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Lang & Schwarz und der tiefrote Schatten des CumEx-Skandals!

Lieber Geldanleger,

 

man hat den Eindruck, dass Unternehmen schlechte Nachrichten gerne nach Börsenschluss veröffentlichen, weil sie wohl der Meinung sind, die Reaktion der Börse würde dann schonender ausfallen.

Im „Idealfall“ Freitagabend nach 22:00. Aber so funktioniert die Börse nicht und das nicht erst seitdem sich Informationen in Sekundenbruchteilen verbreiten und per Push-Meldung auf dem Smartphone aufpoppen und jeder fast umgehend eine Order platzieren kann. Im Zeitalter der Neobroker auch außerhalb der Öffnungszeiten der etablierten Börsenplätze wie Xetra, Tradegate oder Frankfurt.

Lang & Schwarz gab seine „Horrormeldung“ am Dienstagabend um 19:48 heraus, da war „nur“ Xetra schon im Feierabend, während Tradegate, Frankfurt, Gettex usw. alle noch voll in Aktion waren.

Die Überschrift selbst ließ schon mal wenig Zweifel übrig, in welche Richtung der Kurs wohl abdrehen würde: „Lang & Schwarz verschiebt Hauptversammlung und bildet Steuerrückstellung“ hieß es und darunter fand sich als Schlagwort: „Gewinnwarnung“.

„Autsch“ war mein erster Gedanke, dann habe ich die Meldung erstmal quergelesen und war entsetzt. „Zum Glück“ war der Aktienkurs schon um mehr als 50% eingebrochen, denn spätestens dieser Umstand machte mir klar, dass ich genügend Zeit hatte, die Meldung aufmerksamer zu lesen und die Fakten und Hintergründe zu verstehen. Und natürlich die offen gebliebenen Fragen zu entdecken und mir zu überlegen, weshalb gerade diese Fragen offen geblieben sind oder auch bewusst offen gelassen wurden.

Lang & Schwarz AG (ISIN: DE0006459324)
WKN / Kürzel
Börsenwert
KGV 21e/22e/23e
Kurs
645932 / LUS
252 Mio. EUR
18 / 4 / 8
80,00 EUR

Es ist grundsätzlich ein guter Ratschlag, niemals, niemals, niemals aus dem ersten Impuls heraus eine Wertpapierorder zu erteilen. So hat die Evolution uns geformt, dieser schnelle Impuls, der Fluchtreflex, der Adrenalinschub haben unser Überleben gesichert. Im Dschungel, in der Steppe, im Wald. Nun könnte man zynisch sagen, dass auch die Börse ein Dschungel sei und der Anleger dort vielen (Fress-) Feinden ausgesetzt ist. Richtig. Aber fluchtartig wegzulaufen ist an der Börse so gut wie nie die richtige und schon gar nicht die beste Entscheidung.

Erst denken, dann handeln – und handeln dabei bitte ausdrücklich sowohl als agieren als auch ordern verstehen!

Der Vorwurf

In der Ad-hoc-Meldung teilte Lang & Schwarz u.a. mit, der Auslöser sei „ein am Abend des 23. August 2021 eingegangener Zwischenbericht des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Düsseldorf betreffend die steuerliche Prüfung der Kapitalertragsteueranrechnung der Lang & Schwarz Aktiengesellschaft für die Geschäftsjahre 2008 bis 2009. Die Prüfung ist bislang nicht abgeschlossen. Die Lang & Schwarz Aktiengesellschaft erhält insoweit Gelegenheit zur Stellungnahme. Für die Geschäftsjahre 2007, 2010 und 2011 liegen bislang keine vergleichbaren Zwischenberichte vor“.

Des Weiteren erklärte Lang & Schwarz: „Gegenstand der steuerlichen Prüfung ist eine Untersuchung der Geschäfte der Lang & Schwarz Aktiengesellschaft der Geschäftsjahre 2007 bis 2011 im Zusammenhang mit steuerstrafrechtlichen Ermittlungen, in denen die Lang & Schwarz Aktiengesellschaft Adressatin eines Auskunfts- und Herausgabeersuchens ist, gegen verantwortliche Personen der Lang & Schwarz Aktiengesellschaft wegen des Verdachts unrechtmäßiger Anrechnung bzw. Erstattung nicht gezahlter Kapitalertragsteuern und Solidaritätszuschläge bei Aktiengeschäften um den Dividendenstichtag“.

