Liebe Frau Do, Meinungsumfragen sind eine wichtige Währung in der Politik. Wer darin nicht so gut abschneidet, verweist zwar gerne auf die eigentliche Entscheidung am Wahltag. Was richtig ist, aber nicht gegen Stimmungstests vorher spricht. In exakt einem halben Jahr haben wir den Wahlabend gerade hinter uns. Von der Forschungsgruppe Wahlen erhalten wir exklusiv einen tieferen Einblick in das „Politbarometer“, und die neuen Daten, ausgewertet von Martin Kessler, sind ein Donnerschlag: In der politischen Stimmung liegen die Grünen jetzt erstmals vor der CDU/CSU. Politik hängt stark mit den handelnden Personen zusammen, und hier folgt der zweite Donnerschlag der Umfrage: Armin Laschet erlebt seit seiner Wahl zum CDU-Vorsitzenden einen demoskopischen Absturz: Der NRW-Ministerpräsident liegt jetzt mit großem Abstand hinter allen, die Kanzlerkandidaten sind oder werden könnten: Markus Söder sowie leicht abgeschlagen Olaf Scholz, Robert Habeck und Annalena Baerbock.
Der große Vorsprung Söders dürfte auch mit der Haltung Laschets zum Lockdown zu tun haben. Denn die ist nicht immer klar erkennbar. Direkt nach den denkwürdigen Beratungen von Bund und Ländern, die zunächst eine Osterruhe verordneten, kündigte der Rheinländer an, er werde die Notbremse eins zu eins umsetzen. Doch davon kann nicht so richtig die Rede sein, wie ein Blick in die neue Corona-Schutzverordnung zeigt. Maximilian Plück spricht in seinem Leitartikel von einem Wortbruch. Konkret geht es darum, dass Getestete sich trotz Notbremse freier bewegen und zum Beispiel ein Museum besuchen können. Die neue Verordnung finden Sie hier.
NRW will auch in Modellregionen das öffentliche Leben wieder deutlich öffnen, ungefähr so, wie das im Saarland geschieht. „Es ist jeder Kreis und jede kreisfreie Stadt interessiert daran teilzunehmen“, sagt Kommunalministerin Ina Scharrenbach. In Köln sieht man sich schon am Ziel, aber angeblich gibt es eine solche Vorfestlegung gar nicht. Das Rennen läuft auf Hochtouren, wie unser Reporterteam berichtet. In seinem Leitartikel argumentiert Jan Drebes, dass es die Bereitschaft der Menschen unterminiert, sich und andere vor dem Virus zu schützen.
Aber selbst bei all dem gilt der Satz von Joseph Beuys noch immer: „Jeder Mensch ist ein Künstler.“ Heute beginnt im K20 in Düsseldorf eine große Ausstellung mit Werken des rheinländischen Künstlers. Wann Sie selbst hingehen können, steht allerdings in den Sternen. Die Ausstellung ist zunächst nur heute und morgen geöffnet, allerdings ausschließlich für diejenigen, die bereits Eintrittskarten für eines der Zeitfenster haben. Wie es danach weitergeht, ist noch offen. Bertram Müller hat die Ausstellung für Sie angesehen und findet sie erfrischend. Bis zum 15. August soll sie laufen, hoffentlich haben wir bis dahin Corona besser im Griff.
Mit Wolfgang Niedecken, einem anderen rheinländischen Künstler, habe ich ein Interview geführt: Ja, der Sänger der Kölner Band BAP hat eigentlich Kunst studiert und malt auch. Für die Wochenendfolge des „Aufwacher“-Podcasts habe ich mit ihm über Heimat, die katholische Kirche und Gendersternchen („albern“) gesprochen. Den Podcast finden Sie hier. Und falls Sie den „Aufwacher“ heute und überhaupt gut finden, können Sie uns gerne bei der Publikumsabstimmung für den Deutschen Podcast-Preis ihre Stimme geben.
Der Refrain eines BAP-Klassikers lautet „Verdamp lang her“, ich habe ihn als Jugendlicher mitgesungen, ohne den Rest des Liedes richtig zu verstehen. Es dreht sich um den Tod von Niedeckens Vaters kurz zuvor, aber eigentlich ist es ein Appell, bewusster zu leben, sich nicht hetzen zu lassen, und, wie es an einer Stelle heißt, über das Suchen nicht das Finden zu vergessen. Schönes Wochenende! Herzlich Ihr Moritz Döbler Mail an die Chefredaktion senden P.S.: Wenn Ihnen dieser Newsletter gefällt, empfehlen Sie die "Stimme des Westens" weiter! |