Liebe Frau Do, es ist noch keine Woche her, dass der Schulbetrieb in NRW teilweise wieder startete. Jetzt ist an mehreren Schulen wieder Schluss, wie Kirsten Bialdiga und Maximilian Plück recherchiert haben. Allerorten sind Lehrer, Eltern und Schüler unzufrieden mit der Lage. Dass Ministerpräsident Armin Laschet beim Talk mit Anne Will dafür den Kommunen den Schwarzen Peter zuschob, hat dort für gehörigen Ärger gesorgt. Auch ich habe zugesehen und fand besonders überraschend, wie Laschet den Schulstart wertet: „Es ist alles gut gelaufen.“ Warum ich das deutlich anders sehe und wie ich seine Karriere-Ambitionen sehe, schreibe ich in meinem Leitartikel. Ob an den Schulen gesundheitlich „alles gut gelaufen“ ist, lässt sich vielleicht in einem Monat sagen. Das Coronavirus verbreitet sich auf tückische Art, die Infektionsketten lassen sich kaum nachvollziehen, und Klarheit gibt es erst, wenn es im Zweifel zu spät ist. Und wir wissen noch längst nicht alles. In Essen ist ein 26-jähriger Covid-19-Patient gestorben, der keine Vorerkrankungen aufwies und zu keiner Risikogruppe gezählt haben soll. Philipp Jacobs hat den Fall recherchiert. Den Stand des Wissens in Diagnostik, Therapie und Vorbeugung hat Wolfram Goertz in einem – zugegebenermaßen sehr langen – Essay gebündelt, das ich Ihnen schon einmal empfohlen hatte und das Sie hier finden. Wenn Sie mitreden wollen, lohnt sich die Lektüre. Die Entwicklung der wichtigsten Statistiken rund um Corona können Sie in unserem ständig aktualisierten Datendossier verfolgen. So hat das Robert Koch-Institut am späten Abend gemeldet, dass die Ansteckungsrate in Deutschland wieder gestiegen ist. Jeder Infizierte steckt nunmehr wieder einen weiteren Menschen an, die sogenannte Reproduktionsrate liegt bei 1,0. Natürlich halten wir weiterhin unseren Liveblog auf dem neuesten Stand, damit Sie jederzeit informiert sein können. Aber manchmal lohnt es sich innezuhalten. Wolfgang Schäuble hat mit einem Interview Aufsehen erregt, das meine früheren Tagesspiegel-Kollegen geführt haben. Der Bundestagspräsident beschreibt darin, wie die Politik sich an eine schlüssige Pandemiebekämpfung herantastet: „Lieber vorsichtig – denn der Weg zurück würde fürchterlich. Aber wenn ich höre, alles andere habe vor dem Schutz von Leben zurückzutreten, dann muss ich sagen: Das ist in dieser Absolutheit nicht richtig. Grundrechte beschränken sich gegenseitig. Wenn es überhaupt einen absoluten Wert in unserem Grundgesetz gibt, dann ist das die Würde des Menschen. Die ist unantastbar. Aber sie schließt nicht aus, dass wir sterben müssen.“ Wie souverän er diese Wahrheit ausspricht, fasziniert mich. Falls Sie Zweifel haben: Unser Politikredakteur Henning Rasche liefert in seiner Analyse den passenden Rechtsrahmen. Den passenden Rahmen für Schauspiel, Konzerte und Kino muss man in Zeiten der Pandemie neu denken, die Häuser sind geschlossen. Das Theater Oberhausen legt nun eine Aufführung als Spaziergang an, die ganze Stadt wird zur Bühne, wie Max Florian Kühlem berichtet. Und es zeigt sich auf ein Neues: Die Krise bringt Risiken mit sich, aber auch Chancen – für die Kunst, für Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt. Das gilt auch für politische Karrieren, von denen am Anfang die Rede war. Gehen Sie Risiken aus dem Weg (das meine ich wörtlich), aber nehmen Sie vor allem auch die Chancen dieses neuen Tages an. Herzlich Ihr Moritz Döbler Mail an die Chefredaktion senden P.S.: Wenn Ihnen dieser Newsletter gefällt, empfehlen Sie die "Stimme des Westens" weiter! |