| Guten Morgen,
mit ihrem Entwurf zum Mietendeckel lässt Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher in Berlin die Wände wackeln – auch die vom Roten Rathaus. Der Gesetzesentwurf geht in seiner Radikalität noch über das hinaus, was die Mieterverbände gefordert hatten. Manche meinen schon, in Konzeptpapieren der „Interventionistischen Linken“ von 2012 und 2018 („Rotes Berlin“) zur „Abschaffung des privaten Immobilienmarkts“ eine Art Handlungsanweisung für den Vorstoß entdeckt zu haben.
Doch die Maßnahmen wirken weder sozialistisch, noch sozial – die Champagnerkorken knallten am Wochenende ausgerechnet in den bereits durchgentrifizierten Kiezen und klassischen Wohlstandsgegenden, wo sich die gut situierten Bewohner teurer Altbauten auf drastische Mietsenkungen freuen dürfen. Denn als Maßstab für die Berechnung der Mietobergrenze (zw. 3,42 und 7,97 Euro) kommt es künftig auf das Alter des Hauses an – die Lage spielt keine Rolle mehr. Für schicke Gründerzeitbauten bis 1918 und Altbauten zwischen 1919 und 1949 dürften demnach maximal 6,03 Euro genommen werden – ein Traum (für diejenigen, die es sich noch leisten konnten)! Bei Immoscout z.B., wo derzeit 1300 Wohnungen in Häusern bis Baujahr 1920 angeboten werden, liegen 100 % der Angebote über dieser neuen Grenze, zum Teil sogar erheblich drüber (15 Euro und mehr). Ab Januar könnten nach ersten Schätzungen 50 Prozent aller Mieter in Berlin die Miete senken.
In den eher tristen Wohnblöcken der Großunternehmen fallen die staatlich verordneten Mietsenkungen dagegen eher moderat aus – der Wert der Immobilien wird dennoch sinken, was die Spekulation dämpft. Den landeseigenen Gesellschaften wiederum wird das Geld für Neubauten fehlen. Und knapp kalkulierende Kleinvermieter könnte schon ein geringer Einnahmeausfall in den Ruin treiben, wenn die Schulden nicht mehr aus dem Mietzins zu bedienen sind. Weitere Investitionen in die Substanz dürften sich die meisten selbst dann sparen, wenn noch etwas Spielraum bleibt – und dafür bei Neuvermietungen über Nebenleistungen die Hand aufhalten. Energetische Gebäudesanierung? Forget it. Dafür wird endlich der Preisturbo mittels möbliert vermieteter Wohnungen am bisherigen Mietspiegel vorbei entladen – die Obergrenze gilt auch dann, wenn ein Sofa in der Bude steht (gut für die Stadt, schlecht für die landeseigene Berlinovo, die damit prächtig verdient).
Zu den schnellen Gewinnern dieses Mietendeckels gehören neben Mietern (vorübergehend) und den Zwangsversteigerern (zunehmend) die Mietrechts-Anwälte – wenn die Vorlage überhaupt rechtens ist (die Opposition hat eine Normenkontrollklage angekündigt). Die Bezirksämter dagegen werden zusammenbrechen unter der Massenlast der Entscheidungen, die sie künftig zu treffen haben – z.B. auch über den Eigenbedarf (den bisher im Zweifel Gerichte entschieden). Ob die Mieter auch in ein paar Jahren noch glücklich sind?
Bei allen Widersprüchlichkeiten der Vorlage sollte allerdings nicht vergessen werden, was der Auslöser für all das war: die Spekulation und die Gier von Eigentümern, die Berlin innerhalb weniger Jahre drastisch verändert haben. Dass der Markt enger geregelt werden muss, zum Wohl der ganzen Stadtgesellschaft, die nicht weiter von einigen wenigen in die Segregation getrieben werden darf, ist ein Nenner, auf den sich eine große Mehrheit einigen kann. Dass dafür Häuser ruiniert werden, ist keine gute Idee. | |