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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Mittwoch, 19.01.2022 | Bedeckt bei max. 3°C, Schauer möglich. | ||
+ Corona-Krisenmanagement: Studierende sollen in Laboren helfen + Berliner Schüler streiken für ihr Mitspracherecht + Von wegen Mobilitätswende: Deutschlands Autofahrer wollen nicht verzichten + |
von Anke Myrrhe |
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Guten Morgen, ein ordentlicher Praxisanteil bereichert bekanntlich jedes gute Studium (vielleicht mit Ausnahme so mancher Geisteswissenschaft, aber das ist ein anderes Thema). Berliner Studierende jedenfalls bekommen jetzt die besondere Gelegenheit, Pandemiealltag im Anschauungsunterricht zu erleben: „Aufgrund der exponentiell zunehmenden Infektionszahlen mit der Omikron Variante sind die Berliner Labore sehr stark belastet und können ihre PCR-Kapazitäten nicht mehr oder nur in geringem Maße steigern. Ein wesentlicher Faktor sind die begrenzten Kapazitäten an Personal“, heißt es in einem Schreiben der Gesundheitsverwaltung an die Präsidenten der drei Berliner Unis, das dem Checkpoint vorliegt. Gesucht werden „Studierende und/oder Mitarbeitenden der folgenden Studienrichtungen: Biologie, Biochemie, Bioinformatik, Biotechnologie, (Human)Medizin und ähnlichen Studiengängen sowie Personal mit Laborerfahrung“. Mit weiteren 45 Vollzeit-Menschen zur temporären Unterstützung bei Probenannahme, Datenerfassung und Analytik „könnten die wöchentlichen Kapazitäten um ca. 28.000 PCR-Tests gesteigert werden“. Die werden dringend gebraucht, wie Gesundheitssenatorin Ulrike Gote gestern nach der Senatssitzung einmal mehr referierte („Die Nachfrage nach Tests wächst gewaltig“). Mehr Infektionen ergeben mehr Tests, die finden mehr Infektionen, die wiederum mehr Tests… die Kontaktnachverfolgung ist längst unmöglich geworden, was erste Bezirke nun auch endlich eingestehen (CP von gestern). Zwar hat Berlin innerhalb in der vergangenen Woche fast viermal so viele Tests durchgeführt wie vor einem Monat (in landeseigenen Testcentern von 9826 auf 32.197 Tests/Woche, in privaten von 3181 auf 14.763; Gote: „Das ist schon enorm“). Doch auch wenn alle Studenten zum Abstreichen antreten, wird Berlin Abstriche machen müssen: „Es ist klar, dass wir am Ende nicht genug PCR-Tests für alle haben werden nach dem Verfahren, wie wir es bisher kennen“, sagte Gote. Deswegen heißt Freitesten jetzt Schnelltesten. Alles klar? Oder wie die Regierende Bürgermeisterin es ausdrückte: „Heute sind die nachholenden Beschlüsse gefasst worden, die dritte Verordnung zur Änderung der vierten Sars-Cov-2-Infektionsschutzmaßnahmenverordnung.“ Da musste sie selbst etwas schmunzeln, sie hätte es vermutlich lieber Gutes-Pandemiebekämpfungs-Gesetz genannt. Aber auch wenn Giffey minutenlang in einem rot eingebundenen Notizbuch nach Antworten suchte, ist die Kommunikation im Vergleich zum Vorjahr einigermaßen erfrischend. Während Müller in wichtigen Pandemiemomenten gern mal einen fachsimpelnden Finanzsenator in die PK schickte oder die fahrige Verkehrssenatorin, saßen Giffey und Gote nun bereits die dritte Woche in Folge vor der blauen Berliner Wand – und werden wiederkommen. „Wir sind nach wie vor in einer Situation, in der wir nicht vom über den Berg sein sprechen können“, sagte Giffey, „wir können eigentlich noch nicht mal davon sprechen, dass wir schon am höchsten Punkt des Berges angekommen sind.“ Neukölln, bekannt für seine bergigen Landschaften, hat nun bundesweit die höchste Inzidenz. Und nebenan in Brandenburg (auch da soll’s Berge geben) gelten in drei Kreisen (Havelland, Teltow-Fläming und Potsdam) jetzt nächtliche Ausgangssperren für Ungeimpfte. Gilt auch für Studierende und Bergwanderer. | |||
