Ausgabe vom 28.09.2020

Einige Merkwürdigkeiten und ihre Hintergründe

Einige Merkwürdigkeiten und ihre Hintergründe
von Torsten Ewert

Sehr verehrte Leserinnen und Leser,

in jüngster Zeit geschehen merkwürdige Dinge an den Börsen – oder scheinen sich zumindest anzudeuten. Nein, ich meine nicht die laufende Herbstkorrektur; schließlich war diese ja von uns erwartet worden.

Die überraschende Stärke der Euro-Indizes in der Korrektur

Von einer Herbstkorrektur kann man inzwischen aber ohne Übertreibung sprechen, zumindest in den USA. Die großen US-Indizes verloren seit ihren Hochs Anfang September im Tief rund 10 % oder mehr.

Wenig verwunderlich ist dabei, dass der NASDAQ 100 aufgrund der vorherigen Übertreibung bei den Technologiewerten den größten Verlust (-14,2 %) verzeichnet, der wenig technologielastige Dow Jones „nur“ -9,1 %. Verständlich ist auch, dass im Verlauf dieser Korrektur defensive Werte zulegten oder sich zumindest sehr robust zeigten.

Aber nun beginnen die Merkwürdigkeiten:

So hielten sich nahezu alle großen europäischen Indizes besser als alle US-Indizes. Und selbst die beiden Ausnahmen, der spanische IBEX und der österreichische ATX, verloren mit jeweils -9,2 % deutlich weniger als z.B. S&P 500 und NASDAQ 100 und gaben sich dem „besten“ US-Index Dow Jones nur knapp geschlagen.

Also noch einmal zum Mitschreiben: Selbst traditionell chronisch schwache Euro-Indizes wie die bankenlastigen Euro STOXX 50 oder Italiens MIB 30 liefen zuletzt besser als Dow und Co.! Auch der britische „Brexit-Index“ FTSE 100 zeigte sich überraschend stabil.

Warum die Großanleger auf Euro-Aktien setzen

Das ist aber nicht die erste überraschende Stärke der hiesigen Aktienindizes gegenüber ihren US-Pendants. Es gab in diesem Jahr schon einmal eine solche Phase der Stärke (siehe folgender Chart):

DAX vs. EUR/USD vs. Relative Stärke zum S&P 500

Ab Mitte Mai zog z.B. der DAX dem S&P 500 eine Zeitlang davon – zu erkennen an der steigenden blauen Kurve im untersten Chartteil (siehe linke gelbe Markierung). Damals ging diese Stärke Hand in Hand mit dem überraschenden und starken Anstieg des Euro gegenüber dem US-Dollar (siehe mittlerer Chartteil).

Schon damals skizzierte ich für meine Leser des Geldanlage-Briefs ein Szenario, warum es sowohl zu der Euro-Stärke also auch der DAX-Stärke gekommen sein könnte und wies darauf hin, dass eine spätere Korrektur bei den US-Indizes der Startschuss für eine nächste Stärkephase des DAX (und anderer europäischer Indizes) sein könnte.

Umgekehrt wird ein Schuh draus!

Und genauso ist es nun gekommen: Pünktlich mit dem Rückschlag der US-Indizes zog der DAX dem S&P 500 erneut davon (siehe rechte gelbe Markierung). Diesmal war der EUR/USD-Kurs nicht der Anlass. Und es verwundert ein wenig, dass die Korrektur der US-Indizes ausgerechnet dann einsetzte, als der S&P 500 schon längst ein komfortables neues Allzeithoch erreichte.

Gut, die Technologiewerte waren längst in einer Übertreibung, aber das hat die Anleger in der Vergangenheit noch nie davon abgehalten, die Kurse noch höher zu treiben. Und die gegenläufige Entwicklung zwischen DAX und S&P 500 erfolgte zu synchron, um die DAX-Stärke als Reaktion auf die einsetzende Korrektur an den US-Börsen anzusehen.

Meine These daher: Umgekehrt wird ein Schuh daraus – die Korrektur in den USA wurde ausgelöst, weil große Anleger erneut begannen, Positionen in Europa aufzubauen und zugleich ihre US-Positionen verkauften. Offenbar schichteten sie diese Gelder nicht mehr in Euro um – schließlich stieg der EUR/USD zuletzt nicht mehr.

Das mussten sie aber auch nicht mehr, denn während des Anstiegs des EUR/USD ab Ende Mai floss offenbar genügend Liquidität nach Europa, welche die Anleger zwischenzeitlich z.B. in Anleihen parkten. Für letzteres gab es auch klare Indizien, auf die ich meine Leser im Geldanlage-Brief ebenfalls rechtzeitig hinwies.

Welche Gefahr jetzt eingepreist wird

Es bleibt die Frage, warum die Großanleger ausgerechnet jetzt ihre Gelder aus US-Aktien abzogen und damit die Herbstkorrektur in den USA auslösten. Die Antwort liefert eine merkwürdige Mail, die mir mein (US-)Broker in der vergangenen Woche schickte.

Sie begann folgendermaßen: „Wie Sie bereits beobachtet haben, lassen die erhöhten implizierten Volatilitäten von Optionen darauf schließen, dass die Märkte sowohl vor als auch nach den Wahlen im November 2020 [Hervorhebung TE] mit erhöhter Volatilität zu rechnen haben. Wir sind derselben Ansicht und möchten daher der Leverage [allg.: Hebelwirkung; hier ist gemeint: Hebelwirkung durch Wertpapierkauf auf Kredit – TE] auf maßvolle Weise im Voraus entgegenwirken. Daher wird zum Eigenschutz und Schutz ihrer Kunden …“ – und es folgen die konkreten Maßnahmen, die der Broker dafür vorsieht.

Die erste Reaktion eines sehr erfahrenen Kollegen, dem ich davon berichtete, war: „Wow, die rechnen mit einem Crash!“ Und diese Ansicht ist völlig plausibel. Schon vor Wochen gab es Nachrichten bzw. Gerüchte, dass sich institutionelle Anleger gegen Turbulenzen absichern, zu denen es – nicht nur an den Börsen! – im Umfeld der US-Präsidentschaftswahlen Anfang November kommen könnte.

Es ist Zeit, Ihr Depot wetterfest(er) zu machen!

Auch darauf haben wir im Geldanlage-Brief reagiert: Neben einer seit längerem defensiven Ausrichtung haben wir bereits Ende August – also rechtzeitig vor Beginn der jüngsten Korrektur – eine dreifach defensive Aktie ins Depot aufgenommen. Und während die großen Indizes seitdem auf Tauchstation gegangen sind – zum Teil sogar mit zweistelligen prozentualen Verlusten (siehe oben) – legte diese Aktie um bis zu 16,1 % zu. Erst in der Vorwoche markierte sie wieder ein neues Allzeithoch!

Im Geldanlage-Brief sind wir damit auf viele Eventualitäten gut vorbereitet, zumal wir auch schon seit Längerem eine Absicherungsposition im Depot haben. Das Ausmaß der laufenden Herbstkorrektur unterstreicht ebenfalls, dass es wohl an der Zeit ist, sich Gedanken zu machen, wie man sein Depot wetterfest(er) machen kann. Ich wünsche Ihnen in jedem Fall viel Erfolg bei Ihren finanziellen Entscheidungen!

Mit besten Grüßen

Ihr Torsten Ewert

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