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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Donnerstag, 29.10.2020 | Teils bedeckt, teils sonnig mit vereinzelten Schauern und böigem Wind bei max. 12°C. | ||
+ Lockdown-Maßnahmen im Überblick + Senat nicht zuständig für Geldautomaten vor Haustüren + Frank Zander soll seine Wohnung räumen + |
von Robert Ide |
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Der November war ja schon immer das Vorletzte des Jahres. In diesem Jahr verlangt er vielen nun die letzte Kraft ab. Bundesregierung und Ministerpräsidenten haben am Mittwochabend folgende Regeln für den nächsten entscheidenden Pandemie-Monat einmütig beschlossen: - Das Wichtigste: Kitas und Schulen bleiben offen. Das Digital- und Hygienekonzept in Berlins Klassenräumen könnte allerdings noch ausgebaut werden: Bisher besteht es aus Stoß- und Querlüften. - Das derzeit Unwichtigste: Die Fußball-Bundesliga spielt ohne Zuschauer. Hertha beschließt die am Sonntag endende Saisonphase ohne singende Fans, womöglich noch mit 500 Besuchern im weiten, stillen Olympiastadion-Rund. Aber Profifußball in diesen Zeiten wirkt sowieso unrund; vielleicht nicht ansteckend, aber aneckend. - Alle Menschen sollen ihre Kontakte zu anderen Menschen außerhalb des eigenen Hausstandes auf ein „absolut nötiges Minimum“ reduzieren. Öffentlich darf man nur noch mit einem weiteren Hausstand unterwegs sein (mit insgesamt höchstens zehn Personen). Größere Feiern und Empfänge sind auch zu Hause untersagt. Viele Menschen fallen auf sich selbst zurück. Und dürfen sich nicht fallen gelassen fühlen. - Corona-Schnelltests für Altenheime, Pflegeheime, Behinderteneinrichtungen und Krankenhäuser sollen ab jetzt ausreichend zur Verfügung stehen. Die Kosten für Betroffene und auch Besucher werden von den Krankenkassen übernommen. - Die gesamte Kultur darf im November im ganzen Land nicht aufspielen, höchstens digital. Gleiches gilt für den Freizeit- und Breitensport; bloß Dehnen und Strecken im Park bleiben erlaubt. Private Reisen auf allen Strecken des Landes sind untersagt. Gottesdienste dürfen weiter stattfinden – warum, weiß der Himmel. - Restaurants, Bars, Fitnessstudios, Schwimmbäder, Messen, Bordelle müssen schließen. Sie können aber, wie andere leidende Unternehmen und auch Solo-Selbstständige, eine Staatshilfe von bis zu 75 Prozent des Umsatzes vom November 2019 beantragen. Details dazu sollen heute bekannt gegeben werden. Ein Trost ohne Prost. - Betriebe sollen weiter produzieren, Busse und Bahnen weiterhin fahren. Allerdings unter dem Beförderungsvorbehalt von Mittes Bezirkssprecher Stefan Kuschel, der gestern twitterte: „Für den Moment würde mir eine nationale Kraftanstrengung zur Durchsetzung der Maskenpflicht in der U1 reichen.“ - Auch Geschäfte und Friseure bleiben geöffnet – natürlich nur für Kundinnen und Kunden mit Maske. Immerhin erlebt Deutschland keinen zweiten Locke-down. - Zum Schluss noch die wichtigste Selbsterkenntnis von Bundeskanzlerin Angela Merkel: „Wir sind auf die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger angewiesen.“ Woraus die Regierung hoffentlich lernt: Alle Einschränkungen müssen uneingeschränkt besser erklärt und kommuniziert werden. - Ganz und gar nicht unwichtige Zusatzvereinbarung: Bundestag und Bundesrat sollen die Maßnahmen endlich umfassend beraten und eine „akute nationale Gesundheitsnotlage“ beschließen. Möglichst noch diese Woche. Und nun? Müssen sich alle nur noch dran halten. Also wir uns. | |||||
