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| | | | | | | das neue Jahr hat so begonnen, wie das alte aufgehört hat. Die Seuche hat sich bisher relativ wenig von den verschärften Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen beeinflussen lassen. Bedauerlicherweise zeigt auch das Mantra, es würden immer mehr Menschen geimpft, nur sehr bedingt Wirkung, was man sich von einem Zauberspruch (âooom, Licht am Ende des Tunnels, oooomâ) schon irgendwie erhoffte. Die üblichen Krawallmacher in den unsozialen Medien, in der Bild-Zeitung oder in Talkshows haben dafür das âImpf-Desasterâ entdeckt, weil sie ohne die wöchentliche Entdeckung eines neuen Desasters zu ruhig schlafen könnten. Ich habe mir vorgenommen, in diesem Jahr noch häufiger Menschen freundlich anzulächeln, die mir erklären wollen, wie, warum und wann die Welt untergeht, wenn ich nicht sofort, spätestens aber dienstags, mein Leben ändere.
Zu diesen Leuten gehört eindeutig der bayerische Ministerpräsident. Ich weiÃ, manche der Leserinnen und Leser dieses wöchentlich verschickten Textes ärgern sich, wenn ich immer wieder mal despektierlich über Söder schreibe. Nun geht es mir mit dem Söder ungefähr so wie Claude Monet mit den Seerosen, ohne dass ich mich mit Monet oder, fast noch absurder, Söder mit einer Seerose vergleichen möchte. Monet hat im Laufe seiner späteren Jahre etwa 250 Bilder gemalt, auf denen er sich mit den Seerosen im Teich seines Gartens in Giverny auseinandergesetzt hat. Oder nehmen wir Paul Cézanne. Wenn der in Aix-en-Provence aus dem Fenster schaute, hat er den Mont Sainte-Victoire gesehen und ihn, vielleicht folgerichtig, an die hundert Mal gemalt oder gezeichnet. Mir gehtâs ganz ähnlich: Wenn ich morgens das Radio oder abends den Fernseher einschalte, höre oder sehe ich Söder.
Vor ein paar Jahren ist bei einer Auktion eines von Monets Seerosen-Bildern für schlappe 50 Millionen Euro verkauft worden. Es kann sich also sogar lohnen, wenn man sich immer nur mit einem Thema auseinandersetzt. Markus Söder weià das. Er setzt sich auch immer nur mit einem Thema auseinander, nämlich mit der Seuche. Andere Politik macht er so gut wie nicht mehr. Bildung? Hauptsache, die Schüler tragen daheim FFP2-Masken. Rechtsradikale? Man muss wegen der âQuerdenkerâ aufpassen und FFP2-Masken tragen. Flüchtlingspolitik? Schauen wir mal, aber tragen wir FFP2-Masken.
In Amerika nennt man so was ein One Trick Pony, also ein Pony, das genau eine Fertigkeit, einen Trick beherrscht und deswegen berühmt geworden ist. Söder ist in diesem Sinne das One Trick Corona Pony der deutschen Politik. Wenn das mit der Seuche noch weiter anhält, könnte aus ihm sogar noch das One-Trick-Kanzlerkandidaten-Pony werden.
Weil es auch gut ist, wenn man sich immer wieder vor etwas Neuem fürchten kann, sind jetzt gerade die Mutationen des Virus im Kommen. Ich war schon als Kind ein groÃer Freund von Mutationen und Mutanten, über die ich damals in den Perry-Rhodan-Romanheften gelesen habe. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass Sie Perry Rhodan nicht kennen: Das ist eine bis heute laufende Science-Fiction-Serie, die von Ãbelmeinenden zu den Groschenromanen gerechnet wurde. Der namensgebende Held Perry Rhodan hatte eine Fülle auÃergewöhnlicher, unheimlich begabter Mitarbeiter â hatte ich als Chef nie Ââ, zu denen zum Beispiel Iwan Iwanowitsch Goratschin zählte, ein durch radioaktive Strahlung veränderter Mutant mit grüner Haut, einem Körper und zwei Köpfen. Goratschin war ein Fernzünder, der durch fokussierte Blicke seiner vier Augen sehr kleine, sehr begrenzte Nuklearexplosionen auslösen konnte. Das ist eine Fähigkeit, über die ich früher in der einen oder anderen Aufsichts- oder Herausgeberratssitzung gerne verfügt hätte.
