Liebe Leserinnen und Leser,
 

Mit einem „Machtwort“ hat Bundeskanzler Olaf Scholz den Streit um den Weiterbetrieb der verbliebenen deutschen Atomkraftwerke zwischen seinen Koalitionspartnern FDP und Grünen beendet. Herausgekommen ist eine Minimallösung: Die drei derzeit noch laufenden Atomkraftwerke sollen dreieinhalb Monate länger am Netz bleiben, bis Mitte April 2023, und ohne neue Brennelemente.  

 

Doch das angebliche Machtwort des Bundeskanzlers im Atomstreit war gar keines, sondern ein Schauspiel. Das hat FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner in einem Fernsehinterview in der Sendung Maischberger aus Versehen zugegeben. In Wirklichkeit war es eine gemeinsame Entscheidung der Ampelspitze aus Kanzler Scholz, Finanzminister Lindner sowie dem grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck. Die Fiktion des Machtworts erlaubt es Letzterem, sein Gesicht gegenüber seiner eigenen nach wie vor ausstiegsfreudigen Partei zu wahren. Wie es nach dem April 2023 weitergehen soll, weiß derzeit aber keiner. Erschreckende Erkenntnis des Lindner-Auftritts: Diese Bundesregierung hat keinen Plan, wie sie die Energieversorgung der viertgrößten Industrienation aufrechterhalten will. Cicero-Wirtschaftsredakteur Daniel Gräber kommt deshalb zu dem unangenehmen Schluss: „Wir werden von einer Laienschauspieltruppe regiert.“ 

 

Dem würde der Publizist Hugo Müller-Vogg sicher nicht widersprechen. Seiner Meinung nach kann der faule Atom-Kompromiss im Energiekrieg gegen Russland nur als Augenwischerei verstanden werden. Ein Vergleich von Bundeskanzler Scholz mit seinen Amtsvorgängern Helmut Schmidt, Helmut Kohl oder Gerhard Schröder fällt daher zu Ungunsten des Ersteren aus. Jene scheuten sich nämlich nicht, in ihrer Amtszeit zum Wohle Deutschlands auch unpopuläre Entscheidungen trafen und das Wohl ihrer Partei oder ihre eigene politische Karriere hintanzustellen. Müller-Vogg stellt fest: „Die Rettung der Koalition ist Scholz wichtiger als das Land.“ 

 

Andernorts haben gescheiterte Regierungschefs immerhin noch den Anstand, beizeiten abzudanken. Nach nur 44 Tagen im Amt ist heute Liz Truss als britische Premierministerin zurückgetreten. Sie steht nicht nur vor dem schnellen Ende einer steilen Politkarriere. Sie hinterlässt auch ein großes Chaos in ihrer konservativen Partei, die bereits von Boris Johnsons Ära in Mitleidenschaft gezogen wurde. Ob ein fliegender Premierministerwechsel das Vereinigte Königreich ohne Neuwahlen stabilisieren kann, fragt UK-Korrespondentin Tessa Szyszkowitz

 

Politische Veränderungen gibt es auch in Bulgarien. Die neugewählte Volksversammlung scheiterte am Mittwoch auch im zweiten Wahlgang darin, ihren Parlamentsvorsitz zu wählen. Doch mit der Verabschiedung des Staatshaushaltes und dem möglichen Beitritt in den Schengen-Raum stehen für das osteuropäische Land bereits wegweisende Entscheidungen vor der Tür. Inmitten einer Zeit, in der sich die politische Klasse Bulgariens abermals in einer tiefen Krise befindet. Osteuropa-Korrespondent Frank Stier nennt Bulgariens neues Parlament „eine Menschenversammlung des würdelosen Scheiterns“. 

 

Nicht gescheitert, aber verschoben sind die deutsch-französischen Regierungskonsultationen, die eigentlich jedes Jahr stattfinden. Sie waren für kommende Woche fest geplant – nun finden sie erst im Januar statt. Offiziell heißt es, Minister seien verhindert und in einigen Fragen gebe es noch Abstimmungsbedarf. Also hätten beide Seiten gemeinsam die Verschiebung um wenige Wochen beschlossen. Bestenfalls eine Teilwahrheit, sagt der in Frankreich lebende Journalist Kay Walter. Denn es gibt erhebliche Differenzen zwischen der deutschen und der französischen Regierung, die von der Energie- bis zur Verteidigungspolitik reichen. „Es knirscht vernehmlich“, meint Walter.  

 

Nur ein Land scheint nach wie vor unangefochten im Sattel zu sitzen: die USA. Vor dem Hintergrund des Ukrainekriegs zeigt sich, dass Wladimir Putin die Weltlage völlig falsch eingeschätzt hat. Weder haben die Vereinigten Staaten das Interesse an Europa verloren, noch hat sich China an der Seite Russlands auf einen Machtkampf gegen Amerika eingelassen. Im Gegenteil: Peking setzt auf Wiederannäherung mit Washington. Die Hegemonie der USA bleibt deshalb vorerst bestehen. Der Geostratege George Friedman sagt deshalb: „America first“

 

Ihr Ingo Way, Leiter Online-Redaktion

 
 
 
 
 
 
 
 
Christian Lindner verplappert sich bei Maischberger
 
Wir werden von einer Laienschauspieltruppe regiert
 
VON DANIEL GRÄBER
 
 
Das angebliche Machtwort des Bundeskanzlers im Atomstreit war gar keines, sondern ein Schauspiel. Das hat FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner in einem Fernsehinterview aus Versehen zugegeben. Erschreckende Erkenntnis seines Auftritts: Diese Bundesregierung hat keinen Plan, wie sie die Energieversorgung der viertgrößten Industrienation aufrechterhalten will.
 