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Was die Bundeslandesregierungsrunde gestern beschlossen hat, muss nun jedes Bundesland ab heute in Verordnungen gießen. Der Senat verhandelt am Nachmittag, wie es weitergeht. Pankows Bürgermeister Sören Benn (Linke), der im heraufziehenden Herbst als einer der ersten einen planvollen Lockdown gefordert hatte, sieht die Bundesbeschlüsse skeptisch und pocht auf einen Gestaltungsspielraum des Landes, „den wir nutzen sollten“. Auf Checkpoint-Nachfrage sagte Benn am Mittwochabend: „Auch wenn das Maßnahmepaket deutliche logische Lücken hat, sein Zustandekommen überstürzt wirkt und insgesamt wenig planvoll erscheint, so entspricht es doch mindestens dem Anspruch des rechtzeitigen Handelns.“ Benn selbst hätte eher Shoppingmalls als Theater und Kinos geschlossen. Und dann ergänzt Pankows Bürgermeister noch mit Wucht einen wichtigen Zusatz aus Berlins kinderreichstem Bezirk: „Vor allem bin nicht überzeugt, dass wir die Schulen einfach so weiterlaufen lassen können. Dabei rede ich nicht von Schließungen, aber doch von Hybridbetrieb mit deutlicher Kontaktreduzierung.“ Es bleiben viele Hausaufgaben, vor allem für die Erwachsenen. | |||||
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Nicht-Durch-Regiermeister Michael Müller (SPD), als Krisenmanager weiterhin gut sortiert, wirkte am Mittwoch sichtlich angefasst von einem „harten und bitteren Tag“, der viele Berliner Aufbaujahre wieder in Frage stelle (Statement hier). Immerhin der Abend eröffnete ihm selbst neue politische Perspektiven. Mit einem knappen, aber doch nicht dünnen Vorsprung (58,4 zu 40,2 Prozent) gewann er das Rennen um die SPD-Bundestagskandidatur in Charlottenburg-Wilmersdorf vor Sawsan Chebli, seiner Herausforderin aus der eigenen Senatskanzlei. Im Westen nichts Neues. Immerhin hat das innerlich und öffentlich ausgetragene Duell darüber, wofür die SPD steht und wohin sie gehen will, den Berliner Spezialdemokraten gut getan – oder wie Sawsan Chebli auf Checkpoint-Nachfrage sagt: „Der Wettbewerb stand uns gut zu Gesicht.“ Jede Partei, die einladend für Menschen sein will, braucht eben nicht nur Hinter-, sondern auch Vorderzimmer. Und vielfältige Menschen, die Türen aufhalten – selbst, wenn das vor allem der eigenen Karriere dienen mag. Und ab und zu Fenster öffnen – zum Durchlüften. | |||||
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Schließen wir den Corona-Block (alle aktuellen Entwicklungen aus Berlin hier im Blog) mit ein paar nachdenklichen Gedanken von Johannes R. Becher. Der Nachkriegs-Lyriker, dessen scharfer Verstand bald als Kulturminister der DDR an die sozialistische Propaganda verloren ging, veröffentlichte im Oktober 1945 im damals noch jungen Tagesspiegel das „Lied vom Anderssein“ (via Erik Reger/Twitter). Und obwohl 75 Jahre alt, wirken die Zeilen heutiger als gestern noch: Anders ist der neue Tag Anders war der alte. Anders hallt der Stundenschlag, Als er vormals hallte. Anders müssen wir uns müh’n, Als wir je uns mühten, Und die Blumen anders blüh’n, Als sie jemals blühten. Anders geh ich von Dir fort, Anders blickt dein Fragen. Höre dich dasselbe Wort So ganz anders sagen. Was ist mit uns gescheh’n? Sind nicht mehr die gleichen. Allerorts ist zu erseh’n Einer Wandlung Zeichen. Anders schmeckt der gleiche Wein. Was ist uns vergangen? Welch ein großes Anderssein Hat die Welt umfangen! Zeit, die nicht d i e Zeit sein will - Alles ist im Wandern. Jeder, hält er noch so still, Wird zu einem andern. | |||||
