NABU Newsletter

Berlin, 07. Mrz 2018



Liebe Leserinnen und Leser,

nach einem ermdend langen Marathon der Regierungsbildung scheint nun der Weg frei - fr eine neue Groe Koalition. Es fllt uns schwer, dabei einen echten Aufbruch erkennen zu knnen. Und doch haben wir uns den Koalitionsvertrag nher angesehen und dabei einige interessante Punkte gefunden, die zumindest Chancen erffnen. Chancen fr wirksame Manahmen zur Rettung der biologischen Vielfalt und fr den Wandel der Landwirtschaft. Dazu gehren aber drei Dinge, die die neue Regierung an den Tag legen muss. Erstens: Mut statt Aussitzen von Entscheidungen, die nicht allen gefallen, die sich in Zukunft aber umso mehr fr die ganze Gesellschaft auszahlen. Ob es um die Luftreinhaltung in Stdten geht oder das das Umsteuern bei den Agrarsubventionen. Zweitens: Transparenz und die Einbeziehung aller betroffenen Akteure statt Hinterzimmerdeals - wie zum Beispiel beim knftigen Umgang mit Pestiziden. Und drittens: Eine Vorreiterrolle fr eine naturvertrgliche EU-Politik - zum Beispiel beim Einsatz fr einen EU-Naturschutzfonds. Dieser darf fr die GroKo kein Papiertiger bleiben.

Viel Spa beim Lesen wnscht Ihnen

Ihr Leif Miller
NABU-Bundesgeschftsfhrer


Inhalt

1. Vom Schweigen der Politik zum "Silent Spring"
2. NABU klagt gegen Bau von Nord Stream 2
3. EU-Konsultation zur Bestuber-Initiative: Jede Stimme ist gefragt!
4. Fachtagung zum Star, Vogel des Jahres 2018
5. Mutig vorangehen: Was die neue Bundesregierung nun tun muss




1. Vom Schweigen der Politik zum "Silent Spring"

Am 23.2. trafen sich in Brssel die Staats- und Regierungschefs der EU, um erstmals auf hchster Ebene ber den knftigen EU-Haushalt zu verhandeln. Dabei ging es um nichts weniger als die Frage, wie etwa 1000 Milliarden Euro in den Jahren 2021-2027 ausgegeben werden sollen. Daran wird sich auch entscheiden, wohin sich die Landwirtschaft der Europischen Union knftig entwickeln wird - und ob es Hoffnung auf Rettung fr die Artenvielfalt in der EU gibt. Das bisherige Schweigen der Regierungen gerade zum dramatischen Insektensterben ist ohrenbetubend. Zusammen mit Partnern von ber 130 Organisationen aus allen Mitgliedstaaten der EU forderte der NABU daher parallel zum Gipfel bei einer Aktion in Brssel "mehr Geld fr die Natur im EU-Haushalt". Das Ergebnis des Gipfels zeigte jedoch vor allem die gegenstzlichen Positionen der Mitgliedstaaten ber die Frage zur Hhe des knftigen Budgets. Wie diese Gegenstze gelst werden knnen, bleibt vorerst unklar und es ist zu befrchten, dass in diesem Streit ums Geld das Schweigen der Politik zum dramatischen Rckgang der Biodiversitt weiter anhlt. Umso wichtiger ist es, dass die europischen Umwelt-NGOs und die gesamte Zivilgesellschaft weiter Druck auf die Regierungen ausben.

