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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Freitag, 29.05.2020 | Sonne und Wolken bei 20°C. | ||
+ Berlin öffnet Freiluftkinos, Kneipen und Fitnessstudios + Trump erlässt Dekret gegen Twitter + Union streicht Sebastian Polter aus dem Kader + |
von Robert Ide |
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Guten Morgen, haben Sie das auch gesehen: dieses Strahlen der Menschen, die in Sonnenstrahlen baden? Berlin erstrahlt neu, wenn auch noch abstandshalber auf sich selbst bezogen und ständig begleitet von einem stillen Schatten, den keine Sonne vertreiben kann: Die Pandemie lauert in unserer Luft, die an manchen Abenden schon den Sommer einatmet. Vorm Balkon wird das Fußpils zum Stehrumchen-Bier; und am Wannsee warten die Strandkörbe auf uns Vor-der-Haustür-Urlauber. Wer hier allerdings mit seinem mobilen und seltsamerweise von den Bäderbetrieben so genannten „Corona-Ticket“ um Einlass bittet, muss am Empfangstor erst mal weiträumig nach Handyempfang fahnden. Danach immerhin hat man Platz wie der Sand am Meer (Fotos hier). Seit der Eröffnung am Montag schwammen nur ein paar hundert Leute hier vorbei. Und wannsee’n wir uns dort? | |||||
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Auch wenn bei manchen Menschen offenbar zuerst die Schrauben gelockert wurden (mehr zu Verschwörungstheoretikern weiter unten), versucht Berlins Senat weiterhin vorsichtig an der öffentlichen Lockerungsschraube zu drehen. Nach stundenlanger Sitzung kamen am Donnerstag viele schon kurzfristig gültige Maßnahmen heraus – hier zum Auswendiglernen und zur freundlichen Anwendung auf einen schnellen Blick: – Ab Sonnabend darf wieder jede und jeder demonstrieren gehen, selbst politische Massenaufmärsche wären mit Abstand erlaubt. Das Gleiche gilt auch für religiöse Veranstaltungen unter freiem Himmel – auch wenn diese in Berlin eher nur Menschen in Maßen anziehen. – Direkt nach Pfingsten sind Frischeluftkonzerte und Freiluftkinofilme erlaubt – allerdings bloß mit bis zu 200 frei herumhockenden Gästen. Zwei Wochen später dürfen 500 Leute wieder gemeinsam unter Leute gehen, vier Wochen später sind sogar Veranstaltungen mit 999 Menschen möglich (aber keiner mehr). Gottlose Messen oder Kongresse in geschlossenen Räumen sind zunächst mit 150 Personen erlaubt, ab 30. Juni mit 300. Großveranstaltungen bleiben bis Ende August untersagt. Danach beginnen eigentlich Berlins Ernte- und Straßenfeste. Feste planen sollte damit keiner. – Ab Dienstag gibt es auch keine Ausreden mehr, nicht mehr ins Fitnessstudio zu gehen – außer man möchte nicht mit drei Meter Abstand schwitzen und besteht nach dem Sport auf einer Dusche. Zu Hause ist die allerdings weiterhin zu empfehlen. Auch auf Sportplätzen und in Turnhallen darf es wieder sportlich getrieben werden; Training mit bis zu zwölf Personen und Tanzstunden mit bis zu acht Menschen sind wieder möglich – für Mannschaftssportler läuft das aufs kleine Ballett hinaus. – Ab Juli lockert Berlin auch die Sperrstunde. Dann werden nicht nur in Steglitz-Zehlendorf die Bürgersteige um 23 Uhr hochgekurbelt. Immerhin können ab dem 2. Juli die Kinos ihre Vorhänge fallen lassen sowie Kneipen und Bars wieder Flaschen öffnen – allerdings darf dabei nur an Tischen ins halbleere Glas geschaut und nicht mit halbvollen Kehle auf Tischen getanzt werden. Plätze an der Bar bleiben leer; auch für Barzahler. – Private Partys sind weiterhin ein Tabu; in einer Wohnung soll man sich immer noch nur noch mit einem weiteren Haushalt treffen; draußen dürfen frau und man zu fünft unterwegs sein. Familienrelevante Treffen wie Hochzeiten, Beerdigungen und auch Taufen dürfen nun mit 50 Menschen stattfinden. Ob zu den „zwingenden Gründen“ für ein Familientreffen auch der 90. Geburtstag der Oma zählt, wusste Innensenator Andreas Geisel (SPD) gestern Abend auf der Senatspressekonferenz nicht genau zu sagen. Auf ihren 100. will allerdings auch niemand warten müssen. | |||||
