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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Dienstag, 08.12.2020 | Teils bewölkt bei max. 7°C. | ||
+ Berliner am unzufriedensten mit der Corona-Politik ihrer Landesregierung + Rechte Chatgruppe bei der Berliner Feuerwehr + Neuer Olympiapark soll mehr als eine halbe Milliarde kosten + |
von Julius Betschka |
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Guten Morgen, los geht’s mit einer guten Nachricht: Seit gestern sind wir dem Tag der ersten Impfung, dem rettenden Piks, wieder einen 24-Stunden-Schritt nähergekommen. In Großbritannien geht’s sogar schon heute los. Hierzulande ist jetzt immerhin klar, wer zuerst immunisiert werden soll: Die Ständige Impfkommission des RKI empfiehlt, dass Bewohner von Senioren- und Pflegeheimen, alle Menschen ab 80 Jahren, medizinisches Personal und Pflegerinnen in Heimen priorisiert geimpft werden. Immerhin 8,6 Millionen Menschen. Die Bundesregierung rechnet mit einem Impfstart Anfang 2021, Gesundheitssenatorin Kalayci muss heute im Senat erklären, wie weit ihre Impfzentren wirklich sind. Wer schonmal in die Zukunft blicken mag: Heute ist der „Gib-vor-ein-Zeitreisender-zu-sein-Tag“. | |||
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Nach und nach hat sich der angebliche Rambo "Wellenbrecher-Lockdown" in seinen zwar besser situierten und langhaarigen, aber überheblich-risikofreudigen Cousin verwandelt: den "Wellenreiter-Lockdown". Weil die Infektionskurve weiter anwächst, hält die Physikerin Viola Priesemann vom Max-Planck-Institut den umfassenden Kultur- und Freizeitlockdown seit spätestens Ende November für gescheitert. Priesemann ist davon überzeugt, dass ein kurzer, aber wirklich konsequenter Lockdown für zwei bis drei Wochen effektiver wäre als das monatelange Surfen auf der Infektionswelle. Eine andere Physikerin, Angela Merkel, hat sich vor der Unionsfraktion am Montag ebenfalls für schärfere Maßnahmen ausgesprochen. Es werde zu viel über Glühwein gesprochen und zu wenig über Krankenschwestern, soll sie nach Checkpoint-Informationen gesagt haben. Allerdings wolle sie neue Maßnahmen nur gemeinsam mit den Ländern entwickeln. Aus Berlin ist dafür wohl so schnell keine Hilfe zu erwarten: Der in der Krise bislang angenehm zurückhaltend auftretende Michael Müller hatte sich im Tagesspiegel mit den Worten zitieren lassen: „An der Berliner Regelung können sich andere Länder gern orientieren.“ (CP von gestern) Hat den Regierenden bei einer Inzidenz von 186,1 der Morbus Söder erwischt? Als quasi-präsidialer Chef der Ministerpräsidentenkonferenz möchte er immerhin einen raschen Termin für eine neue Bund-Länder-Runde ausloten – womöglich schon am 15. Dezember. | |||
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Apropos beispielhaft: Diese Pandemie geht allen auf die Nerven, aber den Berlinern anscheinend ein bisschen mehr als allen anderen. In keinem anderen Bundesland sehen die Menschen die Arbeit ihrer Landesregierung in der Corona-Krise so negativ. Das ergab eine repräsentative Civey-Umfrage im Auftrag des Tagesspiegel. 47,1 Prozent der Berliner sind demnach unzufrieden oder sehr unzufrieden (20 Prozent) mit dem Management des Senats, nur die Bremer Regierung schneidet mit 42 Prozent Ablehnung ähnlich schlecht ab. Im Bundesschnitt sind knapp 50 Prozent eigentlich ganz zufrieden mit dem Corona-Management ihrer Regierungen, in Berlin: 42 Prozent. Meckern die Berliner nur besonders gern oder läuft das Krisen-Management des Senats tatsächlich so schlimm? Wir haben nachgefragt in Politik, Kunst, Gastronomie und Wirtschaft: Beatrice Kramm, Präsidentin der Industrie- und Handelskammer Berlin „In der ersten Phase hat der Senat aus Sicht der Wirtschaft sehr zügig reagiert. Natürlich hat sich in diesem Jahr aber bitter gerächt, dass Berlin bei der Digitalisierung der Verwaltung noch erheblichen Nachholbedarf hat. Dass dann die Verwaltung per Gesetzesänderung die Möglichkeit erhalten hat, einseitig Fristen zu verlängern, war die falsche Antwort auf die wochenlange Nichterreichbarkeit einiger Ämter. Die Zeit der relativen Entspannung im Sommer wurde wahrscheinlich nicht optimal genutzt, um Vorsorge für die zweite Welle zu treffen. Es fehlt bislang auch an einem Konzept für das weitere Vorgehen. Einen Lockdown ‚Light‘ immer wieder zu verlängern, bis genügend Berliner geimpft sein werden, reicht als Konzept nicht aus.