Soviel zur Faktendarstellung. Die Ad-hoc enthält aber ergänzend Beurteilungen von Lang & Schwarz und auch daraus abgeleitete Folgen: „Nach Auffassung des Vorstandes sind die Prüfungsgegenstände der Zeiträume 2007, 2008 bis 2009 sowie 2010 bis 2011 tatsächlich und rechtlich wesensverschieden und daher wesentlich unterschiedlich zu behandeln. Im Einklang mit einer 2015 beanstandungsfrei abgeschlossenen Konzernbetriebsprüfung für die Jahre 2008 bis 2010 hält der Vorstand eine Beanstandung der Geschäfte für alle betreffenden Jahre insgesamt für unbegründet.

Diese Beurteilung gründet zunächst auf Stellung und Funktion eines Wertpapierhandelsunternehmens, das in einem regulierten und überwachten Markt unter Marktgerechtigkeit, im Einklang mit der Marktübung, von Handelsüberwachungsstelle, Börsenaufsicht und Finanzaufsicht insofern stets unbeanstandet Wertpapierdienstleistungen erbracht hat, ohne Identität und Umstände seiner Gegenpartei zu kennen.

ie Beurteilung gründet ferner darauf, dass nach aktuellem Kenntnisstand keine Gesellschaft des Lang & Schwarz-Konzerns wissentlich eine Mehrfacherstattung von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag beantragt oder erhalten hat und dass nach Prüfung einer hinzugezogenen Steuerkanzlei keine Absprachen mit einer Marktgegenpartei oder Depotbank über Mehrfacherstattungen identifiziert wurden.

Gleichwohl ist möglich, dass die jeweiligen Sachverhalte und darin das Verhalten der Lang & Schwarz Aktiengesellschaft und deren Verantwortlichen nachträglich steuerlich anders beurteilt werden. So ist nach vorläufiger Auswertung des Zwischenberichtes zu den Jahren 2008 bis 2009 mit dem Erlass von Änderungsbescheiden zu rechnen, die auch bei etwaiger teilweiser Zahlungsverjährung zu einer hohen Ergebnisbelastung wegen aller betreffenden Jahre (2007 bis 2011) in Höhe von bis zu Euro 61 Mio. für die Lang & Schwarz Aktiengesellschaft führen würden.

Der Vorstand hat deshalb, nach steuerlicher Beratung, im Rahmen seines Einschätzungsspielraumes, unter Beachtung des Vorsichtsprinzips und in Anwendung der Ansatz- und Bewertungsvorschriften beschlossen, dass wegen etwaiger steuerlicher Änderungs-, Zahlungs- oder Haftungsbescheide eine Rückstellung in Höhe von Euro 45 Mio. gebildet werden soll. Die Rückstellung kann aus dem laufenden Konzerngewinn des ersten Halbjahres 2021 gebildet werden, hat aber Auswirkungen auf die geplante Dividendenzahlung für das Geschäftsjahr 2021…“.

Ich weiß, das ist langweiliges Zeugs, teilweise Juristendeutsch und schwer verständlich und auch manches schwer verdaulich. Aber diese Ausführungen sind die Basis, das Fundament, auf dem alle weiteren Überlegungen und Schlussfolgerungen aufbauen. Wenn man hier ungenau arbeitet und wichtige Aspekte übersieht, ist das Fundament rissig und das gesamte darauf errichtete Gedankengebäude nicht standfest. Mit anderen Worten: dann kann man sich das Ganze auch sparen...

Was passiert jetzt?

Lang & Schwarz zieht erste Konsequenzen. Die für den 26. August angesetzte Hauptversammlung wurde verschoben. Das Unternehmen begründet das so: „Grund für die Absage ist ein Zwischenbericht im Zuge einer Steuerprüfung, die insbesondere für die Beschlussfassung über die Verwendung des Bilanzgewinnes für das Geschäftsjahr 2020, über die vorgeschlagene Satzungsänderung betreffend einen Aktiensplit und über die Entlastung des Vorstandes sowie des Aufsichtsrats (Tagesordnungspunkte 2, 3, 4 und 8 der Einladung vom 16. Juli 2021) erheblich sein kann, die jedoch denjenigen Aktionären, die bereits die Stimmrechtsvertreterin mit der Ausübung ihres Stimmrechts beauftragt und ihr Stimmrecht damit faktisch schon ausgeübt haben, dabei unbekannt war“.

