Liebe/r Leser/in, die Hände, die diesen Text schreiben, sind schon trocken und rau vom vielen Waschen, seitdem das Coronavirus uns Deutsche angesteckt hat. Ich, Sportler, seit dieser Woche 44 und demzufolge nicht in der höchsten Risikogruppe, habe mir bis vor wenigen Tagen, offen gesagt, keine großen Sorgen darüber gemacht, infiziert zu werden – für mich war das Virus nach wie vor so weit weg wie Berlin von Peking.
Und plötzlich war es doch da. Am vergangenen Wochenende beim Fußballspiel RB Leipzig gegen Leverkusen erzählte ein Freund, dass er in nur drei Tagen Millionenaufträge verloren habe wegen der vielen Event-Absagen. Konkreter wurde es zwei Tage später, diesmal ein Anruf: „Sei froh, dass du nicht bei unserem Abendessen warst – wir sind alle in Quarantäne“, sagte mit erstaunlich gelassener Stimme eine meiner ältesten Freundinnen. Bei dem Dinner, das ich geschwänzt hatte, waren um die zehn Leute, darunter – wie sich später herausstellte – der Chef des ersten Corona-Patienten Berlins.
Der nächste Anruf kam aus Genf: Ein Bekannter hatte gerade den Messestand eines großen deutschen Autokonzerns aufgebaut, als es auf einmal lakonisch hieß: „Machen Sie noch ein Foto – aber der Autosalon ist abgesagt, Sie können wieder abbauen.“ Und wenn es schon mal gar nicht läuft, dann auch doppelt mies: Der Rückflug des deprimierten Messebauers konnte nicht in Frankfurt am Main landen – der Flughafen wurde wegen Drohnenalarms lahmgelegt. Was für eine absurde neue Welt. Über Corona und die Folgen für unsere vernetzte Wirtschaft lesen Sie mehr im aktuellen Heft.
Ein anderes Thema, das mich als Vater eines fast 13-jährigen Sohnes ebenso sehr beschäftigt, ist die augenscheinliche Unfähigkeit des deutschen Erziehungswesens, Coding als neues Wissenschaftsfach an den Schulen einzuführen. Wie das geht, kann man auf dem Balkan lernen: Die IT-Branche beschäftigt allein in Serbien rund 47 000 Menschen. Ausländische Firmen haben dort in den letzten sechs Jahren mehr als 500 Millionen US-Dollar in lokale Start-ups investiert. Die Regierung investierte in digitale Infrastruktur – und, ja, sogar in der Schule wird früh das Programmieren gelehrt.
Wie sich Deutschland hingegen für morgen aufstellt, lässt sich am Ergebnis einer aktuellen Studie des Münchner Gründerzentrums UnternehmerTUM ablesen: Auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz geht die Anzahl der Neugründungen bedenklich zurück. Ich kann nur hoffen, dass sich diese Schwäche in Zeiten digitaler Transformation nicht gefährlicher auswirkt als das Virus namens Corona. |