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Apropos kompetente Frauen: Dass ein solches Schreiben im Jahr 2022 mit der Formel „Sehr geehrte Herren“ beginnen muss, weil nach dem plötzlichen Abgang von Sabine Kunst an der HU derzeit alle Berliner Unis von Männern geleitet werden, ist nur eine Fußnote. Aber damit kennen sie sich an Unis ja (meistens) ganz gut aus. An der TU jedenfalls fordern zwei Frauen den amtierenden Präsidenten Christian Thomsen heraus (inkl. Triell mit der Frage: „Wie wollen Sie verhindern, dass an der TU beim Personal und bei den Gebäuden weiter alles zusammenbricht?“). Heute wird gewählt. Motto der 40-jährigen externen Kandidatin Geraldine Rauch: „Let’s TU it.“ Wenn das die Geisteswissenschaften hören... | |||
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Was tun wollen auch einige Schülerinnen und Schüler in Neukölln und Friedrichshain: Hier wird heute gestreikt – was ausnahmsweise mal nichts mit irgendwelchen Viruslasten zu tun hat. Es geht um die Änderung des Schulgesetzes, die im September noch vom alten Senat beschlossen wurde, mit einem bislang wenig beachteten Detail: Es sieht vor, eine weitere pädagogische Person in die Schulkonferenzen zu entsenden (Sozialarbeiterin/Horterzieher etc.). Grundsätzlich keine schlechte Idee, doch die Schüler fürchten um ihre Mitbestimmung: „Durch die Gesetzesänderung verschiebt sich das Abstimmungsverhältnis in der Schulkonferenz um eine Stimme zugunsten der Lehrkräfte und wir Schüler*innen Neuköllns sowie Friedrichshain-Kreuzbergs haben weniger Mitbestimmungsrechte an unseren Schulen“, schreiben die Bezirksschülervertreter und drehen das ganz große Rad: „Die Schüler*innenschaft kann nur lernen, Verantwortung für die Gesellschaft zu übernehmen, wenn sie die Möglichkeit hat, dies in der Schule zu lernen und zu tun. Die zunehmende Entmündigung widerspricht dem Gedanken der Demokratie und fördert einen autokratischen Aspekt des Schulsystems, der nicht erwünscht sein kann.“ Wie viele sich an der demokratischen Revolution beteiligen wollen, war gestern nicht zu erfahren. | |||
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Ausgebremst fühlt sich angesichts grüner Gedanken auch so manch Autofahrende in dieser Stadt. Während die SPD-Regierenden aus Berlin und Brandenburg am Montag Parkplatz an Parkplatz betonten, dass man durchaus auch noch mit dem Auto in die Stadt hineinfahren können müsse, tritt die grüne Verkehrssenatorin auf die Bremse: Sie will mit Hilfe des Deutschen Städtetags mehr Tempo 30 in Berlin durchsetzen. Ein weiter Weg: Laut einer Civey-Umfrage für den Tagesspiegel haben 93 Prozent der Autobesitzer in Deutschland vor, auch welche zu bleiben. Nur vier Prozent planen, sich in diesem Jahr von ihrem Auto zu trennen. Und trotz Coronakrise und Halbleitermangel gibt es 400 000 Fahrzeuge mehr als im Vorjahr, Fazit: „Die Branche erwartet keine sinkenden Verkäufe.“ Brummt. | |||
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Auf die Straße gebracht werden sollen auch einige Umbenennungen in Berlin, mit denen wir uns hier seit Jahresbeginn intensiv beschäftigt haben. In Oranienburg scheitert es gleich bei der Neubenennung. In einem Neubaugebiet auf dem Gelände eines Außenlagers des KZ Sachsenhausen soll eine Straße nach Gisela Gneist benannt werden. Die war zwar nach 1945 in einem Speziallager der Sowjets interniert, und bis zu ihrem Tod 2007 Vorsitzende der „Arbeitsgemeinschaft Lager Sachsenhausen 1945-1950“ – bewegte sich aber auch im Umfeld von Rechtsextremisten und diffamierte Historiker antisemitisch. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, forderte Oranienburg gestern auf, die Entscheidung zu überdenken. Die Straßenbenennungskommission der Stadtverordneten allerdings kam gestern Abend zu keiner Einigung. Linke und Grüne kündigten Änderungsanträge an. Bitte ohne Kompromisse. | |||
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