 | | |  | | 18. Mai 2025 | | Prantls Blick | | Die politische Wochenschau | | | |
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| |  | Prof. Dr. Heribert Prantl | | | |
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| | | waren Sie auch so gespannt auf die Regierungserklärung des neuen Kanzlers, waren Sie auch so enttäuscht wie ich? Ich fragte mich, woher Friedrich Merz seinen Ruf als groÃer Redner hat. Und ich fragte mich auch, wo in dieser Rede die Gedanken und die Ideen waren, die die knisternde Spannung vorher gerechtfertigt hätten. Es gab diese Gedanken nicht, es gab diese Ideen nicht. Es gibt aber einen Trost: Bei ihrer ersten Rede sind die Kanzler selten so, wie sie angeblich sein sollen. Sie sind âzu kargâ, âzu lapidarâ, âzu geschäftsmäÃigâ â so waren einst schon die Kommentare zu den Regierungserklärungen von Konrad Adenauer. âKeine Spannung im Raumâ, hieà es.
Und über die heute so gerühmte Antrittsrede von Kanzler Willy Brandt nach dem spektakulären Machtwechsel im Jahr 1969 hieà es: âWer von dieser Regierungserklärung reformerische Sphärenklänge erwartet haben sollte, der wird vielleicht enttäuscht gewesen sein ⦠glanzvoll war sie bestimmt nicht. Im Dickicht der Details und in der Aufzählung auch zweitrangiger Fragen ging das Bemühen oft unter, die groÃe Linie der neuen Politik sichtbar zu machen.â So schrieb es damals nicht nur die Badische Zeitung. Die Süddeutsche Zeitung gab ihrem Leitartikel zu Brandts Regierungserklärung eine bescheidene Ãberschrift: âMit Vorsicht voranâ, hieà es da.
Das Aufbruchssignal, das keiner erkannte
Erst viel später wurde die Rede als Manifest des Neubeginns gewertet, als Aufbruch zu neuen Ufern. In der von Karl Dietrich Bracher herausgegebenen vielbändigen Geschichte der Bundesrepublik sinkt der Autor vor ihr fast auf die Knie. Einzelnen Wörter und Sätzen aus Brandts Regierungserklärung sind in der Tat im Laufe der Jahre Flügel gewachsen. Dazu gehört das Motto âMehr Demokratie wagenâ, die angekündigte âFähigkeit zum Wandelâ und auch der Spruch, mit dem Brandt auf Kiesingers âBundeswehr als Schule der Nationâ geantwortet hatte: âDie Schule der Nation ist die Schuleâ. Der Satz âWir stehen nicht am Ende unserer Demokratie, sondern wir fangen erst richtig anâ wird heute zitiert wie das Fanal einer neuen Zeit.
Damals jedoch hat dieses Fanal kaum einer gehört. Der Berliner Tagesspiegel suchte mit einigem schreiberischen Aufwand das âpolitische Schlüsselwortâ: Keines der jetzt berühmten Zitate war dabei. Die Apotheose der Brandt'schen Regierungserklärung begann erst, als Helmut Kohl seine erste Regierungserklärung gehalten hatte und die Feuilletons Kübel voller Hohn und Spott ausgeschüttet hatten â so dass Kohl dastand wie ein Provinzdepp. âÃbergangskanzlerâ wurde er deshalb von der internationalen Presse genannt. Der Ãbergang dauerte dann bekanntlich 16 Jahre. Und wenn man nach der Bewertung ihrer Regierungserklärungen geht, hätte Kohls Nachfolger Gerhard Schröder länger und Angela Merkel kürzer regieren müssen.
Die Lehren aus alledem lauten also, erstens: Die Regierungserklärung ist nicht unbedingt schon ein Indiz für Qualität und Gehalt einer Amtszeit. Und zweitens: Messen wir Friedrich Merz nicht vorschnell an seiner ersten Kanzlerrede! Es kann auch besser werden. | |
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| |  | | Prantls Blick |
| Es ist ein gutes Omen, dass die erste Regierungserklärung von Friedrich Merz keine Sternstunde war | | |
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| Ich wünsche Ihnen, dass Sie â trotz einer wenig hoffnungsvollen Gesamt-Nachrichtenlage â zuversichtlich bleiben können. Es gibt eine Pflicht zur Hoffnung. Wenn man jede Hoffnung fahren lässt, wird die Welt zum Albtraum. | |
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| Heribert Prantl | | Kolumnist und Autor der Süddeutschen Zeitung |
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| | | | | | | | | Wer in diesem Krieg nicht reich wird ⦠| | Es gibt Bücher, die sind zum Niederknien. Es existieren davon nicht sehr viele. Diese Bücher verlieren auch nicht an Aktualität, wenn sie über 100 Jahre alt sind. Das Buch, das ich Ihnen heute ans Herz lege, gehört dazu. Dieses Buch ist grausam aktuell. Es ist von einer Sprachkraft, die ihresgleichen sucht, es ist von einer intellektuellen Kraft, die einen umhaut. Es ist ein Buch aus den Eingeweiden des Ersten Weltkriegs, das wohl beste Buch, das es über diesen Krieg gibt.
Genau genommen ist es nicht nur ein Buch über den Ersten Weltkrieg, es ist ein Buch über jeden Krieg. Das zeigt exemplarisch dieser Satz: âKrieg ist zuerst die Hoffnung, dass es einem besser gehen wird, dann die Erwartung, dass es dem anderen schlechter gehen möge, dann die Genugtuung, dass es dem anderen nicht besser geht, und zuletzt die Ãberraschung, dass es allen schlechter geht.â
Der Satz steht im Antikriegsdrama âDie letzten Tage der Menschheitâ von Karl Kraus, das zwischen 1916 und 1922 entstanden ist. Wenn man Kraus liest, gehen einem Lichter auf, zum Beispiel beim Dialog zweier Kriegsgewinnler, die beschlieÃen, das gewonnene Geld in Gemälden anzulegen: âWer in diesem Krieg nicht reich wirdâ, sagen sie, âder verdient nicht, ihn zu erleben.â
Karl Kraus: Die letzten Tage der Menschheit. Bühnenfassung des Autors. Die jüngste Ausgabe ist aus dem Jahr 2025, herausgegeben von Eckart Früh. Sie ist im Suhrkamp Verlag, Berlin, erschienen, hat 285 Seiten und kostet 12 Euro. | | | | |
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| | | | | Ein bizarrer Spinner | | Im Märchen macht der Zwerg, der aus Stroh Gold spinnen kann, ein groÃes Geheimnis aus seinem Namen; er heiÃt, wie sich dann zu seinem Unglück herausstellt, Rumpelstilzchen. In der Realität ist der Spinner kein Zwerg, sondern US-Präsident, und er macht aus seinem Namen kein Geheimnis. Im Gegenteil: Er macht aus seinem und mit seinem Namen Geld.
Donald Trump will, so sagt er es immer wieder, Amerika groà machen, macht aber in Wahrheit sein eigenes Vermögen und das seiner Familie groÃ. Er macht das nicht versteckt, sondern ganz offen und ganz schamlos. Wie diese Schamlosigkeit funktioniert, wie Trump mit bizarren Kryptogeschäften Milliarden scheffelt â das beschreibt Max Muth klar und deutlich unter dem schönen Titel âUnd es wurde Geldâ. Dazu passt ein Aphorismus von Karl Kraus aus seinem Werk âSprache und Widerspruchâ. Da schreibt er: âUnglaublich ist das Glaubliche, nicht das Unglaubliche.â | | | |
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