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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Donnerstag, 29.08.2019 | Weiterhin heiß bei bis zu 30°C, hin und wieder bewölkt. | ||
+ In der Verwaltung für Stadtentwicklung gibt es Vorbehalte gegen den Mietendeckel + Bürgerämter haben weniger Mitarbeiter als 2017 + Behrendt und Polizisten streiten über Antidiskriminierungsgesetz + |
von Lorenz Maroldt |
Guten Morgen, Berlins zweitbeliebtestes Wappenzeichen nach dem Bären war bisher der Bierdeckel: Bernd Besoffski lässt darauf bei seinem Lieblingswirt anschreiben, der Finanzsenator bei den Banken, und sogar das komplette Marketingkonzept der Stadt hat darauf Platz: „Berlin bleibt anders“. Doch jetzt bekommt der Bierdeckel Konkurrenz – vom Mietendeckel. Ein Vorschlag dazu von Senatorin Katrin Lompscher hat die Stadt dermaßen erhitzt (gestern auf fast 35 Grad), dass heute im Abgeordnetenhaus ein heftiges Gewitter erwartet wird. Das schauen wir uns hier natürlich in einem kleinen Special schon mal genauer an - und gleich unsere erste Meldung könnte die Koalition einer Klimakatastrophe näherbringen. Ob auf dem Mietendeckel auch politische Schulden angeschrieben werden, muss sich dann zeigen: Politischen Sprengstoff birgt ein Papier zur Wohnungspolitik, das in der SPD und der Verwaltung kursiert und dort erregt diskutiert wird – die acht Seiten unter dem harmlos wirkenden Titel „Mietendeckel - Einige Hinweise“ offenbaren viel Insider-Wissen aus der Behörde und zeichnen ein verheerendes Bild der Vorbereitung auf den größten staatlichen Eingriff in den Wohnungsmarkt, den es in der Bundesrepublik je gab. Hier exklusiv zusammengefasst einige Auszüge: „Zur Bearbeitung“: 1) Angeblich halten alle mit der Materie befassten Juristen der Verwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen (SenSW) den Mietendeckel für rechtswidrig. 2) Eine rechtliche Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Gutachten fand nicht statt. 3) Das Eckpunktepapier stammt nicht aus der Verwaltung, sondern wurde direkt politisch erarbeitet. 4) Es wurden keine Stellungnahmen anderer Verwaltungen eingeholt (Justiz, Wirtschaft, Finanzen): „Deren Schweigen ist politisch gefährlich“. 5) Die weitere Bearbeitung erfolgt an der Verwaltung vorbei. „Was bisher nicht untersucht wurde“: 1) ob die sachlichen Voraussetzungen für einen Mietendeckel vorliegen – noch im Mai hieß es in einem internen SenSW-Papier: „Die gegenwärtige Situation rechtfertigt ein generelles Aussetzen von Mieterhöhungen nicht.“ 2) ob eine „verordnete Vermögens-Entwertung“ rechtmäßig ist. 3) ob verordnete Mietsenkungen gegen das Rückwirkungsrecht verstoßen. 4) ob die Modernisierungsbindung rechtmäßig ist. 5) ob die formale Gleichbehandlung aller Eigentümer und Mieter nicht „eine unzulässige Ungleichbehandlung“ darstellt und ein „Verstoß gegen das Übermaßverbot“ vorliegt. 6) ob die Maßnahmen tatsächlich zu einer Marktentspannung führen oder das Ziel nicht sogar verzögern oder verhindern. 7) ob Mietsenkungen „eine extensivere Bestandsnutzung bestärken, also bedarfserhöhend wirken.“ 8) ob „ein Deckel-Erfolg“ nach der beabsichtigten Aufhebung 2025 „durch sprunghafte Mieterhöhungen politisch zerstört“ wird. 9) Ob oder wie Verwaltung und IBB den erheblichen Mehraufwand stemmen können. Interessant ist auch die „Politische Bewertung“ (S. 7 u. 8): 1) Bei der Verbände-Anhörung wird keine größere Rechtssicherheit erreicht, weil es dort „Interesse an einem schlechten, weil angreifbaren Gesetz“ gibt. 2) Der Linken würde ein juristisches Scheitern nicht schaden, „weil sie auf das unzulängliche ‚herrschende System‘ verweisen würde“. 3) Für die SPD würde das Scheitern „ein weiterer Sargnagel sein, weil sie als ‚Erfinderin‘ des Deckels gilt und „als kommunalpolitische Versagerin dastehen würde“. 4) Für die Grünen wäre ein Scheitern „ebenfalls negativ“, weil sie mit den Ressorts Justiz und Wirtschaft beteiligt sind und für ihren Anspruch als führende Partei „nicht die genügende Kompetenz aufbringen“. „Schlussfolgerungen“: 1) „Das Projekt Mietendeckel muss ab sofort politisch und fachlich völlig anders angegangen werden als bisher. Zielkonflikte, Folgen und Nebenfolgen müssen sachkundig, ehrlich und transparent beschrieben werden.“ 2) „Der Mietenspiegel muss als Projekt des gesamten Senats begriffen werden und den bisher zu eng angelegten Ressortaktivitäten entzogen werden.“ Soweit die Auszüge aus dem o.g. anonymen Insider-Papier zur bisherigen Vorbereitung. | |||
