Fabel: Die Eiche und das Schilfrohr Es war einmal eine mächtige Eiche, die stolz am Ufer eines Flusses stand. Ihre dicken Äste breiteten sich weit aus, und ihre Wurzeln waren tief in der Erde verankert. Jeden Tag sah die Eiche hinunter auf ein zartes Schilfrohr, das direkt am Wasser wuchs. Es schien so schwach und zerbrechlich, dass die Eiche oft mitleidig auf das Schilfrohr herabsah. Eines Tages kam ein heftiger Sturm auf. Der Wind peitschte über das Land, riss an den Bäumen und beugte sie bis zur Erde. Die Eiche kämpfte tapfer gegen den Wind an, doch je mehr sie sich dagegen stemmte, desto stärker wurde der Druck des Sturms. Schließlich zerbrach die stolze Eiche unter der Gewalt des Windes und fiel mit einem lauten Krachen um. Das Schilfrohr schwankte jedoch leicht im Wind. Es beugte sich dem Sturm und ließ sich hin und her wiegen, ohne zu zerbrechen. Als der Sturm vorüber war, richtete sich das Schilfrohr wieder auf, während die mächtige Eiche am Boden lag. Der Wind sprach zu der Eiche: "Du warst stark, aber auch starr. Du hast dich geweigert, nachzugeben, und deshalb hast du den Sturm nicht überstanden. Das Schilfrohr hat jedoch gelernt, sich zu beugen und wieder aufzurichten. Es hat überlebt, weil es flexibel ist." Frei nach Aesop (um 550 v. Chr.), griechischer Sklave und Fabeldichter |