Vernünftige Entscheidung, da ansonsten jeglicher Beschluss der Hauptversammlung von vornherein anfechtbar gewesen und mit hoher Wahrscheinlichkeit ungültig gewesen wäre.

Lang & Schwarz wird sich bemühen, sich Klarheit über den Sachverhalt zu verschaffen und dann zu einem neuen Termin die Hauptversammlung einberufen. Für die Aktionäre sind natürlich insbesondere die Dividende für das Geschäftsjahr 2020, die mit 4 Euro vorgeschlagen war, sowie der Aktiensplit interessant. Beide Maßnahmen werden wohl nur dann nochmals vorgeschlagen, wenn sich LuS diese auch leisten kann. Das wiederum dürfte stark davon abhängen, ob und ggf. wann man seitens des Finanzamts aus geänderten Steuerbescheiden in Anspruch genommen wird, weil dann ja das Geld zeitnah aus dem Unternehmen abfließen wird. Es geht also im Wesentlichen um die Liquidität, nicht darum, ob LuS in 2020 genügend für eine Dividendenzahlung verdient hat. Das hat man, völlig unbestritten. Aber Illiquidität ist ein Insolvenztatbestand und LuS wird alles dafür tun, auch nicht mal ansatzweise in die Nähe einer solchen Problematik zu kommen. Und da der Schaden in Bezug auf die Aktionäre und das Vertrauen in das Management ohnehin schon riesig und angerichtet ist, dürfte und sollte LuS hierauf nicht mehr (zu) große Rücksicht nehmen.

Man fühlt sich hier an den zynischen Kommentar des Bankier Carl Fürstenberg erinnert:

„Aktionäre sind dumm und unverschämt. Dumm, weil sie mir ihr Geld überlassen, und unverschämt, weil sie auch noch Dividenden dafür haben wollen.“
– Carl Fürstenberg –

Denkanstöße

Carl Fürstenberg war vor 150 Jahren als Bankier aktiv und nicht für Lang & Schwarz. Und ich bin mir sicher, dass auch die Verantwortlichen bei Lang & Schwarz seine Einschätzung von Aktionären nicht teilen. Aber momentan fühlt es sich für diese trotzdem so an.

Wir blenden aber mal die emotionale Ebene soweit wie möglich aus und wenden uns den Tatsachen und begründeten Schlussfolgerungen zu. Denn an diesem Punkt wird es eigentlich erst richtig interessant. Jedenfalls im Hinblick auf die Frage, ob man bei Lang & Schwarz Aktionär bleiben sollte und/oder ob man den Kurseinbruch als Chance einstufen kann – oder als letztmalige Chance für einen Ausstieg nutzen sollte, bevor Unternehmen und Kurs ins Bodenlose abstürzen.

Und meine Antwort ist: Ich habe keine Ahnung. Echt, meine Glaskugel ist beim Polieren und ich kann daher nicht in die Zukunft sehen. Auch bin ich nicht Fachmann genug, um alle Aspekte durchleuchten zu können. Aber die Einsicht, dass man nicht alles kann und weiß, ist keinesfalls grundsätzlich negativ zu werten. Man kann dann seine Überlegungen beenden und sich lieber Dingen zuwenden, von denen man mehr versteht. Oder… man fragt Leute, die sich besser auskennen: mit Steuern, mit Steuerstrafsachen, mit Bilanzierung, mit Lang & Schwarz als Unternehmen in den betreffenden Jahren vor 2012.

Und genau das habe ich getan. Man muss nämlich nicht alles wissen, man muss auch nicht alles verstehen. Man muss nur wissen, wer die Antworten kennt und sollte diese neuen Erkenntnisse dann nicht einfach ungeprüft hinnehmen, sondern sie in seine eigenen Überlegungen einbeziehen. Am Ende kommt man dann zu seinem eigenen Urteil und kann entsprechend handeln. Und dies schließt ausdrücklich mit ein, dass man auch einfach „nur“ zu der Erkenntnis gelangen kann, dass man nichts oder nicht genug verstanden hat und daher die Finger von der Sache lässt.

Auf diese Weise mag man sich zwar eine potenzielle große Chance durch die Lappen gehen lassen, es könnte sich jedoch auch um ein kolossales Fiasko handeln. Aber keine Sorge, es gibt so viele tolle Chancen an den Börsen, da muss man nicht bei jeder erstbesten zugreifen. Vielmehr sollte man sich auf diejenigen konzentrieren, bei denen die Wahrscheinlichkeit am höchsten ist, dass man (1.) kein Geld verliert und (2.) einen satten Gewinn einfährt.

