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Sehr geehrte Damen und Herren, |  |
Sonja Gillert
Head of Audio |
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die Zahlenorgie beim ersten Kaffee in den Morgen-Nachrichten gehört seit März zum Alltag. An diesem Donnerstag sind es 16.774 Corona-Neuinfizierte. „Ein neuer Höchstwert“, wie der Sprecher ergänzt. Es ist eine Zahl, die unterstreicht, was am Mittwoch von der Bundeskanzlerin verkündet wurde. Die Zahlen müssen dringend sinken. Nur so kann eine Überlastung des Gesundheitssystems verhindert werden. Das Mittel der Wahl ist diesmal ein „Wellenbrecher-Lockdown“, der
anders klingt, aber doch stark an die Einschränkungen vom März erinnert. Diesmal soll das Land befristet runtergefahren werden. Eine „Vier-Wochen-Therapie“ nennt es Bayerns Ministerpräsident.
Wie logisch die einzelnen Beschlüsse sind? Darüber kann man sicher streiten. Entscheidend wird sein, dass diese Therapie schnell wirkt. Denn wir wissen aus dem Frühjahr: Der Preis eines Lockdowns ist hoch – nicht allein für die Wirtschaft. Die Corona-Pandemie betrifft die körperliche Gesundheit, hat aber auch psychosoziale Folgen.
Experten berichten von einem Anstieg bei Ängsten, psychischem Stress und depressiven Zuständen im Frühjahr. Dass der zweite Lockdown in den Herbst fällt, erschwert die Situation. Immerhin, wir können aus dem Frühjahr lernen. Diesmal bleiben Schulen und Kitas so lange wie möglich offen. Das ist für viele Familien und Kinder eine Rettung. Arbeit, Kinderbetreuung, finanzielle Unsicherheit und Homeschooling brachten sie an die Belastungsgrenze. Für einige Kinder bedeutete der Unterricht zu Hause de facto Schulausfall. Auch die Fälle häuslicher Gewalt sind gestiegen. Und
nicht zuletzt war der erste Lockdown für viele Pflegebedürftige und ältere Menschen eine Art Einzelhaft. Aus diesen Erfahrungen gilt es Schlüsse zu ziehen.
Um die psychischen und sozialen Folgen abzumildern, braucht es in dieser Zeit der Durchhalte-Parolen und der Kontaktbeschränkungen erst recht emotionale Nähe. Es kommt nicht allein darauf an, worauf wir verzichten, sondern auch darauf, was wir tun. Es gilt erneut, kreative Wege zu finden, damit aus Social Distancing nicht Isolation wird. Es muss nicht gleich ein Twitter-Konzert sein oder Nachhilfe per Video. Aber ein Anruf mehr bei Freunden und Familie, eine Nachfrage mehr als sonst, und ein offenes Ohr sind mitentscheidend, was für eine Gesellschaft wir nach dem Lockdown
und der Pandemie sein werden.
