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Stefan Gilsbach
Lokalredakteur Radevormwald
13. Januar 2024
Liebe Leserin, lieber Leser,
Hückeswagen, Radevormwald und Wermelskirchen aus einer Hand – das erwartet Sie in diesem Newsletter. Und das sind unsere Themen:
Wie geht’s im Kreishaus weiter – geht’s überhaupt weiter? Nachdem Landrat Stephan Santelmann angekündigt hat, dass er 2025 bei der nächsten Kommunalwahl nicht mehr als Kreisverwaltungs-Chef kandidiert, stellen sich diese Fragen. Bezeichnend sind die Stellungnahmen aus dem politischen Raum. Die reichen von Sich-bedeckt-halten bis zu wenig rühmlichen Worten für den Noch-Landrat.
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Während Wermelskirchens CDU-Stadtverbandsvorsitzender Stefan Leßenich immerhin noch von einer freundschaftlichen Verbundenheit zu dem Christdemokraten Santelmann spricht, belässt es die CDU Rhein-Berg bei „Respekt“. Wörtlich formuliert der CDU-Kreisgeschäftsführer Lennart Höring: „Die CDU nimmt die Ankündigung von Landrat Stephan Santelmann, bei der nächsten Kommunalwahl nicht erneut als Landratskandidat zur Verfügung zu stehen, mit großem Respekt zur Kenntnis. Unser Dank gilt ihm zunächst für seine bisherige Arbeit. Wir sind dankbar für seine Bereitschaft, diese bis zum Ende der Wahlperiode im Herbst 2025 fortzusetzen.“ Ein Wort des Bedauerns darüber, dass der CDU-Mann die Spitzenposition im Kreis aus den Händen geben will und die CDU sich zwangsläufig auf die Suche nach einem neuen Kandidaten machen muss , findet sich in der Stellungnahme nicht. Das lässt tief blicken und darauf schließen, dass der Bruch zwischen dem Landrat und seiner Partei in Rhein-Berg nicht einfach ein kleiner Riss ist, der sich leicht kitten ließe, sondern eher eine unüberbrückbare Schlucht zu sein scheint. Das Bedauern fehlt wohl schlicht deshalb, weil die Rhein-Berg-CDU gar nicht davon ausgeht, mit Santelmann als Spitzenkandidat für den Landratsposten bei den Wählern auftrumpfen zu können.
Als Vertreter einer Oppositionspartei kommentiert Gerhard Zorn die Ankündigung von Santelmann schärfer: „Als Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion begrüße ich, dass jetzt mit Beginn der neuen Wahlperiode im Herbst 2025 in jedem Fall ein Neu-Anfang in der Spitze des Kreises erfolgen kann. Dieser Neu-Anfang ist dringend erforderlich, weil Mitarbeitende in der Kreisverwaltung sowie Dezernentinnen und Dezernenten einen solchen Neu-Anfang brauchen, damit im Kreis wieder gut und effektiv gearbeitet werden kann.“ Heißt das, dass derzeit im Kreis nicht gut und effektiv gearbeitet wird?
Ob CDU oder SPD: Beide Stellungnahme deuten nicht darauf hin, dass es im Kreishaus in den kommenden Monaten rund läuft.
„Gier frisst Hirn“: So hatte der erste Kronzeuge 2016 die Beweggründe gegenüber der Staatsanwältin Anne Brorhilker zusammengefasst, den Staat im Rahmen der Cum-Ex-Geschäfte um Milliarden zu schädigen. In seiner Lesung in der Alten Drahtzieherei hatte der Hückeswagener Investigativjournalist Massimo Bognanni nicht umsonst auf diese Aussage aufmerksam gemacht. Zeigt sie doch die Verkommenheit von Menschen, deren Reichtum bei Normalsterblichen für Schnappatmung sorgt. Warum will jemand, der so viel Geld hat, dass er es in seinem Leben sowieso nicht mehr ausgeben kann, noch weitere „Milliönchen“ scheffeln? Das hat zum einen wohl damit zu tun, dass das verbotene Tun ein arrogantes Spiel ist, dem Staat seine vermeintliche Überlegenheit zu beweisen. Zum anderen ist das fehlender Anstand: Der nimmt (nicht nur) bei den Protagonisten des Cum-Ex-Skandals diametral zur Höhe ihres Bankkontos ab.
