| Guten Morgen, Lkw-Fahrer, die beim Abbiegen einen Fußgänger oder Radfahrer überrollen, kamen in Berlin bisher stets mit einer Geldstrafe davon. Hinzu kommt die Last, einen Menschen getötet zu haben, an der manche Unfallverursacher zerbrechen, während sie anderen weniger ausmacht. Beate Flanz ist eines der wenigen Opfer, die einen solchen Unfall überlebt haben. Eine Stunde lang berichtete sie gestern im Amtsgericht Tiergarten von ihrem Alltag mit nur noch einem Bein, einem funktionierenden Arm, einem sehenden Auge, einem hörenden Ohr. Sie war auch deshalb ein untypisches Opfer, weil sie als ehrenamtliche Tourenleiterin beim ADFC ganz genau wusste, wie gefährlich sie als Radfahrerin an einer typischen Berliner Kreuzung mit gleichzeitigem Grün für Abbieger und Geradeausverkehr lebt. Als sie im Herbst 2018 nach knapp einem Jahr aus dem Krankenhaus entlassen wurde, ging sie in die Öffentlichkeit. Sie war nicht gewillt, den Rest ihres Lebens hinter den geschlossenen Türen eines Pflegeheims zu verbringen. Und doch verfluchte sie jeden Tag – so wie sie den Fahrer des Kieslasters verfluchte, der ihr alles genommen hatte, wofür sie lebte. Inzwischen hat es Beate Flanz bis nach Italien geschafft: mit einem Dreirad und mit Menschen, die ihr bei den einfachsten Handgriffen halfen. Aber mit eigener, kaum glaublicher Kraft. Mit derselben Kraft hat sie gestern vor Gericht ihr Leben geschildert. Ihr Leben, in dem sie zu Lebenslang verurteilt worden ist. Das Gericht hat den Lkw-Fahrer zu einem halben Jahr auf Bewährung verurteilt. Eine Geldstrafe allein sei einer solchen Katastrophe nicht angemessen, befand die Richterin. Damit ist nichts wieder gut, aber es ist ein Signal. Es ist die Botschaft, dass es nicht mit dem Ausfüllen eines Überweisungsformulars erledigt ist, wenn man als stärkster Teilnehmer im Straßenverkehr einen Menschen getötet oder schwer verletzt hat. | |