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Liebe/r Leser/in,

vor genau zehn Jahren führte Apple die Health-App ein, mit der Menschen ihre Gesundheit überwachen und verbessern können. Heute sammeln Milliarden Digitalinstrumente in jeder Millisekunde Daten über Körpertemperatur und Herzschlag, REM-Phasen und Hormone, Blutwerte wie Zucker und Sauerstoffsättigung.

Doch was einst als Überwachungsalbtraum Orwell’schen Ausmaßes diskutiert wurde, gilt heute als das Versprechen einer segensreichen Revolution: die künstliche Intelligenz im Kampf gegen Krankheit und Tod.

Seit 25 Jahren behandelt die Kardiologin Isabel Deisenhofer vom Deutschen Herzzentrum in München Menschen, die an Herzrhythmusstörungen leiden: Mithilfe eines Katheters verödet sie Stellen im Herzgewebe, damit es wieder gleichmäßig schlägt. Eines Tages hörte sie von einem neuen Programm, das mithilfe von KI die entscheidenden Punkte im Herzen exakter ausweisen kann. Weil es die Daten aus Abertausenden Fällen abgleicht und aggregiert. Weil KI so vielfältig einsetzbar ist, dass sie die medizinische Behandlung auf die Bedürfnisse jedes einzelnen Patienten maßschneidern kann. So auch im Falle meiner zuckerkranken Bekannten. Früher musste sie sich ständig Blutstropfen aus dem Finger pressen, die Werte checken und Insulin spritzen – heute tragen Typ-1-Diabetiker winzige Geräte am Körper, die permanent den Blutzuckerspiegel messen und die perfekte Insulindosis automatisch verabreichen.

„Künstliche Intelligenz könnte helfen, das große Versprechen der Präzisionsmedizin zu erfüllen“, schreibt der Autor unserer Titelgeschichte Kurt-Martin Mayer. „Bei der Diagnostik gibt es kaum einen Bereich, der nicht profitiert.“ KI findet auffällige Stellen in einem MRT-, CT- oder Röntgenbild. Sie beurteilt Hautveränderungen, feinste Schwankungen der Stimme oder des Herzschlags. Und weil sie in rasender Geschwindigkeit unglaubliche Mengen an Wirkstoffen kombinieren und zumindest die ersten Tests durchführen kann, beschleunigt sie auch die Entwicklung neuer Medikamente um ein Vielfaches.

Doch aus meiner Sicht ist das vielleicht größte Geschenk der digitalen Revolution: die Zeit, die sie Ärztinnen und Ärzten verschafft, um den persönlichen Kontakt mit Patienten nicht für Technisch-Medizinisches, sondern für Zwischenmenschliches zu nutzen. In jenem verschlossenen Raum, in dem Ängste, Ohnmacht und Unwissen bisher unausgesprochen wuchern.

Und wie gehen wir nun um mit der Angst vor einem alles überwachenden, unkontrollierten Monster? Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat im vergangenen Jahr erklärt: „Meine Sorge ist, dass sich im Netz ein wildes Angebot entwickelt, das komplett unreguliert ist.“ Es müsse außerdem sichergestellt sein, dass Daten künftig nicht missbraucht würden.

Werter Herr Lauterbach, ich teile Ihre Sorgen. Auch Ihre Forderung finde ich richtig! Und das Gute ist: Sie sitzen da an entscheidender Stelle, denn es gibt niemanden, der nicht nur die Pflicht, sondern auch die Möglichkeit hat, diese Menschheitsaufgabe zu lösen, außer: die politisch Verantwortlichen.

Herzlich Ihre

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Franziska Reich,
Chefredakteurin FOCUS-Magazin

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