Was Anstand bedeutet, zeigte Franz Bellinghausen bei der Winterversammlung der Landwirte: Der Vorsitzende der Kreisbauernschaft riet seinen Kollegen im Land, es mit der Härte der Proteste gegen die Bundesregierung nicht zu übertreiben und forderte im gleichen Atemzug die Politik auf, Vertrauen in die Arbeit der Bauern zu haben. Zudem hatten sich Kreislandwirt Bernd Schnippering und der Vorsitzende der Ortsbauernschaft Christian Felbeck klar gegen die rechte Szene abgegrenzt die die Bauernproteste für ihre Zwecke missbraucht. Wie scheinheilig etwa die AfD ist, zeigt sich daran, dass sie aktuell den Landwirten scheinbar volle Rückendeckung in ihrem Protest gegen die Kürzungen bei der Rückerstattung für Agrardiesel gibt, sich in ihrem Grundsatzprogramm allerdings gegen jegliche Subventionen ausspricht. Anstand? Fehlanzeige .
Es war die Woche der Bauern: Auch in Radevormwald und in anderen Städten und Gemeinden des Kreises haben Landwirte gegen die Politik der Bundesregierung protestiert – die Traktoren-Korsos konnte niemand übersehen und überhören.
Zwar ist die kontroverse Debatte über den Agrardiesel noch nicht beendet, aber die Bauern im Oberbergischen können mit ihrer Aktion zufrieden sein. Die Resonanz war außerordentlich: Hatte man bei der Kundgebung in Gummersbach mit 500 Teilnehmern gerechnet, waren es am Ende 800 Personen, die mit ihren Traktoren, aber auch mit anderen Gefährten auf das Steinmüllergelände fuhren. Trotz des Auftretens mit den wuchtigen Landmaschinen verliefen die Demos ohne ernste Zwischenfälle. Auch gelang es den Organisatoren, Trittbrettfahrer aus der rechten und aus der Schwurbler-Ecke weitgehend fernzuhalten – zur Enttäuschung aller Sessel-Putschisten, die ihre Vergeltungsfantasien auf die Bauernproteste projizieren.
Kritiker der Proteste weisen darauf hin, dass die Landwirte doch rein statistisch zuletzt sehr hohe Gewinne gemacht hätten. Aber Statistik ist das eine, die individuellen Probleme der Betriebe eine andere. Wer sich in diesen Tagen mit Bauern aus der Region unterhalten hat, der gewinnt nicht den Eindruck, dass hier nur um noch mehr Geld geht. Die Landwirte, so erklärte der Radevormwalder Bauernverbandssprecher Holger Gesenberg, hätten mittlerweile das Gefühl, als Prügelknaben der Nation herhalten zu müssen.
Ein Grund dafür dürfte sein, dass es außerhalb der Branche wenig Wissen über die Arbeit der Landwirte gibt. Unterhaltungs-Formate wie „Bauer sucht Frau“ bedienen ein klischeehaftes Bild, mit dem sich der moderne, umfassend ausgebildete Agraringenieur sicher nicht identifizieren kann.
Auch schlagen sich die Sympathien, die viele Menschen laut aktuellen Umfragen für die Bauernproteste hegen, leider noch nicht in der Bereitschaft nieder, mehr für landwirtschaftliche Produkte zu zahlen. Und so gibt es zwar viele Solidaritätsbekundungen, aber im Supermarkt sind die Kunden dann doch froh, dass Fleisch, Milch und Brot schön billig sind. So werden sich die Probleme der bäuerlichen Betriebe nicht lösen lassen.
Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen
Ihr
Stefan Gilsbach
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