Liebe Frau Do, vielen Dank für die vielen Mails. Ich hatte Sie gefragt, wie Sie zu einem härteren Lockdown vor Weihnachten stehen. Bestürzt haben mich unter anderem die Zeilen von Frau M., die keine Hoffnung mehr hat, dass es besser wird, und fürchtet, bis zu ihrem Lebensende Mundschutz tragen zu müssen. Die Meinungen gingen weit auseinander. Viele sehen wie Herr K. keine Alternative zu einem harten Kurs: „Zum jetzigen Zeitpunkt ist die ganze Gefühlsduselei über Weihnachten und Silvester einfach fehl am Platze.“ Ebenso Herr M.: „Wollen wir wegen eines Weihnachtstages unser Leben aufs Spiel setzen?“, fragt er. „Dieses Massensterben ist unnötig und muss aufhören.“ Dagegen schreibt Dr. W., es müsse vor allem darum gehen, Risikopersonen im öffentlichen Raum zu schützen, also deren Kontakte zu Infizierten zu verhindern. Ganze Branchen stillzulegen, könne nicht der richtige Weg sein. Herr S. sieht härtere Maßnahmen als „keinesfalls berechtigt und weiterhin als unverhältnismäßig“ an. Ähnlich sieht es Herr G., der von einem „phantasielosen, bequemen Weg in den Lockdown“ spricht. Das sind nur einige Stellungnahmen, und alle haben sie ihre Berechtigung. Was die Entscheidung nicht leichter macht. Meine Haltung kennen Sie: Die Schließung der Gastronomie und der Kultureinrichtungen habe ich Ende Oktober als unverhältnismäßig und falsch kritisiert – aber inzwischen ist so viel schiefgegangen, dass ein harter Lockdown sein muss. Meine Meinung, eine Meinung. Jedenfalls macht es die Pandemie nicht besser, wenn man festhält, dass viele Menschen auch an anderen Ursachen sterben. Bayerns Regierungschef Markus Söder soll jüngst im Kreise der anderen Ministerpräsidenten und der Bundeskanzlerin gesagt haben, rund 300 Corona-Tote pro Tag sei so, als ob jeden Tag ein Flugzeug abstürzen würde. Ein absurder Vergleich, aber er lässt mich nicht los. Richtig daran ist: Jeder Tag zählt. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet will die Verschärfungen erst zum Jahresende: Kirsten Bialdiga und Kristina Münstermann informieren Sie über die Details seines Vorschlags und die Reaktionen darauf. Angela Merkel dagegen waren schon die Oktober-Beschlüsse nicht weitreichend genug. Im Bundestag hielt sie eine ungewohnt emotionale Rede und flehte die Menschen geradezu an, ihre Kontakte zu beschränken. Den Söder-Vergleich bemühte sie nicht – aber wenn man ihn für einen Moment gelten lässt, dann ist es wohl an uns allen, mit unserem Verhalten diese Flugzeugabstürze zu verhindern, selbst wenn die Regeln nicht verschärft werden. Ich hatte Sie gestern über die eindringliche Warnung der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina informiert. „Wir müssen auf die Wissenschaft hören, sonst entgleitet uns die Pandemie wieder“, mahnt Merkel. Birgit Marschall und Kerstin Münstermann stellen Ihnen die wichtigsten Passagen der Rede vor. Apropos hören: Welche Strategie Armin Laschet mit einem Lockdown nach Weihnachten verfolgt, analysiert unsere Landespolitik-Expertin Kirsten Bialdiga auch in der heutigen Ausgabe unseres News-Podcasts „Aufwacher“. Diesmal geht es außerdem um eine bestürzende Zahl: 436 Kinder werden aktuell in NRW vermisst. Und das, obwohl die Polizei bei jedem verschwundenen Kind sofort alle Hebel in Bewegung setzt. Hören Sie den Podcast in jeder Podcast-App, bei Spotify oder auf unserer Seite. Als Jürgen Prochnow, Jahrgang 1941, in Berlin aufwuchs, waren Kinder meist sich selbst überlassen. „Trotz der ganzen Entbehrungen damals würde ich immer sagen, dass ich eine tolle Kindheit hatte – zwischen Ruinen“, erzählt der Schauspieler in einem Interview, das Cornelia Wystrichowski geführt hat. 1952 zog seine Familie nach Düsseldorf um, er ging hier zur Schule, entdeckte seine Liebe fürs Theater und übernahm Statistenrollen am Düsseldorfer Schauspielhaus. Er war schon ein anerkannter Theater- und Fernsehschauspieler, als das „Das Boot“ ihn nach Hollywood katapultierte. Heute lebt er wieder in Berlin, morgen ist er in einer Fernsehkomödie zu sehen. Gerade in diesen Zeiten kann uns sein Lebensweg etwas lehren: Ja, ohne Glück geht es nicht, aber den eigenen Weg müssen wir alle trotzdem finden und ihn dann auch gehen. Bis morgen! Herzlich Ihr Moritz Döbler Mail an die Chefredaktion senden P.S.: Wenn Ihnen dieser Newsletter gefällt, empfehlen Sie die "Stimme des Westens" weiter! |