CumEx-Steuerbetrug

Aber zurück zu Lang & Schwarz. Es geht um die sogenannten CumEx-Deals, mit denen das Finanzamt zu ungerechtfertigten und mehrfachen Steuererstattungen verleitet wurde. Zu diesem Zweck hatten sich mehrere Akteure zusammengetan, oft über Ländergrenzen hinweg, um sich durch gemeinschaftliches und koordiniertes Handeln mehrfache Steuererstattungen zu erschleichen. Und dabei wurden teilweise mittlere zweistellige Milliardenbeträge ergaunert – pro Jahr. Es geht also nicht um ein Kavaliersdelikt sondern um organisierte Steuerkriminalität.

Dabei schien es sich um eine Gesetzeslücke zu handeln, so dass sich die Beteiligten eingeredet haben, sie würden nur ein Steuerschlupfloch ausnutzen und dass es dieses gäbe, sei schließlich nicht ihre Schuld. Der Bundesgerichtshof sieht das definitiv anders und hat vor einiger Zeit die CumEx-Deals als Steuerstraftaten eingestuft. Mit dem Hinweis, dass allen Beteiligten klar gewesen sein hätte müssen, dass die mehrfache Erstattung von angeblichen Steuerzahlungen seitens des Finanzamt niemals rechtkonform und straffrei gewesen sein könne. Gesunder Menschenverstand in Aktion – oder eben gerade nicht!

Konkret ging es bei der CumEx-Abzocke um den Dividendenstichtag und wem die Aktie letztlich zum Zeitpunkt der Dividendenzahlung gehörte. Wer eine Aktie kauft, wird sofort wirtschaftlicher Eigentümer, aber rechtlich erst nach zwei Tagen - sieht man auf den Wertpapierabrechnungen, wo Buchungstag und Valuta voneinander abweichen. Wer vor dem Dividendenabschlagstermin seine Aktien verkauft (ex), soll/ darf die Dividende nicht mehr einsacken, sondern der Käufer (der hat sie ja quasi mit seinem Kurs mit bezahlt, also cum Dividende).

"Da er die Aktie vor dem Dividendenstichtag gekauft und einen entsprechenden Preis bezahlt hat, erhält er zusätzlich zur Aktie eine sogenannte Kompensationszahlung in Höhe der Nettodividende. Weil Dividende und Kompensationszahlung für die Depotbanken nicht zu unterscheiden sind, erhält auch der neue Eigentümer der Aktie eine Steuerbescheinigung. Damit kann auch er die Erstattung der Ertragsteuer beantragen." (Quelle: Capital)

Bis dahin ist also relativ einfach nachzuvollziehen, wem die Dividende und wem die Steuererstattung zusteht. Doch nun kommen die Leerverkäufer ins Spiel. Diese haben massiv Aktien direkt vor dem Dividendenstichtag leerverkauft und die (eingeweihten) Käufer haben sie übernommen. Diese Käufer haben vom Finanzamt dann von ihrer Depotbank die entsprechenden Steuerbescheinigungen erhalten und somit die Steuererstattungen vom Finanzamt. Das Finanzamt hatte dabei keinerlei Möglichkeit zu überprüfen, ob die Aktien von "richtigen" Verkäufern stammten oder von Leerverkäufern. Statt also nur die zu Unrecht eingenommenen Kapitalertragsteuern auszugleichen, haben die Finanzämter unterm Strich also ein Vielfaches an Steuererstattungen ausgezahlt. Und genau das war die Absicht, das Ziel der CumEx-Betrügereien.

Die (eingeweihten) Käufer bekamen also ungerechtfertigt Steuererstattungen, während die Leerverkäufer keine entsprechende Gegenbelastung (durch den Dividendenabschlag) hatten. Da sich beide Seiten abgesprochen hatten, konnten sie die eingesackten Erstattungen unter sich aufteilen. Wie inzwischen höchstrichterlich festgestellt wurde, ist das nicht einfach clever, sondern schlicht Betrug.