Was den Tag heute bestimmt, darüber berichtet für Sie jetzt aus dem WELT-Newsroom meine Kollegin Judith Mischke. |
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WAS HEUTE SCHLAGZEILEN MACHT |
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Quelle: Valery Hache/AFP/dpa |
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Mehrere Tote und Verletzte bei Messer-Attacke in Nizza |
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Bei einem Messerangriff in Nizza im Süden Frankreichs sind mindestens drei Menschen getötet worden. Es habe außerdem mehrere Verletzte gegeben, teilte die Polizei mit. Der Angriff ereignete sich in der Basilika Notre-Dame, einem der Opfer soll die Kehle durchgeschnitten worden sein. Beamte konnten den Täter festnehmen. Nizzas Bürgermeister Christian Estrosi twitterte, die Tat gleiche einem terroristischen Anschlag. Der mutmaßliche Täter habe mehrfach
„Allahu Akbar“ gerufen. Die Anti-Terror-Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen übernommen. Ermittelt werde wegen „Mordes und Mordversuchs im Zusammenhang mit einer terroristischen Tat." Erst vor zwei Wochen war in Paris der Lehrer Samuel Paty von einem Islamisten geköpft worden, weil Paty im Unterricht über Meinungsfreiheit Mohammed-Karikaturen gezeigt hatte. |
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Weniger Arbeitslose im Oktober |
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Der deutsche Arbeitsmarkt erholt sich zum Herbstanfang: Im Oktober fiel die Zahl der Arbeitslosen im Vergleich zum Vormonat um 87.000 auf 2,76 Millionen, wie die Bundesagentur für Arbeit (BA) mitteilte. „Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung sind im Oktober kräftig gesunken“, sagte BA-Chef Detlef Scheele. „Nach wie vor zeigen sich am Arbeitsmarkt aber deutliche Spuren der ersten Welle der Corona-Pandemie.” So liegt die Arbeitslosenzahl um 556.000 höher als im Vorjahresmonat. Nach vorläufigen
hochgerechneten Daten bezogen im August 2,58 Millionen Arbeitnehmer konjunkturelles Kurzarbeitergeld. Im April waren es noch knapp sechs Millionen. |
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RKI-Experte: Corona-Impfung dauert bis 2022 |
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Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut (RKI) rechnet nicht damit, dass vor 2022 eine Corona-Impfung der gesamten Bevölkerung möglich ist. „Es wird längere Zeit dauern, bis wir durch die Impfung eine spürbare Veränderung des Infektionsgeschehens sehen werden, dass wir sagen können, jetzt kann wieder Ruhe einkehren", sagte der Virologe Thomas Mertens der Funke Mediengruppe. Mertens sagte außerdem, dass ein Beginn der Impfaktionen „nicht übereilt" passieren dürfe. |
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Bundestagskandidatur: Müller gewinnt gegen Chebli |
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Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) wird für den Bundestag kandidieren. Im parteiinternen Machtkampf um die Kandidatur setzte sich Müller bei einer Abstimmung gegen Staatssekretärin Sawsan Chebli durch, die ebenfalls im Berliner Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf antreten wollte. Die rund 2500 SPD-Mitglieder in dem Bezirk stimmten online und per Brief jedoch mehrheitlich für den Bürgermeister. Chebli gab sich als starke Verliererin: „Ich werde Michael Müller voll unterstützen." Bei den
vergangenen beiden Bundestagswahlen ging das Direktmandat in dem Bezirk an die CDU. |
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WORÜBER HEUTE DISKUTIERT WIRD |
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„Wir befinden uns zu Beginn der kalten Jahreszeit in einer dramatischen Lage. Sie betrifft uns alle. Ausnahmslos“ – mit diesen eindringlichen Worten begann Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) heute Vormittag ihre dritte Regierungsansprache seit Beginn der Corona-Pandemie im Bundestag. Dabei machte die Kanzlerin ihre Position unmissverständlich klar: Die Lage gerät außer Kontrolle, wenn nicht sofort gehandelt wird und das mit strengen Maßnahmen.
Bereits jetzt seien die Gesundheitsämter an ihrer Belastungsgrenze, die Kontaktverfolgung häufig nicht mehr möglich, so Merkel. Die Zahl der intensivmedizinisch betreuten Fälle habe sich in den vergangenen zehn Tagen verdoppelt: „Eine solche Dynamik wird unsere Intensivmedizin in wenigen Wochen überfordern.“
Die Kanzlerin verteidigte daher die Maßnahmen, die sie und die Ministerpräsidenten am Mittwoch beschlossenen hatten: rigide Kontaktbeschränkungen und die Schließung von Gaststätten, Kultur- und Freizeiteinrichtungen bis Ende November. Schulen und Kitas bleiben geöffnet – „im Hinblick auf die überragende Bedeutung der Bildung“, wie Merkel betonte. Die Regeln bezeichnete sie als „geeignet, erforderlich und verhältnismäßig.“ Dabei gab sie jedoch auch zu: „Die Maßnahmen, die wir vereinbart haben, schränken die Freiheit ein.“ Doch Freiheit sei gerade auch Verantwortung
für einen selbst sowie für die Familie, für Kollegen, für die Gesellschaft.
Aber nicht nur die Kanzlerin wird deutlich, sondern auch ihre Kritiker. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) sagte, er „halte die aktuellen Beschlüsse in Teilen für rechtswidrig." FDP-Chef Christian Lindner warnte ebenfalls vor juristischen Risiken, die drohen würden „unsere parlamentarische Demokratie zu deformieren".