“ Peter Edinger, Besitzer der Bar Lindemann „Ich habe das Gefühl, dass die Menschen in Berlin immer ein bisschen unzufriedener sind als im Rest der Republik. Was mich sehr trifft ist, dass wir uns an die Regeln gehalten haben, dann wurden uns wieder Hilfen versprochen – man hatte das Gefühl, um uns ruhig zu halten und sich Zeit zu verschaffen – aber nichts ist passiert. Die Novemberhilfen sind immer noch nicht angekommen, das ist einfach frustrierend.“ Kai Wegner, CDU-Landesvorsitzender „Die Unzufriedenheit der Berliner mit dem Corona-Management von Rot-Rot-Grün überrascht mich nicht. Immer wieder handelt der Senat gespalten. Das Regelwerk wird auch nicht konsequent durchgesetzt. Es ist frustrierend, wenn man sich als normaler Bürger an alle Regeln hält, aber manche Personengruppen sich über alles hinwegsetzen können. Als einziges Bundesland ohne ein eigenes Hilfsprogramm mit Zuschüssen für klein- und mittelständische Unternehmen wird Rot-Rot-Grün der Verantwortung für die Arbeitsplätze in unserer Stadt nicht gerecht.“ Felix Schiller, Schriftsteller und Lyriker: „In Berlin sammeln sich Menschen, die in gesteigertem Maß unabhängig, frei und aktiv sein möchten. Dass in solchen Milieus die Maßnahmen schwieriger zu akzeptieren sind oder als besonders einschneidend erlebt werden, scheint mir vielleicht mit der Unzufriedenheit zusammenzuhängen. Andererseits erlebe ich auch viele Menschen, denen die Maßnahmen nicht weit genug gehen angesichts der Situation, besonders aus dem Pflege- und Krankenhausbereich. Natürlich wünscht man sich klarere, genauere Vorgaben, weniger Ausnahmen und einen weiteren Horizont, aber auch die Politik befindet sich im Ausnahmezustand. Bisher konnte ich die meisten Entscheidungen nachvollziehen – außer den Verzicht auf ein Böllerverbot.“ | |||
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Was hatte IHK-Präsidentin Kramm gesagt? Erheblicher Nachholbedarf bei der Digitalisierung der Verwaltung? Der Checkpoint-Praxistest: Montag, 15.45 Uhr, Sitzungsraum 311, Digitalausschuss im Abgeordnetenhaus. Der Bericht zum Digitalisierungsfortschritt der Berliner Verwaltung wird gerade vorgestellt. Nach einer Lüftungspause (analog, gegen Viren) fällt plötzlich der Live-Stream aus, auch die Mikrofonanlage geht nicht mehr (Beweisvideo hier). Die Ausschusssitzung muss abgebrochen werden. Der SPD-Abgeordnete Sven Kohlmeier twittert: „Als wäre der Postillon im Haus.“ Tagesspiegel-Kollege Robert Kiesel schwört: „Ich habe damit nichts zu tun, Ehrenwort!“ Und nochmal Kohlmeier: „…schade, bekommt keiner die vielen Erfolge bei der Digitalisierung mit.“ Es kommentiert abschließend Ex-Google-Chef Eric Schmidt: „Das Internet ist das größte Experiment in Sachen Anarchie, das es jemals gab.“ | |||
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Am Wochenende (CP 5.12.) hatte hier Torsten Künstler, Geschäftsführer der „The Wow“-Galerie, über ausbleibende Finanzhilfen geklagt. Das gerade neu eröffnete Selfie-Museum bekäme keine Gelder der Investitionsbank Berlin (IBB), weil keine Vormonatsumsätze existieren. Ein Antrag sei deshalb nicht möglich. Bei der Kulturverwaltung habe man hingegen gleich mitgeteilt, Künstlers Galerie sei gar keine Kunst, schrieb uns der Künstler. „Es liegt keineswegs daran, dass der Betreiber seinen Fall nicht in die Suchmaske eintragen kann“, antwortet jetzt IBB-Sprecher Jens Holtkamp. Aus der Kulturverwaltung heißt es zu dem Fall: „Im Verhältnis zu anderen Antragsteller*innen ist die kulturelle Relevanz der WOW!-Gallery nicht hinreichend hoch für eine Förderung eingestuft worden. Das heißt nicht, dass ‚eine kulturelle Relevanz aberkannt‘ wurde.“ Kunst ist eben nicht gleich Kunst – am Ende sind aber alle gleich pleite. | |||
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Kein Einzelfall. Nach Berichten über ein Wahlplakat der NPD in einer Feuerwache in Adlershof hat Tagesspiegel-Kollege Thomas Loy vor Ort weitere Details recherchiert. Es habe jahrelang eine Chatgruppe mit dem Namen „Feuerwehr Wichtig“ gegeben, in der von jüngeren Einsatzkräften regelmäßig Bilder von Adolf Hitler versendet wurden – angeblich als Witz. Hinweise auf nationalistische Tendenzen und Ausgrenzungen einzelner Mitglieder seien von der Leitung ignoriert worden, berichtet ein Feuerwehrmann. Sechs Kameraden haben die Wehr bereits verlassen: Zwei wurden ausgeschlossen, vier gingen freiwillig, bestätigt die Pressestelle der Feuerwehr am Montag. Die internen Vorermittlungen seien noch nicht abgeschlossen, schreibt Kollege Loy. Seinen Leute-Newsletter aus Treptow-Köpenick können Sie hier kostenlos abonnieren. Dazu passt eine aktuelle Ausschreibung im Karriereportal des Landes Berlin: Die Feuerwehr sucht ab sofort eine „Projektleitung (m/w/d) Diversität und Kulturwandel“. Viel zu tun. | |||
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