Doch es drohte die Verjährung nach 10 Jahren, denn die Mehrzahl der CumEx-Deals wurde ab 2005 durchgezogen und in 2012 wurde dem Ganzen durch eine Gesetzesänderung der Riegel vorgeschoben. Um die Täter nicht ungestraft davonkommen zu lassen und auf dem Steuerschaden sitzen zu bleiben, hat der Bundestag Ende 2020 die Verjährungsfrist auf 15 Jahre ausgeweitet. Nun haben die Finanzämter noch einige Jahre Zeit, die Sachverhalte zu ermitteln und die ungerechtfertigt erstatteten Steuern zurückzufordern. Und genau das trifft nun Lang & Schwarz.

Lang & Schwarz ist „Adressatin eines Auskunfts- und Herausgabeersuchens“, soll also Unterlagen vorlegen und Auskünfte erteilen zu den Geschäftsjahren 2007 bis 2011. Die steuerstrafrechtlichen Ermittlungen richten sich auch gegen verantwortliche Personen der Lang & Schwarz Aktiengesellschaft wegen des Verdachts unrechtmäßiger Anrechnung bzw. Erstattung nicht gezahlter Kapitalertragsteuern und Solidaritätszuschläge bei Aktiengeschäften um den Dividendenstichtag.

Der 2. Teil klingt viel bedrohlicher und ist es auch. In Deutschland gibt es kein Unternehmensstrafrecht, anders als z.B. in den USA, daher können sich strafrechtliche Ermittlungen immer nur gegen Personen richten – auch und gerade in ihrer Funktion als Organ einer Gesellschaft (Vorstand, Aufsichtsrat).

Daher droht nicht Lang & Schwarz eine Bestrafung, sondern nur seinen damals agierenden Vorständen und ggf. Aufsichtsräten. Was im Falle einer Verurteilung zu deren Entfernung von ihren Posten führen würde und das Unternehmen würde versuchen, sich den durch sie verursachten Schaden von ihnen zurückzuholen (Klagen, Vergleiche).

Aber ob es überhaupt Verfehlungen und/ oder strafbare Handlungen auf Seiten von Lang & Schwarz gegeben hat, steht überhaupt noch nicht fest. Das wird sich vielmehr erst durch Auswertung der Auskünfte und Unterlagen ergeben.

Auch wenn das Vorgehen der Finanzbehörden auf den ersten Blick danach aussieht, gibt es zwei deutliche Hinweise darauf, dass nicht LuS und seine verantwortlichen im Fadenkreuz der Ermittlungen stehen.

1. Ginge das Finanzamt davon aus, dass LuS und seine Organe aktiv an Steuerbetrug mitgewirkt hätten, dann hätte man denen keinen Brief mit den Auskunftswünschen und der Möglichkeit einer Stellungnahme geschickt, sondern Steuerfahnder hätten morgens um fünf die Türen eingetreten, die Räumlichkeiten durchsucht und Akten beschlagnahmt.

2. Kürzlich wurde die Apotheker- und Ärztebank (kurz: Apobank) Ziel einer ähnlichen Aktion und zwar ebenfalls seitens des Finanzamts Düsseldorf, das auch LuS am Haken hat. Die Apobank ist als Depotbank ins Visier geraten, weil dort ein Leerverkäufer (Ballance Capital German Hedge Fund) seine Aktien verwahren ließ – und die Apobank hat ihm entsprechende Steuerbescheinigungen ausgestellt. Die Apobank hat im betreffenden Jahr insgesamt 380.000 Euro an Provisionen vereinnahmt, aber das Finanzamt fordert nun 48,8 Millionen Euro von ihr. Gegen diesen Steuerbescheid geht die Apobank vor und hat Widerspruch eingelegt. Aber sie musste dennoch eine entsprechende Steuerrückstellung bilden.

Das klingt sehr nach dem Vorgang bei Lang & Schwarz. Die wollen 45 Millionen Euro als Steuerrückstellung bilden und die maximale Gesamtsumme möglicher Finanzamtsforderungen wurde von LuS auf 61 Millionen Euro beziffert.

Die „alte“ Lang & Schwarz

Ein bisschen Wasser muss ich allerdings doch in den Wein kippen. Denn Lang & Schwarz war bis zum Jahr 2010 eine Wertpapierhandelsbank mit eigener Wertpapierhandelslizenz. Man hat also damals auch auf eigene Rechnungen mit Aktien gehandelt (wenngleich das Unternehmen viel kleiner war als heute). 2010 gab man sich eine neue Unternehmensstruktur und seitdem ist die börsennotierte LuS eine Holding, während das Wertpapierhandelsgeschäft in eine Tochter ausgelagert wurde; die eigene Wertpapierhandelslizenz gab die Holding in 2010 zurück. Für die Tochter ist natürlich trotzdem und weiterhin noch der LuS-Konzern zuständig und verantwortlich.

