Liebe Frau Do, Horst Seehofer hatte es ein „ganz konkretes Beispiel praktizierter Nächstenliebe“ genannt, 150 Minderjährige aus dem abgebrannten Flüchtlingscamp von Moria aufzunehmen. Das Gebot der Nächstenliebe stammt aus der Bibel, im Grundgesetz steht es aber nicht, wie mir ein Leser schrieb. Wie weit muss die Nächstenliebe gehen, wo findet sie auch Grenzen, und wer sind eigentlich unsere Nächsten in diesem Kontext? Es geht um einen Konflikt zwischen Moralität und Staatsräson, dem sich Bertram Müller in einem Essay widmet. Konkretes politisches Handeln lässt sich daraus nicht unbedingt ableiten, aber ein Kontext. „Abendland verpflichtet“, schreibt unser Autor. Für die SPD ist die Sache klarer. Sie setzt der Union ein Ultimatum. Die Koalition müsse sich schnell auf die Aufnahme weiterer Flüchtlinge einigen. "48 Stunden sind, glaube ich, ein ganz guter Maßstab angesichts der drängenden Herausforderungen", sagte Vizekanzler Olaf Scholz. Juso-Chef Kevin Kühnert wurde noch deutlicher. Wenn sich die Union nicht bewegt, solle Bundesinnenminister Seehofer „sein Amt an jemanden abtreten, der bereit ist, es verantwortungsvoll im Sinne Not leidender Menschen auszufüllen“. Jan Drebes und Eva Quadbeck haben diese und andere Stimmen in der Moria-Debatte zusammengetragen. Ein flammendes Bekenntnis zur Groko sieht anders aus. Das Ende der ungeliebten Koalition soll spätestens mit der Bundestagswahl in gut einem Jahr kommen – ob das wirklich bis dahin gutgeht? Jedenfalls werden die Grünen, die bei der NRW-Kommunalwahl so erfolgreich waren, bereits jetzt von fast allen Seiten mehr oder weniger heimlich umworben. Wie das die Stimmung verändert, hat Maximilian Plück mit Blick auf NRW recherchiert. Eine Schlüsselfigur ist dabei naturgemäß Armin Laschet, denn unabhängig davon, ob er Ministerpräsident bleiben oder Bundeskanzler werden will, hat er – jedenfalls aus heutiger Sicht – nur mit den Grünen eine Mehrheit. Ein Leser hat mir geschrieben, wir sollten nicht behaupten, in NRW seien relativ wenige Stimmen an Extremisten gegangen: „Auch der linke Rand, wo die Grünen stehen, ist extrem!“ Noch werden die Grünen also nicht von allen so bürgerlich wahrgenommen, wie sie sich geben. Wie das alles ausgeht, werden wir sehen. Denn die Demoskopie benutzt zwar exakte mathematische Verfahren, aber die Zukunft kann auch sie nicht vorhersehen. Wo die Prognosen vor der NRW-Wahl richtig lagen und wo nicht, hat Kirsten Bialdiga recherchiert. In zwei Rhein-Metropolen lief es bei den OB-Wahlen deutlich anders als erwartet: In Köln muss Henriette Reker (parteilos) nun doch in die Stichwahl, in Düsseldorf liegt Stephan Keller (CDU) fast acht Prozentpunkte vor Amtsinhaber Thomas Geisel (SPD). Heute Abend werden unsere Düsseldorfer Lokalchefin und ich den beiden Kandidaten in einem Streitgespräch auf den Zahn fühlen, die wesentlichen Punkte können Sie hier morgen nachlesen. In Düsseldorf war zudem die Briefwahl ein Ärgernis, mehr als 10.000 beantragte Stimmzettel sind nach neuestem Stand nicht beim Wahlamt angekommen. Dass so viele Menschen ihr Wahlrecht doch nicht wahrnehmen wollten, klingt nicht wahrscheinlich. Der IT-Branchenverband Bitkom und der Thomas Jarzombek, Digital-Beauftragter des Bundeswirtschaftsministeriums und Düsseldorfer CDU-Chef, fordern nun digitale Abstimmungsmöglichkeiten bei allen Wahlen in Bund, Ländern und Kommunen, wie Jan Drebes, Reinhard Kowalewksy, Nicole Lange und Mike Michel berichten. Ein Selbstgänger wird das sicher nicht – und das gilt auch für die anstehende Karnevals-Session. Wie kann das Feiern in Corona-Zeiten gestaltet werden, ist es überhaupt möglich? Ja, sagen die Karnevalisten, und haben jetzt dem Land NRW ein Konzept vorgelegt. Eine der Überlegungen: Das Hoppeditz-Erwachen am 11.11. wollen die Düsseldorfer Jecken stattfinden lassen - mit maximal 499 Teilnehmern. Am Freitag treffen sich Karnevalisten und Landesregierung dann zum Gipfel, um über das Konzept zu beraten. Mehr dazu lesen Sie hier. Die Corona-Krise beschäftigt in ganz anderer Angelegenheit auch die Münchner Staatsanwaltschaft. Sie ermittelt gegen eine Frau, die in Garmisch-Partenkirchen Menschen mit dem Coronavirus angesteckt haben soll, obwohl sie in Quarantäne hätte sein müssen. Der Vorwurf: fahrlässige Körperverletzung, darauf stehen im Höchstfall bis zu drei Jahre Haft. Nur dürfte es schwierig werden, die Tat nachzuweisen, wie Claudia Hauser im Fall der mutmaßlichen Superspreaderin berichtet. „Theoretisch kann jeder andere, der das Virus in sich getragen hat, andere angesteckt haben. Möglicherweise auch jemand, der gar nicht wusste, dass er infiziert ist, weil er noch keine Symptome hatte“, sagt der Kölner Strafverteidiger Bernhard Scholz. Ich hoffe, Sie entdecken an sich heute eindeutige Symptome der Tatkraft und des Glücks. Starten Sie gut in den Tag! Herzlich Moritz Döbler Mail an die Chefredaktion senden P.S.: Wenn Ihnen dieser Newsletter gefällt, empfehlen Sie die "Stimme des Westens" weiter! |