Ausgabe vom 24.01.2020

Moderates Wachstum vs. steile Kursanstiege

Moderates Wachstum vs. steile Kursanstiege
von Sven Weisenhaus

Nachdem sich mit den jüngsten Sitzungen der Notenbanken aus Japan und der Eurozone bestätigt hat, dass von der Geldpolitik auf absehbare Zeit (einige Monate) keine Impulse für die Börsen zu erwarten sind (auch die FOMC-Sitzung am 28./29.Januar dürfte keine spektakulären Neuigkeiten  bringen), standen heute mit den vorläufigen Einkaufsmanagerindizes (PMI) wieder verstärkt die Konjunkturdaten im Fokus. Allerdings können auch diese, wie bereits befürchtet, derzeit kaum Impulse liefern.

Deutsche Wirtschaft erholt sich langsam

Für Deutschland wurde ein Industrie-PMI mit 45,2 Punkten gemeldet, nach 43,7 im Monat zuvor. Damit scheint das Tief vom September 2019 zwar überwunden, doch bleibt das verarbeitende Gewerbe damit weiterhin unterhalb der Schwelle von 50 Punkten, ab der zukünftiges Wachstum signalisiert wird.

IHS Markit Einkaufsmanagerindex Deutschland Industrie

Die Wirtschaft ist somit nach wie vor zweigeteilt. Denn der Service-PMI steht aktuell bei 54,2 Punkten, nach 52,9 für Dezember. Die Dienstleister zeigen sich damit wieder sehr stark. Und die leichte Schwäche vom vergangenen Herbst scheint hier vollständig überwunden. Die Wachstumsschwelle von 50 Punkten geriet nie wirklich in Gefahr, da sich die Werte nach dem Rückgang im September kontinuierlich erholt haben.

IHS Markit Einkaufsmanagerindex Deutschland Dienstleistung

Die Konsensschätzungen lagen bei 44,5 bzw. 53,0 und wurden somit in beiden Fällen übertroffen. Das gilt auch für den Gesamt-PMI, der von 50,2 auf 51,1 Punkte zulegen konnte (Erwartung: 50,5) und somit nachhaltiger über die Wachstumsschwelle von 50 Zählern stieg.

IHS Markit Einkaufsmanagerindex Deutschland Composite (Industrie und Dienstleistung)

Eigentlich hätte es damit durchaus zu Kursgewinnen bei DAX & Co. kommen können. Doch diese hatten bereits im Vorfeld stattgefunden – der DAX war vom gestrigen Schlusskurs bis zur Bekanntgabe der Daten schon um mehr als 150 Punkte gestiegen – und so fielen diese nur noch moderat aus.

Euro-Wirtschaft wächst weiterhin moderat

Etwas weniger positiv fielen wenig später die Daten zur Eurozone aus. Hier legte der Industrie-PMI von 46,3 auf 47,8 Punkte zu.

IHS Markit Einkaufsmanagerindex Eurozone Industrie

Allerdings ging der Service-PMI von 52,8 auf 52,2 Punkte unerwartet stark zurück. Er blieb damit zwar komfortabel oberhalb der Wachstumsschwelle von 50 Zählern, doch dadurch verfehlte der Gesamt-PMI ebenfalls die Erwartungen (51,2 Punkte). Er konnte aber immerhin das Vormonatsniveau von 50,9 Punkten halten und blieb dadurch weiterhin oberhalb der wichtigen 50-Punkte-Marke.

IHS Markit Einkaufsmanagerindex Eurozone Composite (Industrie und Dienstleistung)

Damit setzt auch die Wirtschaft der Eurozone ihre Erholung fort. Mehr als das moderate Wachstum der vergangenen Quartale bahnt sich hier aber nicht an.

US-Wirtschaft läuft weiterhin besser

Deutlich besser schnitt erneut die US-Wirtschaft ab. Der Gesamt-PMI legte von 52,7 auf 53,1 Punkte zu und notiert damit so hoch wie seit März 2019 nicht mehr.

IHS Markit Einkaufsmanagerindex USA Composite (Industrie und Dienstleistung)

Grund dafür war, dass auch in den USA der Service-Sektor stark blieb, der mit 53,2 Punkten ein 10-Monats-Hoch erreichte, während die Industrie leicht schwächelt. Mit 51,7 Punkten (zuvor: 52,4) wächst aber auch dieser Wirtschaftsbereich noch ordentlich.

Aktienmärkte übertreiben

Insgesamt sind die Einkaufsmanagerdaten positiv zu werten und sie können Kursanstiege der Aktienmärkte begründen. Allerdings gehen die Geschwindigkeiten des Wirtschaftswachstums und des Aktienmarktanstiegs immer noch weit auseinander. Somit gilt weiterhin: Sowohl der Kurseinbruch Ende 2018 als auch der Kursanstieg seit Herbst 2019 stellen eine Übertreibung dar – insbesondere in den US-Indizes.

Aber dieses Phänomen hatte Börsenaltmeister André Kostolany durch seinen Vergleich mit dem Herrchen (Wirtschaft) und dem Hund (Börse) bereits anschaulich erläutert: Mal läuft der Hund seinem Herrchen hinterher (die Kurse übertreiben nach unten), mal rennt er voraus (die Kurse übertreiben nach oben).

KGV des S&P 500 am Hoch der 10-Jahres-Spanne

Aktuell sind die Aktienmärkte der Wirtschaft deutlich voraus und insbesondere in den USA extrem hoch bewertet. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des S&P 500 liegt inzwischen sogar am obersten Ende seiner 10-Jahres-Spanne.

Kursgewinnverhältnisse (KGV) der großen Aktienmärkte
(Quelle: Helaba)

Und daher werden sich die Aktienkurse wohl bald durch eine Korrektur dem Verlauf der Wirtschaft wieder annähern. Denn angesichts der aktuellen Einkaufsmanagerdaten, die ja nur ein moderates Wachstum signalisieren, ist nicht zu erwarten, dass die Wirtschaft derartig Tempo aufnimmt, dass sie die Lücke zur Aktienmarktbewertung schließen kann.


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Ihr
Sven Weisenhaus
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