Es ist daher nicht auszuschließen, dass Lang & Schwarz selbst aktiv CumEx-Deals betrieben hat, auf eigene Rechnung oder als Mittäter. Aber dafür gibt es bisher keine Hinweise und das Verhalten der Finanzbehörden lässt auch keinesfalls darauf schließen, dass in diese Richtung ermittelt wird.

Weshalb so hohe Forderungen und Rückstellungen?

Gerade im Hinblick auf die Apobank stehen Verdienst und Steuerforderung in krassem Missverhältnis zueinander. Wenn die Apobank an Provisionen nur 380.000 Euro verdient hat, weshalb sollte sie dann 48,8 Millionen an Steuern erstatten müssen?

Tja, bei den CumEx-Deals gab es ja mehrere Beteiligte, die miteinander kooperieren mussten, damit der Betrug funktionierte: der Leerverkäufer, der Käufer, die Depotbanken, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer. Es ist für die Forderung des Finanzamts auch nicht relevant, ob man von dem Betrug wusste, sondern nur, dass man daran teilgenommen hat. Und als Depotbank war die Apobank natürlich Mitwirkende, wenn auch nicht Mitwissende.

Daher wird sie Rahmen der steuerlichen Haftung zur Zahlung herangezogen; sie muss also für eine fremde Steuerschuld geradestehen. So bestimmt es die Abgabenordnung. Es ist für das Finanzamt viel bequemer, sich an einer in Deutschland ansässigen Bank schadlos zu halten, als mit mehr als zehn Jahren Zeitverzug einem ausländischen Betrüger hinterherzujagen. Pech für die Apobank.

Sobald diese den Steuerbescheid auf dem Tisch hat, kann sie zwar dagegen Widerspruch einlegen (beim Finanzamt als ausstellender Behörde), bei einer Ablehnung des Widerspruchs muss sie aber umgehend zahlen. Dann kann sie versuchen, die Vollziehung aussetzen zu lassen, aber das wäre dann ein Entgegenkommen seitens der Behörde. Und… ein Steuerbescheid kann aus sich selbst heraus vollstreckt werden, das Finanzamt muss hierzu nicht erst noch gesondert ein gerichtliches Mahnbescheidsverfahren durchlaufen (§361 AO).

Konsequenz für die Apobank - und auch Lang & Schwarz: Der Steuerbescheid flattert auf den Tisch, man legt Widerspruch ein, muss aber wohl trotzdem die Summe in absehbarer Zeit begleichen. Das bedeutet einen entsprechenden Liquiditätsabfluss. Deshalb sind umgehend entsprechende Maßnahmen zu ergreifen; soweit möglich also erstmal Rückstellungen bilden und die nötige Liquidität sicherstellen.

Erläuterung: Man kann das aus dem Privatrecht mit einer gesamtschuldnerischen Haftung vergleichen. Wenn zwei Personen einen Kreditvertrag unterzeichnen und als Gesamtschuldner dafür haften, wie es oft bei Ehepaaren gemacht wird, dann kann die Bank die ausstehenden Restforderung bei jedem einzelnen in voller Höhe einfordern. Und der muss dann die volle Summe zahlen und kann sich nicht darauf berufen, dass ihm ja nur die eine Hälfte des Kredits zuzurechnen sei und/oder dass er ja derjenige sei, der immer pünktlich die Raten beglichen habe. Ist aus Sicht des Gläubigers unerheblich und daher eine angenehme Position. Ob sich der alleinig Geschröpfte dann die Hälfte beim anderen Schuldner wiederbesorgt, ist nicht das Problem der Bank.

Rückforderungen möglich?!

Folglich ist die Geschichte an diesem Punkt noch längst nicht am Ende. Gegen den Steuerbescheid gehen die betroffenen Banken natürlich vor und vielleicht erreichen sie damit sogar eine Verminderung der Steuerforderung oder sogar eine komplette Niederschlagung des Ganzen.