 
 
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Das Ohnmachtwort des Kanzlers
 
Die Rettung der Koalition ist Scholz wichtiger als das Land
 
VON HUGO MÜLLER-VOGG
 
 
Mit einem angeblichen Machtwort hat Olaf Scholz den Streit innerhalb der Ampel-Koalition beendet. Doch der Kompromiss kann im Energiekrieg gegen Russland nur als Augenwischerei verstanden werden. Bundeskanzler Scholz ist schlichtweg nicht aus demselben Holz geschnitzt wie ein Helmut Schmidt oder Gerhard Schröder, die in ihrer Amtszeit zum Wohle Deutschlands auch unpopuläre Entscheidungen trafen.
 
 
 
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Liz Truss
 
Großbritannien sucht neuen Regierungschef
 
Liz Truss tritt zurück 
 
VON TESSA SZYSZKOWITZ
 
 
Nach nur 44 Tagen muss Liz Truss zurücktreten. Sie steht nicht nur vor dem schnellen Ende einer steilen Politkarriere. Sie hinterlässt auch ein großes Chaos in ihrer konservativen Partei, die bereits von Boris Johnsons Ära in Mitleidenschaft gezogen wurde. Kann ein fliegender Premierministerwechsel das Vereinigte Königreich ohne Neuwahlen stabilisieren? 
 
 
 
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Die bulgarische Nationalversammlung in Sofia
 
Bulgariens neues Parlament
 
Eine Menschenversammlung des würdelosen Scheiterns
 
VON FRANK STIER
 
 
Die neugewählte Volksversammlung scheiterte am Mittwoch auch im zweiten Wahlgang darin, ihren Parlamentsvorsitz zu wählen. Doch mit der Verabschiedung des Staatshaushaltes und dem möglichen Beitritt in den Schengen-Raum stehen für Bulgarien bereits wegweisende Entscheidungen unmittelbar vor der Tür. Inmitten einer Zeit, in der sich die politische Klasse abermals in einer tiefen Krise befindet.
 
 
 
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Scholz, Rutte, Macron
 
Deutsch-französische Regierungskonsultationen abgesagt
 
Es knirscht vernehmlich 
 
VON KAY WALTER
 
 
Die deutsch-französischen Regierungskonsultationen – für kommende Woche fest geplant – sind auf Januar verschoben. Offiziell heißt es, Minister seien verhindert und in einigen Fragen gebe es noch Abstimmungsbedarf. Also hätten beide Seiten gemeinsam die Verschiebung um wenige Wochen beschlossen. Bestenfalls eine Teilwahrheit. 
 
 
 
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Die amerikanische und die chinesische Flagge
 
Neue Weltordnung
 
America first
 
VON GEORGE FRIEDMAN
 
 
Vor dem Hintergrund des Ukrainekriegs zeigt sich, dass Wladimir Putin die Weltlage völlig falsch eingeschätzt hat. Weder haben die Vereinigten Staaten das Interesse an Europa verloren, noch hat sich China an der Seite Russlands auf einen Machtkampf gegen Amerika eingelassen. Im Gegenteil: Peking setzt auf Wiederannäherung mit Washington. Die Hegemonie der USA bleibt deshalb vorerst bestehen.
 
 
 
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Gewitter über dem Kanzleramt
 
Richtlinienkompetenz
 
Das Wumms-Wort
 
VON RALF HANSELLE
 
 
Selten war ein Sprechakt so effektiv: Bundeskanzler Olaf Scholz hat mit einem Machtwort den Atom-Streit in der Ampel-Koalition beendet. Doch kann man mit starken Worten allein schon regieren? Und was hat unsere Sehnsucht nach klaren Entscheidungen mit diskursivem Zeitgeist-Gedöns zu tun?
 
 
 
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Über den „Kampf gegen rechts“
 
Die halbierte Demokratie
 
VON PETER GRAF VON KIELMANSEGG
 
 
Wie keine andere Demokratie lebt die Bundesrepublik im Schatten einer dunklen Vergangenheit. Begrenzungen der Freiheit des politischen Diskurses und des politischen Wettbewerbs bedürfen daher starker, konsensfähiger Begründungen. Wenn es „gegen rechts“ geht, gerät das erstaunlich leicht in Vergessenheit. Hier verwischen häufig die Grenzen zwischen der extremen demokratiefeindlichen Rechten und dem demokratieloyalen Konservativismus. Eine ungute Entwicklung.
 
 
 
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Russisches Haus Berlin
 
Besuch im Russischen Haus in Berlin
 
Das Wort „Krieg“ nimmt der Direktor nicht in den Mund
 
VON LIUDMILA KOTLYAROVA
 
 
Das Russische Haus in Berlin unterliegt indirekt der Zuständigkeit des russischen Außenministeriums. Nach langer Pause hat es nun wieder geöffnet, bietet Russischkurse und Filmabende. Doch wie viel russische Kultur ist erlaubt, während der Kreml Bomben auf die Ukraine fallen lässt? Ein Treffen mit Direktor Pavel Izvolskiy.
 
 
 
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Karikatur
 
Ampel-Neuerscheinungen zur Buchmesse
 
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