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Unterdessen beharkten sich bei Twitter die Koalitionsabgeordneten Tobias Schulze (Linke) und Andreas Otto (Grüne) über die Frage, ob die Mietendeckel-Debatte Klassenkampf-Charakter hat – Auszüge: Schulze: „Ich verstehe auch nicht, warum immer noch so viele Kommentator_innen vom Ende des Neubaus reden. Neubau ist vom Mietendeckel explizit ausgenommen!“ Otto: „Einen Neubau zu planen, zu errichten, zu bewirtschaften und die Kredite abzuzahlen benötigt eine sichere Perspektive von ca. 30 Jahren. Ohne Enteignungsdebatten und Vertragseingriffe, die in die Pleite führen. So eine sichere Perspektive strömt unsere Koalition leider nicht aus.“ Schulze: „Wir regieren noch 30 Jahre? Dein Wort in Gottes Ohr! Abgesehen davon: Wir sind auch gewählt worden, um dem Mietenwahnsinn etwas entgegen zu setzen. Etwas Wirksames. Über die Details können wir gern streiten.“ Otto: „Absolut. Nur geht es mir dabei mehr um den atmenden Deckel, der den Wahnsinn stoppt. Weniger um Klassenkampf.“ Schulze: „Dass es dabei um Klassenkampf geht, ist ein interessegeleiteter Spin. Es geht um Rechtssicherheit.“ Otto: „Nach meiner Beobachtung gibt es sehr vielfältige Interessen und Äußerungen. Ist auch alles erlaubt. Ich befasse mich weniger mit irgendwelchen Spins als vielmehr mit nachhaltiger Politik.“ Schulze: „Gut, dann überlassen wir den Begriff Klassenkampf mal unseren Kritikern?“ Otto: „... und den Klassenkämpfern.“ | |||
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Zum Abschluss unserer heutigen Sendung „Mieten, Streiten, Wohnen“ noch ein Blick auf den „Homeday Preisatlas“, der die Durchschnittsmieten in den 96 Berliner Ortsteilen untersucht hat (Q II 19) – das für die Deckel-Debatte relevanteste Ergebnis: Nur in vier Berliner Kiezen liegen die Mieten unter der geplanten Obergrenze von 7,97 Euro – in Hellersdorf (7,90), Falkenberg (7,50), Marzahn (7,30) und Wartenberg (7,20). Wenn wir die Tabelle von oben betrachten, sehen wir, wo die drastischsten Mietsenkungen zu erwarten sind: in Tiergarten (14,00), Friedrichshain (13,60), Grunewald und Rummelsburg (13,00), Moabit und Hansaviertel (12,60) sowie in Dahlem (12,40). | |||
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Und wie geht’s dem Regierenden Bürgermeister? Der hat, wie zu hören war, trotz angespannter Lage auf dem Wohnungsmarkt ein neues Zuhause gefunden. Die vergangenen Tage verbrachte er allerdings in Peking, Senatssitzung und Koalitionsausschuss zum Mietendeckel fanden ohne ihn statt, dafür gab er aus der Ferne eine längere Erklärung zur Schwangerschaft einer Berliner Prominenten ab: „Mit großer Freude habe ich hier in der chinesischen Heimat der Pandas die tolle Nachricht aus dem Zoo erhalten, dass Meng-Meng schwanger ist. Das Daumendrücken der Berliner Tierfreundinnen und Tierfreunde wurde belohnt. Das schlagende Herz des Panda-Embryos auf dem Ultraschall ist ein gutes Zeichen. Jetzt hofft ganz Berlin auf ein schwarz-weißes Happy-End. Dafür wünschen wir Andreas Knieriem und seinem Zoo-Team alles Gute.