Uneins scheint man sich in der SPD zu sein. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sprach von einer „existentiellen Herausforderung" für Deutschland. Daher unterstütze die SPD-Fraktion die beschlossenen Maßnahmen, die „dringend erforderlich und verhältnismäßig" sein. Der Rechtsexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Fechner, hingegen warnt, dass Teile der Beschlüsse auf Bundesebene keinen Bestand vor Gericht hätten. Die SPD-Fraktion arbeite daher an einem Positionspapier, um den Abgeordneten im Bundestag mehr Mitspracherecht bei solchen Entscheidungen zu
geben.
Während ihrer Rede wurde die Kanzlerin mehrfach durch Zwischenrufe, vor allem aus den Reihen der AfD, unterbrochen. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble musste mehrfach einschreiten und um Ruhe bitten. AfD-Fraktionschef Alexander Gauland nannte in seiner Rede vor dem Parlament die Maßnahmen eine „Corona-Diktatur.“ Deutschland habe seine Freiheit zu mühselig errungen, „als dass wir sie an der Garderobe eines Notstandskabinetts abgeben".
In einem Punkt allerdings werden wohl alle Fraktionen der Kanzlerin zustimmen: „Der Winter wird schwer, vier lange, schwere Monate. Aber er wird enden“, so das Schlusswort von Merkels Regierungserklärung. | |
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WAS HEUTE NOCH WICHTIG WIRD |
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Quelle: Photo by Thierry Monasse/Getty Images |
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EU-Ratspräsident Charles Michel hat für den Abend alle Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Mitgliedsstaaten zu einer Videokonferenz eingeladen. Der Grund: Brüssel will die europäischen Corona-Maßnahmen besser koordinieren. Dazu gehört auch eine verbesserte Kontaktverfolgung über die Ländergrenzen hinaus. „Wir müssen jetzt eine Tragödie verhindern", sagte Charles Michel. „Jetzt zählt jeder Tag." EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte bereits in dieser Woche
mitgeteilt, dass Europäer sich darauf einstellen sollten, dass „Weihnachten dieses Jahr anders wird." | |
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Quelle: Ross D. Franklin/AP/dpa |
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Für seinen Wahlkampfauftritt in Arizona hat sich US-Präsident Donald Trump Unterstützung aus Europa geholt – und zwar den Chef der britischen Brexit-Partei, Nigel Farage (im Foto). Trump stellte Farage als einen der „mächtigsten Männer Europas" vor und bezeichnete ihn als „wirklich guten Freund". Farage sei für „sehr vieles, was in Europa passiert, verantwortlich", so Trump – alles „sehr positive Sachen". Farage wiederum lobte den Präsidenten als einen der am
„widerstandsfähigsten und mutigsten Politiker" der Welt. | |
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Ich wünsche Ihnen einen herbstsonnigen Nachmittag.
Sonja Gillert Head of Audio | |
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MEINE WELTPLUS-EMPFEHLUNGEN FÜR SIE |
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US-WAHLKAMPF GEFEIERTER GRENZZAUN WIRD ZUR TOTALEN BLAMAGE Der fast fünf Kilometer lange Eisenzaun an der Grenze zu Mexiko ist an einigen Stellen bereits marode, droht einzubrechen. Eine Blamage für Trump. Zum Artikel | |
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ZWEITER LOCKDOWN „DAS LOGISCHE DENKEN SEIN LASSEN" Der zweite Lockdown wird den Deutschen viel abverlangen. Wirklich schlüssig scheinen einige der Maßnahmen dabei nicht zu sein, schreibt der Autor. Zum Kommentar | |
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TÜRKEI UND FRANKREICH „ZWISCHEN ISLAMOPHOBIE, TÜRKEI- UND ERDOGAN-KRITIK" Der türkische Präsident Erdogan erklärt Kritik an ihm und seiner autoritären Politik gern zu Angriffen auf die Türkei oder alle Muslime weltweit, schreiben unsere WELT-Autoren. Zum Kommentar | |
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