Nun ist das Covid-Mutantenvirus deutlich weniger nützlich als Iwan Goratschin, aber leider ist es, wenn man dem One Trick Pony Trio Söder, Lauterbach und Spahn glaubt, unaufhaltsam auf dem Weg hierher. Man kann ihm nur entkommen, wenn man sich sofort impfen lässt, was aber nicht geht, weil man nicht zur ersten Risikogruppe gehört. AuÃerdem kann man sowieso keine Impftermine ausmachen, weil â siehe auch Impfchaos â das Online-Terminsystem gerade zusammengebrochen ist. Der Trost dabei lautet: Wenigstens funktioniert das Fernbeschulungssystem zumindest in Bayern auch schlecht.
Aber jetzt lassen Sie uns noch ein bisschen von etwas anderem reden, weil man sowieso dauernd von Corona redet. Vielleicht über Amerika und Trump? Ach nein, lieber nicht, denn die Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei Trump auch um einen Mutanten handelt, der ebenfalls Fernzündefähigkeiten hat, ist groÃ.
Dann vielleicht über die CDU, die bald einen neuen Chef wählt? Zündfähigkeit, egal ob fern oder nah, hat keiner der drei Kandidaten, aber die Möglichkeit, dass Friedrich Merz erst Chef und dann Kanzler wird, lässt selbst mich darüber nachdenken, ob es nicht besser ist, täglich den Mont Sainte-Victoire aus dem Fenster zu sehen. Nur mal als Gedankenexperiment: Irgendwer wird neuer Parteichef, die CDU bricht bei den Landtagswahlen im März in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ein, der Ruf nach dem One Trick Pony wird lauter, und plötzlich überlegt man sich in Bayern, ob die Ilse oder der Joachim oder jemand ganz anderer Nachfolger/in vom Pony werden soll. Solche Sachen gehen manchmal schneller, als sich das Virus verbreitet.
Jedenfalls stehen ereignisreiche Wochen bevor, selbst wenn man die weitgehend in moderater Ein-Haushalt-Haft verbringt. Das wird sich nicht so schnell ändern, leider. Sollte demnächst die 15-Kilometer-Regelung auch bei mir zuschlagen, muss ich mir noch ein groÃes Schild für das Rückfenster des Autos malen: âIch habâ zwar ein M-Kennzeichen, aber ich wohne da nicht.â Und dann muss man halt viel spazieren gehen. Bei mir in der Nähe gibt es einen Bauernhof, bei dem man auch Pferde einstellen kann. In den letzten Wochen habe ich bei den Ponys immer wieder mal geschaut, ob vielleicht eines einen Trick kann. Gesehen habe ich nichts, die standen nur rum und haben gefressen. Seerosen gibtâs bei uns auch nicht, und um die fernen Alpen zu malen, fehlt mir die Kunst, Dinge perspektivisch darzustellen. Also wartet man halt mal auf Merz oder auf das Pony.
Ãbrigens: Im letzten Brief zu Weihnachten hatte ich für jene, die es interessiert, ein Exemplar des Briefwechsels von Thomas Mann und Hermann Hesse ausgelobt. Fast 400 Leserinnen und Leser haben sich gemeldet, was mich nahezu gefreut hat. Wir haben die Gewinner ausgelost, und das Buch wird demnächst nach Altenmarkt geschickt. Das liegt im Landkreis Traunstein und ist immerhin der Geburtsort von Franz Xaver Kroetz. Je nachdem, wer zu Weihnachten dieses Jahr Kanzler oder Kanzlerin sein wird, wiederholen wir das mit der Buchverlosung vielleicht. Vielleicht auch nicht.
Kurt Kister
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