Münster und die Folgen | Die Corona-App | Liebe zählt
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Stimme
des Westens

Moritz Döbler

09. Juni 2020

Liebe Frau Do,

vor wenigen Tagen erst habe ich Sie mit dem Fall von Jörg L. aus Bergisch Gladbach konfrontiert, der sich ab Anfang Juli vor Gericht verantworten muss. Heute geht es wieder um Kindesmissbrauch, nämlich den Fall in Münster. Die Ermittler haben drei Jungen als Opfer identifiziert, elf Tatverdächtige festgenommen und gelöschte Videodateien wiederhergestellt, die unvorstellbare Taten dokumentieren. Von einer Spitze des Eisbergs ist die Rede, ein weitreichendes Täternetzwerk stehe dahinter. Hört das denn nie auf? Die CDU will nun drastischere Strafen ermöglichen. Noch-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer sagt, sie könne erst dann „so richtig stolz“ auf Deutschland sein, „wenn wir es schaffen, dass diese grausamen Verbrechen in unserer Gesellschaft nicht mehr stattfinden“. Den Stand der politischen Debatte zeichnen Gregor Mayntz in Berlin und Christian Schwerdtfeger in Düsseldorf nach. Das Wort von AKK empfinde ich persönlich aber in doppelter Hinsicht als schief. Bei allem richtigen Stolz auf die Errungenschaften dieses Landes wird es immer Anlass für Verbesserung geben. Selbst wenn solche grausamen Verbrechen nicht mehr stattfänden, wie AKK , Sie und ich es uns zutiefst wünschen, wäre längst nicht alles gut. Und ist es wirklich ein höheres Strafmaß oder nicht eher ein noch höherer Fahndungsdruck, der Täter abschreckt?

Und was hilft gegen das Virus? Ganz offensichtlich sind es Abstands- und Hygieneregeln, die Deutschland bisher relativ glimpflich durch die Pandemie gebracht haben. Doch die Sorge, eine zweite Welle könne uns drohen, besteht fort. Wichtig ist, die Kontakte von Erkrankten zurückverfolgen zu können, um weitere Ansteckungen zu verhindern. Deswegen müssen Gaststätten ihre Gäste erfassen, und deswegen soll in Kürze die Corona-App verfügbar sein. Warum er Gesundheitsschutz per App für ein Privileg hält, erklärt SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil in einem Interview, das Jan Drebes geführt hat. Wie die App genau funktioniert und welche Schwachpunkte sie aufweist, haben Jan Drebes und Eva Quadbeck recherchiert. Ein Allheilmittel ist sie nicht – dass bei den Downloads die Zielquote von 60 Prozent der Bevölkerung erreicht wird, muss als utopisch gelten, zumal sie nur auf neueren Handys funktionieren wird.

Utopisch ist wohl auch eine Welt ohne Rassismus. Seit dem gewaltsamen Tod des 46-jährigen Afroamerikaners George Floyd ringen die USA wieder einmal um den Umgang der weißen Mehrheit mit der schwarzen Minderheit. Donald Trump macht für die Massenproteste und Zwischenfälle „anarchistische und linksradikale Gruppen, die sich der Taktiken der Antifa bedienen“, verantwortlich. Dass es überhaupt eine solche Szene in den USA gibt, mag überraschend klingen. Unser Washington-Korrespondent Julian Heißler beschreibt, worauf sich der US-Präsident bezieht. Es lohnt sich hinzuschauen, auch wenn die Polizeigewalt gegen Schwarze aus meiner Sicht das größere Problem darstellt. Ich bin als Schüler vor fast 40 Jahren das erste Mal in die USA gereist, um ein Austauschjahr in St. Louis im Bundesstaat Missouri zu verbringen. Die bittere Wahrheit ist, das sich seitdem im Zusammenleben nur wenig grundsätzlich verbessert hat – das Land ist gespalten, vielleicht heute sogar mehr als damals.

Wie gespalten ist Düsseldorf eigentlich? Die Black-Lives-Matter-Bewegung ist auch hier angekommen, am Wochenende haben geschätzte 20.000 Menschen demonstriert. Und sonst? Wie steht die Landeshauptstadt in der Pandemie da, welche Aufreger gibt es neben der Umweltspur und den Gaslaternen? Vor der Kommunalwahl in gut drei Monaten diskutiere ich heute Abend mit den vier OB-Kandidaten darüber: dem Amtsinhaber Thomas Geisel von der SPD, Stephan Keller von der CDU, Stefan Engstfeld von den Grünen und Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP. Veranstalter sind die Düsseldorfer Jonges, die mich als Moderator eingeladen haben. Einen Livestream der Diskussion finden Sie ab 20.00 Uhr bei uns.

Vor kurzem ist Oliver Burwig zu unserer Kulturredaktion gestoßen, und heute liefert er eine Liebeserklärung an das Kino ab – oder vielmehr einen Liebesbrief. Und das, obwohl er schon vor Corona länger nicht ins Kino gegangen war. „Ich nehme es mir immer wieder vor, und dann verliere ich dich wieder aus den Augen“, schreibt der junge Redakteur nun an das liebe Kino. „Es ist ein bisschen wie mit den Anrufen bei den Eltern.“ Liebesbriefe sind ja etwas aus der Mode gekommen, seitdem es Whatsapp & Co. gibt, vermutlich erhalten Sie daher heute keinen. Aber lassen Sie uns trotzdem mit Liebe in den Tag starten – zu den Eltern oder zum Kino, zu wem oder was auch immer Sie wollen. Gönnen Sie sich einen Moment. Und wo wir schon dabei sind: Ich liebe meine Arbeit, die ich für Sie tun darf. Danke!

Herzliche Grüße!

Ihr

Moritz Döbler

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