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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Mittwoch, 02.10.2019 | Bewölkt und regnerisch, am Nachmittag trocken, 9-13°C. | ||
+ Der Senat ist beim Mietendeckel weit von einer Einigung entfernt + Genossen fürchten, Böhmermann könnte die SPD in eine Satirepartei verwandeln + Am Tag der Einheit ist in Disneyland Berlin alles so wie immer + |
von Anke Myrrhe |
Guten Morgen, jetzt gibt es richtig einen auf den Deckel. Jeder gegen Jeden heißt es inzwischen im Senat, Müller macht’s nicht mit Lompscher, die Grünen aber schon (irgendwie) – wird nun gesenkt oder nur gestoppt, oben gedeckelt oder unten und wenn ja, wie viel? Die senatsinterne Diskussion um den Mietendeckel scheint kaum vorangekommen zu sein in den vergangenen Wochen. Während die Linke-Stadtentwicklungssenatorin schon mit Ersparnissen von 2,2 Milliarden für Mieter in den nächsten fünf Jahren rechnet, eine „überschlägige Schätzung“ (Q: Berliner Zeitung), bekräftigte der Regierende gestern mehrfach: Eine Absenkung der Mieten wird es mit der SPD nicht geben. Frage an den Fachredakteur: Zerbricht die Koalition am Mietendeckel? Antwort: Nein, der Mietendeckel zerbricht an der Koalition. Frage an einen ranghohen Politiker: Was zerbricht, die Koalition oder der Mietendeckel? Antwort: Der Mietendeckel jedenfalls nicht... Fragt sich nur in welcher Form, denn niemand möchte am Schluss dafür verantwortlich sein, mit Deckelphantasien die Mieten noch schneller in die Höhe getrieben zu haben – und den Deckel dann wieder zu den schmutzigen Töpfen in den Schrank räumen. Fest steht: Die Stimmung im Senat ist schlechter denn je und es bleibt kaum Zeit, das Gesetz ordentlich zu verhandeln, wenn es im Januar in Kraft treten soll. Der Senat ist weit von einem Entschluss entfernt, der eigentlich am 15. Oktober fallen sollte (Problem: Müller ist da in Singapur). Und weil man sich ohnehin nicht einig ist, lässt man nun doch erst einmal den Rat der Bürgermeister Stellung nehmen. Schließlich werden die Bezirke die Sache umsetzen müssen, egal, wo der Deckel dann liegt. | |||
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Ach, und die Sache mit der Umsetzung löst dann ja häufig das Problem von ganz allein, Gesetz hin oder her. Eigentlich hätten wir gestern den ersten teildieselfreien Tag in Berlin erleben sollen. Dass Sie davon rein gar nichts gemerkt haben, liegt weder an Nase noch Nebenstraße: Die Schilder stehen immer noch nicht, und so lange sie nicht stehen, fährt hier jeder, wie er will. Verkehrswende vertagt, Bezirksamt verzagt: Die müssen ja auch bei Wind stehen bleiben! Bis das Fundament gegossen werden kann, ist der Boden wahrscheinlich gefroren und es dieselt durch bis zum Frühling. Wir richten gedanklich schon mal den Count-up ein. | |||
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Mit Terminen haben wir es bekanntlich nicht so in dieser Stadt, das gilt für Bürgerämter wie für Flughäfen. Zumindest um seinen alten Diesel anzumelden, braucht man einen solchen seit gestern nicht mehr. Moment, irgendwas stimmt doch da nicht: Keine Meldungen über abstürzende Computer, hängende Seiten, nicht-funktionierende Links? Mal ausprobieren. Für die Neuzulassung wird neben dem Fahrzeugbrief und einer gültigen Kfz-Haftpflichtversicherung ein Personalausweis mit Online-Ausweisfunktion benötigt samt Kartenleser oder App. Da fällt dem Alt-Dieselfahrer vor Schreck der rosa Lappen aus dem Handschuhfach. Der Fahrzeugbrief muss übrigens auch eine elektronische Kennung haben, die gibt es erst seit drei Jahren – da ist dann auch der letzte Diesel abgemeldet. „Das hat etwas mit Sicherheit zu tun“, sagte IT-Staatssekretärin Sabine Smentek gestern (Q: Abendschau). Wie häufig die Seite am ersten Tag genutzt wurde, ist unbekannt, evaluiert werden soll nach vier Wochen. Ungefähr dann gibt es übrigens den nächsten Termin im Bürgeramt (11. November) – falls Sie jetzt einen neuen Personalausweis brauchen. | |||
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Die Digitalisierung hat vorerst das Kammergericht am Kleistpark komplett lahmgelegt. Der Virenangriff in der vergangenen Woche war offenbar ein Trojaner, den ein Mitarbeiter im E-Mail-Anhang geöffnet hat, das gesamte Computersystem musste vom Netz genommen werden. Laut BZ müssen mehr als 40 Computer geschrottet werden (inkl. aller Daten), „das wird mehrere Wochen dauern“, wird eine Mitarbeiterin zitiert. Bis auf weiteres ist das Kammergericht nur telefonisch und postalisch zu erreichen. Brieftauben müssen allerdings durch die Sicherheitsschleuse am Eingang. | |||