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Falls Sie jetzt eine erfrischende Beschäftigung an der frischen Luft suchen – mit Abstand und mit Abenteuern –, dann gehen Sie doch im Trüben fischen. So wie Christian Kessels, der in seiner Freizeit in die größer werdende Szene der Berliner Magnetfischer abtaucht. Gemeinsam mit einem Kumpel entert der 32-jährige Unternehmensberater aus Prenzlauer Berg Leihroller, Einkaufswagen, Fahrräder und Kettensägen aus Spree und Havel (Fotos hier). Mit seinem Magneten mit 60 Kilo Zugkraft und einem Stahlseil geht er Berlins versunkenen Geheimnissen auf den Grund, wie er am Checkpoint-Telefon erzählt. „Im Landwehrkanal in Neukölln finde ich allerdings nur Kronkorken“ – hier scheint die Wegwerfkappe zum Wegbier zu gehören. In den auch nicht stillen Wassern in Mitte lagern dagegen vorrangig E-Roller und Leihfahrräder im kühlen Grunde – wohl auch, weil viele von ihnen vorher grundlos auf der Mitte der Bürgersteige rumstehen. „Oft finden wir auch weggeworfenes Diebesgut wie alte Tresore – und im September haben wir an der Friedrichstraße in der Nähe des Grill Royal eine Pistole geangelt. Die haben wir gleich einem vorbeifahrenden Polizeiboot übergeben“, berichtet Kessels. Sonst meldet er die von den Stadtgewässern schmierigen Treibgut-Stapel der Stadtreinigung via App – „aber manchmal liegt alles ein paar Wochen später wieder im Fluss, dann hat es jemand vor der Abholung wieder reingeworfen“. Und wozu das Ganze? „Zeitvertreib, ein bisschen Umweltschutz, Ehrgeiz“, sagt Kessels, der vorsorglich versichert: „Ich habe auch normale Hobbys und spiele Schlagzeug.“ Bestimmt in einer Metall-Band. | |||||
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Stimme und Laune verschlägt es gerade Berlins Sozialbarde Frank Zander, der seine Hymne „Nur nach Hause geh’n wir nicht“ wohl bald umtexten muss: Nur zu Hause fliegt er raus. Von seinem Münchner Vermieter, der gerade über Zanders Wohnung im Dachgeschoss ein Luxus-Appartement bauen lässt, hat der 78-Jährige eine fast fristlose Kündigung zugeschickt bekommen. Verlangter Auszug: diesen Freitag. Im Kiez gab es gestern eine kleine Demo für Zander, der Hunderten Obdachlosen alljährlich mit seinem berlinberühmten Gänseessen hilft und, wie berichtet, diesmal coronabedingt Food-Trucks zu Berlins Bedürftigen schickt. „Das ist mehr als unverschämt, wenn man nach mehr als 50 Jahren aus seiner Wohnung geschmissen werden soll“, schimpft Zander am Checkpoint-Telefon. „Berlin darf sich nicht am Immobilienmarkt verkaufen lassen. Luxuswohnungen sind ja keine Wohnraumbeschaffung für normal verdienende Leute.“ Zander geht nun juristisch gegen den Bescheid vor und so schnell umziehen kann er sowieso nicht: „Vor dem Haus stehen Gerüste und ein Kran, da komme ich nicht mal mit ‘ner Tasche raus.“ Und so bleibt Zander, der sich selbst einen „Neuköllner Straßenköter“ nennt, eben dort, wo er beheimatet ist: nur zu Hause. | |||||
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