Liebe Leserin, lieber Leser,
warum ist eigentlich Grünen-Co-Chef Omid Nouripour zurückgetreten? Er hat doch gar nichts gemacht. Wenn Sie das schon lustig finden, muss ich vielleicht ergänzen: Er hat weder seiner Partei noch dem Land geschadet. Für seinen melancholischen Teddybären-Blick kann er ebenso wenig wie für die Grünen-Politik, die er zweieinhalb Jahre lang erklären musste. Und dass er die Ampel in einem Anfall von Ehrlichkeit „Übergangsregierung“ nannte, muss man ihm wirklich nicht vorwerfen. Warum also trat der 49-Jährige zurück – und seine Co-Parteichefin Ricarda Lang samt Bundesvorstand gleich mit? Sie opferten sich für ihren Kanzlerkandidaten in spe, Robert Habeck. Das Schöne daran: Alle konnten auf diese Weise so tun, als ginge es gar nicht um Macht oder Schuldzuweisungen, sondern um Verantwortung, Neuanfang, Höheres. Mittlerweile kam der Partei sogar die komplette Vorstandsspitze ihrer Grünen Jugend abhanden, die bis runter in die Landesverbände zudem Parteiaustritte ankündigte. Dem Öko-Nachwuchs unterstelle ich, dass er schlicht beleidigt ist: wegen seiner Partei, die einfach nicht mehr so ultraorthodox links sein will wie er selbst. Aber auch wegen uns Wählern, weil wir nicht kapieren, was gut für uns wäre (viel mehr Flüchtlinge, Bürgergeld, Gendern, Pazifismus und in dubio pro Hafermilch). Im Fall Grüne Jugend hält sich meine Bestürzung zwar in Grenzen. Aber Rücktritt können wir Deutschen. Okay, es mag Ausnahmen geben wie den früheren CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer, der einfach alle Maut-Pleiten aussaß, bis es nichts mehr zurückzutreten gab, weil irgendwann einfach die Regierung wechselte. Oder Olaf Scholz, der alles vergaß zu Cum-ex etc. Aber meist wirkt das Am-Amt-kleben viel würdeloser als ein Schlussstrich mit reeller Chance für einen Neuanfang. |