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Jan Böhmermann hat es geschafft: Seit gestern Abend ist er SPD-Mitglied, Ortsverein Köthen. Generalsekretär Lars Klingbeil möchte gleich mit ihm Plakate kleben, doch Roland Mormann, Vorsitzender des zuständigen Kreisverbands Anhalt-Bitterfeld, wies in der Pressemitteilung auch auf Bedenken hin. „Die deutsche Sozialdemokratie hat 156 Jahre lang dafür gekämpft, dass Menschen ihre Meinung frei sagen dürfen“, sagte Mormann. „Aber wir sind eine Partei und keine Satireveranstaltung.“ Danke für die Klarstellung, da waren wir uns zuletzt ja nicht mehr so sicher. | |||
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Womit wir schon wieder beim Thema wären. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke würde die SPD zwar gerne in Spannendste Partei Deutschlands umbenennen, gestern war sie allerdings eher die Suchendste Partei Deutschlands. Vor der 20. Folge der großen Casting-Show („Wer wird Vorsitzender?“) irrten um 18 Uhr auffällig viele Genossen vorm Frauenhofer-Kongress-Zentrum in Potsdam herum. Irre gelaufen: Der Ort war zwar per Mail bestätigt, die Veranstaltung dann aber in die Biosphäre verlegt worden. Es kommentiert ein langjähriger Sozialdemokrat aus Zehlendorf: „Sie können es nicht.“ | |||
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Vor allem können sie sich nicht entscheiden. Bis zum Ende der Woche müssen die Landesverbände Kandidaten für den Bundesvorstand vorschlagen. In Berlin wollte Eva Högl ihren Platz frei machen für die Juso-Vorsitzende Annika Klose, was aber nicht allen in den Kram passte. Ergebnis? Dann treten wir einfach alle an! Sieben Genossen stehen derzeit auf der Berliner Kandidatenliste. Neben Klose sind das Michael Müller, Kevin Kühnert, Bettina König (MdA), Cansel Kiziltepe (MdB), Überraschung: Franziska Giffey und eine siebte Person. Heute um 18 Uhr gibt es eine Telefonkonferenz des Landesvorstands, denn die Sache ist äußerst peinlich: Die SPD-Führung hatte auf ihrer Klausurtagung gerade beschlossen, die Gremien zu verkleinern und den Parteivorstand um ein Viertel zu schrumpfen. Es kommentiert Roland Mormann, Vorsitzender des Kreisverbands Anhalt-Bitterfeld: „Wir sind eine Partei und keine Satireveranstaltung.“ | |||
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Und wo wir gerade bei geschichtlicher Aufarbeitung sind, schauen wir doch mal, was morgen so los ist, wenn die Stadt die Einheit feiert. Festmeile am Brandenburger Tor, Demos überall (siehe Berlin heute), der Fernsehturm feiert (siehe Zitat), die Mall of Berlin baut die Mauer wieder auf, kurz darauf wird die Friedrichstraße autofrei und Aktivisten wollen die Stadt lahmlegen. Also alles wie immer. Und wenn es Ihnen jetzt noch nicht Disneyland-Berlin-gagagigantisch genug ist, bitteschön: Wie uns an dieser Stelle bereits vor fünf Monaten aufgefallen ist (CP vom 29.4.), feiert Berlin den Mauerfall am Donnerstag schon mal vor, ist doch alles Einheitsbrei, das gilt selbstverständlich auch für die Musik: Dieter Bohlen, DJ Ötzi, Jürgen Drews, Roberto Blanco und Boney M. bringen die Halle am Ostbahnhof zum äh, singen? Am falschen Datum hat sich nichts geändert, aber damit die Mauer auch wirklich fällt, reist David Hasselhoff sicherheitshalber auch noch an (wir hatten es prophezeit!). Der singt allerdings drüben in der Schmelinghalle. I’ve been looking for Erleuchtung (dazu später mehr). | |||
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Aus der Reihe Ordnungsrufe im Abgeordnetenhaus heute Katina Schubert, Linke (35. Sitzung): … Sie können sich ganz sicher sein, dass wir diesem Antrag nicht zustimmen und auch keine Bundesratsinitiative einreichen werden, um diesem irrsinnigen Masterplan dieses irrsinnigen Bundesinnenministers Seehofer auch noch als Land Berlin zuzustimmen. … Präsident Ralf Wieland: Frau Kollegin Schubert! Sie haben einige Sachverhalte als irrsinnig bezeichnet. Das kann man so machen, aber den Bundesinnenminister als Person als irrsinnig zu bezeichnen, das halte ich für unparlamentarisch, und ich erteile Ihnen hiermit einen Ordnungsruf. [Beifall bei der CDU, der FDP und der AfD] Torsten Schneider (SPD): Solche Ordnungsrufe hört man gerne! | |||
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