Aber selbst wenn sie die Steuerschuld am Ende begleichen müssen, bedeutet das nicht, dass die Summe an ihnen hängen bleiben muss. Das Beispiel Apobank zeigt ja gerade, dass der Übeltäter und damit das eigentliche Ziel der Steuerbehörden der Leerverkäufer und/oder der Käufer der Aktien sind. Die Apobank ist nur für die Finanzbehörden am einfachsten zu erwischen. Sie kann und wird ihrerseits dann von den übrigen Beteiligten das Geld zurückfordern. Hierbei hat sie natürlich das Risiko, dass ihr das nicht gelingt, obwohl ihr ggf. der Anspruch zusteht. Gerade bei länderübergreifenden Transaktionen, bei denen dann noch Bankgeheimnisfetischisten wie Luxemburg, Liechtenstein oder die Schweiz involviert waren, dürfte das ein sehr langer und steiniger Weg werden.

Ein weiterer Hinweis darauf, dass Lang & Schwarz nicht selbst Ziel der Ermittlungen ist, findet sich ebenfalls in der Ad-hoc-Meldung: „Nach Auffassung des Vorstandes sind die Prüfungsgegenstände der Zeiträume 2007, 2008 bis 2009 sowie 2010 bis 2011 tatsächlich und rechtlich wesensverschieden und daher wesentlich unterschiedlich zu behandeln. Im Einklang mit einer 2015 beanstandungsfrei abgeschlossenen Konzernbetriebsprüfung für die Jahre 2008 bis 2010 hält der Vorstand eine Beanstandung der Geschäfte für alle betreffenden Jahre insgesamt für unbegründet“.

Die Betriebsprüfung erfolgte ja durch das Finanzamt, daher hätten diese also Kenntnis darüber, wenn sie Lang & Schwarz selbst strafrechtlich relevantes Verhalten vorzuwerfen hätten. Und das hätten sie 2015 bestimmt nicht einfach ignoriert, denn dann wären die Finanzbeamten selbst in die Schusslinie geraten.


Mein Fazit

Was ziehen wir nun für Schlüsse aus den vielen Informationen?

Lang & Schwarz ist ins Visier der Steuerfahnder geraten und es geht um den Steuerbetrug mittels CumEx-Deals. LuS wird vermutlich und bald mit geänderten Steuerbescheiden konfrontiert werden, und deshalb bis zu 61 Millionen Euro an das Finanzamt zahlen müssen.

Das hat Auswirkungen auf die Konzernergebnisse der betreffenden Jahre, aber auch auf 2021 und damit auf die Möglichkeit, für das Geschäftsjahr 2021 eine Dividende ausschütten zu können (hier waren zuvor 8 Euro je Aktie avisiert worden) und auch auf den geplanten Aktiensplit könnte dies negative Auswirkungen haben. Möglicherweise sogar auf die für das vergangene Geschäftsjahr 2020 geplante Dividendenausschüttung von 4 Euro je Aktie und zwar wegen des Liquiditätsabflusses.

Diese Konsequenzen stehen aber noch nicht fest und hängen von der weiteren Entwicklung ab, vor allem dem Verhalten der Finanzbehörden. Dem entsprechend hat LuS die Hauptversammlung abgesagt und diese kann und wird erst stattfinden, wenn die finanziellen Auswirkungen konkret (genug) abschätzbar sind. Das ist kein böser Wille des Managements, sondern dessen Pflicht. Es handelt im Interesse der Aktionäre, auch wenn sich das für diese völlig anders anfühlt.

Lang & Schwarz wird also mit 61 Millionen Euro belastet, die man sich über einen mehrjährigen Prozess von den eigentlichen Steuersündern möglicherweise zumindest teilweise zurückholen können wird. Sofern LuS nicht selbst Ziel der Ermittlungen wird aufgrund eigener Verfehlungen – wofür es bisher, wie gesagt, keinerlei Hinweise gibt.

Kurz vor Herausgabe der Ad-hoc-Meldung stand der Aktienkurs bei 130 Euro, dann stürzte er umgehend Richtung 70 Euro ab. Bei ausgegebenen 3,15 Millionen Aktien büßte Lang & Schwarz durch diesen 60-Euro-Absturz also 189 Millionen Euro an Marktkapitalisierung ein. Bei einem maximalen Schaden von 61 Millionen Euro. Das sieht nach übertriebener Panikreaktion aus.

Die Differenz von 128 Millionen, also das Doppelte der maximalen Schadenshöhe, könnte eine Risikoprämie dafür sein, dass Lang & Schwarz durch das Verfahren einen erheblichen Reputationsschaden erlitten hat und Handelspartner sich möglicherweise von LuS abwenden könnten.