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Wie ein Sack Flöhe dürfen die Leute ab jetzt nicht rumrennen, auch nicht auf den Flohmärkten der Stadt. Am Mauerpark in Prenzlauer Berg, wo am Pfingstwochenende die Aluwutbürger für das Recht auf Ansteckung protestieren wollen, wartet Flohmarktbetreiber Rainer Perske lieber mit der Öffnung der Stände bis Mitte Juni, wie er meinem Kollegen Christian Hönicke verraten hat (Probeabo seines Kiezhausen-Newsletters hier). „Ich will nicht, dass der Mauerpark zum Ischgl von Berlin wird“, sagt Perske mit Blick auf die Corona-Karaoke in den österreichischen Skiferien. Der Händler, nach einem Schlaganfall selbst Risikopatient, trödelt lieber mit seinem Trödelmarkt. „Wir haben ungefähr die Besucherzahl eines Hertha-Heimspiels, und die spielen derzeit ja auch ohne Publikum.“ Für Hertha, gerade mit dem nächsten neuen Trainer auf dem Weg zur Fußball-Geisterschaft, scheint dieses Konzept erfolgreich zu sein; für einen Markt dagegen stände die Zeit ohne Besucher so still, wie ein Stadion ohne Fans leise ist. | |||||
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Immer mehr Radwege poppen auf den Straßen up, inzwischen sind in Berlin zehn Kilometer gelb gestrichelt worden. An der Frankfurter Allee sieht allerdings Lichtenbergs Bezirksbürgermeister Michael Grunst (Linke) den Bürger nicht beteiligt und beteiligt sich deshalb lieber nicht am Radwegeumbau, während Friedrichshain-Kreuzberg auf der gleichen Straße schon mal vorzeitig die Spur wechselt und Räder vom holprigen Fußweg auf die Stehspur für parkendes Autoblech umleitet – womöglich von jetzt für immer. „Radfahrer und Fußgänger würden sich sicher über eine Weiterführung im Lichtenberger Teil der Frankfurter Allee freuen“, lässt Bezirksbürgermeisterin Monika Hermann (Grüne) dazu ihrem Amtskollegen auf Nachfrage ausrichten. Das Pingpong der Bezirke macht aus Berlins Radwegesystem ein löchriges Netz. Während alle Verkehrsteilnehmer darin hängen bleiben, spielen die Behörden weiter darüber hinweg – kleines Tischtennis. | |||||
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Die deutsche Einheit hat mehr als zwei Seiten; es gibt schließlich auch Nord und Süd. Und nach bereits 30 Jahren könnte tatsächlich auch einmal ein Ostdeutscher zum Bundesverfassungsrichter ernannt werden (wenn die SPD denn Jes Möller, den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, wirklich lässt; Details dazu hier). Und nach weiteren 30 Jahren gibt es womöglich schon eine erste ostdeutsche Unipräsidentin oder einen ostdeutschen Unipräsidenten – man könnte ja zumindest im Osten des Landes damit anfangen. Wie sich West und Ost seit dem Wahnsinn des Mauerfalls Seit an Seit weiterentwickelt haben, wollen wir im Tagesspiegel gemeinsam mit der Regierungskommission „30 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit“ und der Deutschen Gesellschaft in einer Podcast-Reihe besprechen. Mit dabei sind Experten und Zeitzeugen wie Berlins langjähriger Bürgermeister Eberhard Diepgen, Unternehmerin Petra Hoyer, Schriftstellerin und Tagesspiegel-Kolumnistin Hatice Akyün, aber auch der ehemalige Sprecher der Treuhand Wolf Schöde und Schauspielerin Anna Maria Mühe. Mit ihnen und natürlich mit Ihnen möchten wir bereden, was Deutschland innerlich zusammenhält und noch heute auseinandertreibt. Sie können sich gerne schon jetzt mit Fragen und Anregungen hier einbringen. Und bei unserer Checkpoint-Umfrage mitmachen. Wir hören uns dann von vielen Seiten. Auf einer gemeinsamen Welle. | |||||
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