Die Boulevardzeitung BILD, bekannt für ihre kontroversen Schlagzeilen und ihre hohe Reichweite, hat einen neuen Anlauf in die Welt des E-Commerce gewagt: die Einführung ihres eigenen Online-Marktplatzes. Das neue Portal verspricht “eine breite Palette von Produkten, von trendiger Mode bis hin zu hochwertigen Lifestyle-Produkten, alle sorgfältig von BILD kuratiert”, so die Ankündigung von Claudius Senst, CEO der BILD Group auf LinkedIn. “Der BILD Marktplatz gibt Händlern und Marken damit die Möglichkeit, sich in unserem Umfeld mit einer Reichweite von täglich rund 19 Millionen Visits zu bewegen.” | Holpriger Start | Zum Start ist die Produkt-Palette noch nicht übermäßig breit: Rund 30.000 Artikel von über 50 Anbietern, steht aktuell zur Verfügung, das Sortiment konzentriert sich auf die Kategorien Heim & Garten, Möbel & Deko bis hin zu Technik & Haustierbedarf. Diese Diversität mag potenzielle Kunden ansprechen, aber könnte sich auch als Herausforderung in der Handhabung und Marketing herausstellen. Zudem wirkt das Sortiment aktuell noch etwas holprig aufgestellt, bemerkte der Amazon-Berater Michael Frontzek: Viele Artikel zeigen sehr geringe Warenbestände an oder sind gleich ganz ausverkauft, und die Preise sind aktuell ungewöhnlich “krumm”. | Der Marktplatz-Exprte Marcel Brindöpke wiederum bemängelt die Anbindung des Marktplatzes an das reichweitenstarke Portal BILD.de - aktuell ist der Zugang zum Marktplatz von der Medienseite aus kaum auffindbar, wodurch die 19 Millionen täglichen Visits von BILD.de kaum auf den Marktplatz abstrahlen dürften. Offen ist für ihn aktuell, wie die Monetarisierungsstrategie für den Marktplatz aussieht. “Für Werbekunden ist es immer spannend in einem Umfeld zu werben, wo der Weg zur Conversion kurz ist”, so Brindöpke. “Händler auf dem Marktplatz haben also eine starke Motivation auch Werbung zu buchen. Dies eröffnet BILD weitere Einnahmequellen. Andererseits ist der Erfolg eines Marktplatzes stark von seinem Bekanntheitsgrad abhängig - und die Frage ist, wie stark BILD daran interessiert ist, dem Marktplatz Werberäume abzutreten, wenn diese Werbeplätze anderweitig besser monetarisiert werden können.” | Dennoch hat der Marktplatz zumindest schon einiges getan, um neue Händler zu gewinnen. Eine Anbindung an plentyOne steht bereits, verriet der Marktplatz-Berater Valentin Hauß auf LinkedIn. Sein Unternehmen habe darüber bereits einen Kunden an den Marktplatz angebunden. | Fazit: Skepsis ist angebracht | Wenn ein so reichweitenstarkes Portal wie BILD.de E-Commerce-Ambitionen verfolgt, ist das immer ein Grund zum Aufhorchen. Doch der Marktplatz wirkt aktuell wie mit heißer Nadel gestrickt: Zusammengewürfeltes Sortiment, wenige Händler, krumme Preise, schlechte Verfügbarkeit… nicht gerade ein smoother Start für ein neues Portal. Auch die Monetarisierungsstrategie dahinter ist aktuell kaum erkennbar: Will BILD mit dem Marktplatz einfach seinen Display-Werbekunden (wie dem Referenz-Seller Paramount+) einen zusätzlichen Absatzkanal bieten, um bessere Argumente für den Display-Verkauf zu haben? Oder soll sich der Marktplatz tatsächlich zu einem unabhängigen Einkommenskanal für das Verlagshaus entwickeln? Wie kann der Marktplatz vorankommen, wenn er wie aktuell als reines (und schlecht auffindbares) Anhängsel der Medienplattform vegetiert? Wie ernst meint es BILD diesmal mit dem E-Commerce-Start? Vielleicht erinnert sich der eine oder andere noch an das kurzlebige Schicksal von BILD Shop: 2010 eröffnete BILD mit großem Tamtam unter dem Slogan “Hier kauft Deutschland!” einen eigenen Online-Shop - und machte ihn nur sechs Monate später wieder dicht. Hoffen wir, dass es mit Marktplatz besser ergeht. |
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