundheitsverwaltung hatte da längst eine andere Mitarbeiterin von 21DX übernommen: Evelyn Tichy, studierte Biologin und seit dem 19.03.2021, also nach den ersten schnellen Erfolgen, „Head of Business“ bei 21DX. Der Ton zwischen ihr und Haas ist meist locker, man duzt einander, ab und zu schickt Berlins Gesamtkoordinator auch ein Smiley nach München. Und sie haben etwas gemeinsam: Beide studierten an der Freiburger Albert-Ludwigs-Universität – genau zur selben Zeit. Ein schöner Zufall. Und so schickt Evelyn mal „liebe Grüße aus London, bis bald in Berlin“, mal „herzliche Grüße aus München“. „Lieber Jörg“, schreibt Evelyn zum Beispiel am 21.01.2021 und erinnert Haas daran, dass eine Zusatzvereinbarung verlängert werden muss. Nur fünf Minuten später kommt die Antwort: „Liebe Evelyn, wir verlängern (so viel in Kürze).“ Anfangs und zwischendurch wird’s schon mal förmlich, da heißt es dann „Liebe Frau Dr. Tichy, herzlichen Dank für Ihren Vertragsentwurf“ (24.11.2020) oder „Sehr geehrter Herr Haas, sehr geehrter Herr Körting, wir freuen uns Ihnen ein Angebot (…) zu unterbreiten“ (02.02.2021). Aber auch Martina Steiner-Samwer, die so erfolgreich gedrängelt hatte und dem Senat die Auftragsbeschreibung gleich mit servierte, gab sich freundschaftlich vertraut mit dem Verhandlungspartner: „Guten Morgen Jörg“, schrieb sie am 06.01.2021, „anbei das unterschriebene Exemplar.“ Am 12.02.2021 kam um 9.15 Uhr mal wieder eine Mail aus München bei Haas an: „Lieber Jörg, anbei der Auftragsbestätigungstext wie besprochen, Dir ein wohlverdientes Wochenende, Evelyn.“ Hm, ein „Auftragsbestätigungstext“, verfasst von der Auftragnehmerin? Kurz darauf verschickt Haas eine „Auftragsbestätigung“ an 21DX, ganz förmlich: „Sehr geehrte Damen und Herren, wir bedanken uns für Ihr Angebot.“ Zu anderen Themen des Tages: | |