Dem steht entgegen, dass im Falle der Apobank ein Kreditinstitut unter Beschuss geraten ist, dass ausschließlich als Depotbank agiert hatte. Damit dürfte jede in Deutschland tätige Bank, von der Provinzsparkasse über die Ortssparkasse, die Landesbank bis hin zur Deutschen Bank oder in Deutschland tätigen Auslandsbanken potenzielles Ziel der Steuerfahnder sein oder werden. Und das, ohne dass hierfür eigenes Verschulden oder strafrechtlich relevantes Handeln vorliegen müsste. Insofern träfe der Reputationsschaden die gesamte Branche und nicht einzelne Institute, nur weil diese gerade als erste an der Reihe waren. Zumal ja nicht das Bundesfinanzministerium bundesweit das Vorgehen bestimmt, sondern die jeweiligen zuständigen Finanzämter in den Standortkommunen, wo das jeweilige Kreditinstitut seinen Firmensitz hat. Und die arbeiten alle unterschiedlich schnell, wenn überhaupt (in der CumEx-Sache). Das Verhalten des heutigen Bundesfinanzministers Olaf Scholz (SPD) in seiner Rolle als damaliger Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, in der er aktiv die Verjährung von Steuerforderungen aus CumEx-Deals gegenüber der Warburg Bank herbeigeführt haben soll, war ja bereits Gegenstand eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses des Bundestags.

Somit bleibt für die Differenz von 128 Millionen auch eine andere Interpretation: sie könnte eine Chance darstellen für hartgesottene Aktionäre, die bereit sind, in dieser unsicheren Zeit zuzugreifen und zusätzlich zu den mittel- und langfristigen Aussichten von Lang & Schwarz eine Extrarendite einfahren wollen.

Unsicherheit erzeugt Panik und wo Risiken bestehen, entstehen auch Chancen.

"Große Anlagemöglichkeiten kommen immer dann, wenn hervorragende Unternehmen vorübergehend in schwieriges Fahrwasser geraten und deshalb unterbewertet werden."
– Warren Buffett –

Anleger müssen sich also klar darüber werden, ob LuS grundsätzlich ein „hervorragendes Unternehmen“ ist. Wer glaubt, das Management hätte Dreck am Stecken und LuS wäre aktiv und vielleicht federführend in eigene CumEx-Deals verstrickt, kann keinesfalls zu diesem Urteil gelangen.

Wer hingegen die Situation so interpretiert, dass LuS wahrscheinlich eher als unwissender Beteiligter in den CumEx-Strudel hineingezogen wurde, wie wohl die Apobank, muss nicht am Unternehmen und seinem Management zweifeln.

"Die meisten Anleger glauben, Qualität und nicht etwa der Preis sei der Maßstab dafür, ob eine Geldanlage riskant ist. Doch qualitativ hochwertige Aktiva können riskant und Vermögenswerte niedriger Qualität können sicher sein. Es ist alleine eine Frage des Preises, den man für sie bezahlt hat.“ (…) "Die besten Schnäppchen gibt es immer in Angst einflößenden Umgebungen."
– Howard Stanley Marks –

Die Finanzbehörden sind Lang & Schwarz kräftig in die Seite gekracht und der Schaden ist für alle offensichtlich. Bleibt es bei dem finanziellen Schaden, der sich sogar mit der Zeit verringern könnte, und erleidet Lang & Schwarz keinen Einbruch bei seinen Geschäftstätigkeiten, also als Börsenhandelsplatz, insbesondere für Trade Republic, dann könnte sich der aktuelle Kurs von 80 Euro in der Rückschau als Schnäppchenkursterrain entpuppen.

Aber diese Einschätzung muss jeder Anleger für sich selbst treffen. Denn „Prognosen sind immer schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen“, wusste schon Mark Twain.


Die heutige Ausgabe entstand wieder in Zusammenarbeit mit Michael C. Kissig,
Value Investor und Betreiber des Blogs
„iNTELLiGENT iNVESTiEREN“.

Hinweispflicht nach §34b WpHG: Der/die Verfasser ist/sind in ein oder mehreren der oben genannten Wertpapieren/Basiswerten zum Zeitpunkt des Publikmachens des Artikels investiert: Lang & Schwarz. Es können daher Interessenskonflikte vorliegen. Die in diesem Artikel enthaltenen Angaben stellen keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dar.

 


 

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Dein
Armin Brack
Chefredakteur Geldanlage-Report

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