Lammert geht

Liebe Frau Do,

es ist ein Stück deutsche Wirtschaftsgeschichte, das nun zerbröselt. Die Eigentümer von Kaiser’s Tengelmann pokerten seit zwei Jahren um einen Käufer für ihre defizitären Filialen (wieso redet eigentlich keiner über das Managerversagen?) und hatten mit Edeka und dem willfährigen, gegen die hauseigene Expertise agierenden Wirtschaftsminister Gabriel ideale Partner. Doch Rewe und die übrigen Wettbewerber wurden erst übergangen und erstritten dann vor Gericht den Stopp der Kaiser’s-Übernahme durch Edeka. Das Vertrauen war zerstört, die Verhandlungen zwischen Kaiser’s und den übrigen Handelsketten scheiterten. Auch weil Eitelkeiten und Machtkämpfe zwischen den Managern einen Kompromiss unmöglich werden ließen. Am Ende müssen wohl Hunderte Beschäftigte gehen. 70 Filialen in NRW könnten schließen, schreibt mein Kollege Georg Winters.

Er war unbequem, aber gut. Bundestagspräsident Norbert Lammert hat in seinem Amt mit rhetorischem Witz und intellektueller Qualität bewiesen, dass man das Selbstbewusstsein des Parlaments in die Öffentlichkeit bringen kann, ohne populistisch zu agieren. Nun hört der 67-jährige Bochumer auf und tritt nach 37 Jahren nicht erneut für den Bundestag an. Dann wäre er ja frei für das Bundespräsidentenamt, mag manch einer denken. Doch die Kanzlerin traut sich wohl nicht, bei wackeligen Mehrheiten in der Bundesversammlung einen der ihren zu präsentieren. Dabei wäre Lammert der ideale Mann fürs Schloss Bellevue. Man wünschte sich mehr Mut bei der Kanzlerin. Lammert kann diesem aufgewühlten Land Ruhe und eine Richtung geben, er hat auch in anderen Parteien Anhänger. Angela Merkel könnte endlich mal ein gutes Händchen bei der Suche nach einem neuen Staatsoberhaupt beweisen. Dazu wird es wohl nicht kommen. Schade. Gregor Mayntz über den Abschied eines leidenschaftlichen Demokraten.

Für die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands wäre es ein Rückschlag. Für SPD-Chef Sigmar Gabriel wäre ein rot-rot-grünes Bündnis in der Hauptstadt wohl die einzige Chance, nach der Bundestagswahl 2017 Kanzler zu werden. Heute treffen sich 100 Abgeordnete aus allen drei Parteien, um Kompromisse auszuloten und eine gemeinsame Sprache zu finden. Birgit Marschall kennt die Details.

Herzlichst,

Ihr