“ Allerliebst… Bevor er vergangene Woche abhob, hatte der Regierende aber mal wieder gar keine große Freude – hier unter diesem Link können Sie nochmal einen heimlichen Blick hinter die Kulissen werfen. Aber was war bloß geschehen? Ok, hier die ganze Geschichte: Als Rechtsanwalt und Checkpoint-Gastautor Christian Schertz (bekannt aus der Serie „Gegendarstellung“) per dpa die Trennung von Ehepaar Müller bekannt machte, hatten wir ein paar Fragen: Wer beauftragte den Anwalt – die Privatperson Michael Müller oder der Regierende Bürgermeister? Und wer bezahlt ihn? Ist Christian Schertz weiterhin für die Senatskanzlei tätig? Und welche Kosten wurden dafür bisher fällig? Vertritt er dienstlich oder privat noch andere Mitarbeiter im Roten Rathaus? Wie können eventuelle Interessenkollisionen ausgeschlossen werden? Journalistischer Kleinkram, Routine, einfache Fragen, öffentliches Interesse. Eingang der Mail am nächsten Morgen. Die unmittelbare Folge? Siehe oben (Details aus Jugendschutzgründen zensiert). Die Fortsetzung: Direkt danach ließ Müller ein seit Langem mit uns für genau diesen Tag um 14 Uhr verabredetes Interview zur Wissenschaftspolitik platzen – ohne Angabe von Gründen. Tja, da müssen Sie leider noch ein wenig warten auf die Erfolgsbilanz des Regierenden Wissenschaftssenators. Wir haben die unverhofft freie Zeit unterdessen für eine kleine Straßenumfrage genutzt (lebendiger Lokaljournalismus!) – hier das Ergebnis: „Wie jedes gegen sich selbst einen Bezug hat, so muss es auch gegen andere ein Verhältnis haben.“ (Johann Wolfgang von Goethe) „Zusammenhänge nehmen dem Erlebnis die persönliche Giftigkeit oder Süße.“ (Robert Musil) „Wer anderen gar zu wenig traut, hat Angst an allen Ecken; wer gar zu viel auf andre baut, erwacht mit Schrecken.“ (Wilhelm Busch) „Humor ist der Knopf, der verhindert, dass uns der Kragen platzt.“ (Joachim Ringelnatz) Es kommentiert unser Kolumnist Otto von Bismarck: „Die Politik ist keine Wissenschaft, wie viele der Herren Professoren sich einbilden, sondern eine Kunst.“ Ach ja, fast vergessen – die Antworten auf unsere Fragen: „Die Senatskanzlei hat weder Rechtsanwalt Schertz noch dessen Kanzlei ein Mandat in o.g. Angelegenheit erteilt.“ „Die Senatskanzlei hat private Entscheidungen nicht zu bewerten.“ „Die Anwaltskanzlei Schertz/Bergmann ist eine in Berlin ansässige Rechtsanwaltskanzlei mit besonderer Expertise. Sofern diese Fach-Expertise benötigt wird, zählt Schertz/Bergmann zu dem Kreis der Kanzleien, die mandatiert werden.“ „Von den derzeit im Amt befindlichen vier Staatssekretären bzw. Staatssekretärinnen in der Senatskanzlei ist bisher lediglich Frau Staatssekretärin Chebli von der Rechtsanwaltskanzlei Schertz/Bergmann in dienstlichen Angelegenheiten beraten worden.“ Und hier die Vergütung, die Schertz/Bergmann der Senatskanzlei in den vergangenen Jahren in Rechnung stellte: 2016: 51.435,03 Euro 2017: 12.324,64 Euro 2018: 5.004,43 Euro 2019: 6.247,50 Euro | |||
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Interner Alarmbrief von Innensenator Andreas Geisel an alle Bezirksbürgermeister*innen (v. 28.8.) – es geht um die Situation in den Bürgerämtern. In ihren Richtlinien hatte die Koalition versprochen, dass alle Anliegen innerhalb von 14 Tagen erledigt werden können. Jetzt stellt Geisel fest, „dass sich nach einer Phase der Besserung die Bürgerämter derzeit von einer Stabilisierung des 14-Tage-Ziels weiter entfernen“. Die bittere Bilanz: 1) Die Chance auf eine Erledigung innerhalb der Frist lag „zeitweise bei unter 45 Prozent“. 2) Im Vergleich zum 1. Halbjahr 2018 „sank die durchschnittliche Terminverfügbarkeit um 16 Prozent“. 3) Mit Stand Juli 2019 waren in den Bürgerämtern 69 Vollzeitstellen unbesetzt – das ist rechnerisch die Besetzung „eines ganzen Bezirks“. 4) „Damit sind in den Bürgerämtern weniger Sachbearbeitende tätig als 2017“. 5) Wegen der Unterbesetzung werden „bis zu 14.000 Termine monatlich berlinweit“ weniger angeboten als nötig. Geisel fordert von den Bezirken „zügig Maßnahmen“ und bietet Unterstützung an. Die Einhaltung des 14-Tage-Ziels „genießt für den Senat besondere Priorität“ – am 19. September will der Senator das Thema beim Rat der Bürgermeister besprechen. | |||
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