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2. NABU klagt gegen Bau von Nord Stream 2

Ende Januar verffentlichte das Bergamt Stralsund den Planfeststellungsbeschluss fr die umstrittene Gaspipeline Nord Stream 2. Damit genehmigte es zugleich auf rund 50 Kilometern Lnge massive Eingriffe in gleich vier Schutzgebiete. Besonders brisant: Die Prognose der Umweltauswirkungen ist nicht nachprfbar, denn entscheidende Gutachten sind unter Verschluss. Das ist ein klarer Verfahrensfehler, aber nicht der einzige: Eine juristische Prfung hat ergeben, dass die Umweltvertrglichkeitsprfung nicht vollstndig durchgefhrt wurde. Der NABU befrchtet zudem viel schwerwiegendere Umweltauswirkungen als in den Nord Stream 2 Antragsunterlagen behauptet und sttzt sich dabei auf mehrere Gutachten etwa zu Meeresvgeln, Makrophytenvorkommen, Flussneunaugen und Schweinswalen. Um zu verhindern, dass in Schutzgebieten vorschnell Tatsachen geschaffen werden, die die Meeresumwelt irreparabel schdigen, hat der NABU jetzt Klage eingereicht.

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EU-Konsultation zur Bestuber-Initiative: Jede Stimme ist gefragt!

Es ist auerordentlich begrenswert, dass mittlerweile auch die EU-Kommission den Insektenrckgang als ein wichtiges Handlungsfeld erkannt hat. Die Bestuber-Initiative verfolgt den Zweck, politische Manahmen der EU in Bezug auf Bestuber zu steigern und dem Thema mehr Aufmerksamkeit zu verleihen. Auch wenn jeder Mitgliedstaat eigene Akzente setzen kann, liegt es auf der Hand, dass die Wirksamkeit von Manahmen zur Bekmpfung des Insektenrckgangs stark von politischen Weichenstellungen auf EU-Ebene abhngt. Man denke allein an die Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik, das Pestizid-Zulassungsverfahren oder die Umsetzung der EU-Naturschutzrichtlinien, insbesondere des Natura-2000-Netzwerks.

Obwohl die Datenlage zu Insekten auf EU-Ebene noch viel dnner ist als beispielsweise auf Bundesebene, geben die bekannten Auswertungen gengend Anlass zur Sorge. So ist die Verbreitung einzelner Schmetterlingsarten ber einen Zeitraum von 25 Jahren durchschnittlich um elf Prozent zurckgegangen. Diese Entwicklung entspricht auch dem European Grassland Butterfly Indicator, der seit den 1990er Jahren einen starken negativen Trend aufweist und um fast 60 Prozent eingebrochen ist. Auch Wildbienen sind betroffen: EU-weit werden ber neun Prozent der Arten als gefhrdet eingestuft, weitere fnf Prozent sind kurz davor, und fast acht Prozent der Arten weisen abnehmende Populationen auf. Die Dunkelziffer ist riesig und die Vermutung plausibel, dass die Vielfalt und Hufigkeit der Insekten auch EU-weit, ja sogar europaweit stark zurckgeht.

Damit der EU-Kommission die Bedeutung einer Bestuber-Initiative verdeutlicht wird und von vornherein wirksame Lsungsanstze verfolgt werden, ruft der NABU zur bundesweiten Teilnahme an der ffentlichen Konsultation auf. Um Interessierten eine Teilnahme zu erleichtern, wurden hierzu Antwortempfehlungen unter www.NABU.de/EU-Konsultation eingestellt. Auf der Website steht auch ein NABU-Forderungspapier zur Verfgung, das bei der Umfrage als Anhang beigefgt werden kann. Eine Teilnahme ist noch bis zum 5. April 2018 mglich.

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Zu den Antwortempfehlungen des NABU und der EU-Konsultation



4. Fachtagung zum Star, Vogel des Jahres 2018

Der Star ist eine der hufigsten heimischen Vogelarten und den meisten Menschen sehr vertraut. Die Art besiedelt unsere Stdte und Kulturlandschaften, mancherorts bildet er beeindruckende Schwrme. Doch diese werden kleiner. Aktuelle Bestandsrckgnge gerade der hufigen Arten zeigen sich beim Star besonders deutlich. Seit Anfang der 1990er Jahre ist sein Bestand um ber ein Drittel zurckgegangen.

Auf der Fachtagung zum Vogel des Jahres am 17. Februar in Hamburg mit dem Titel "Der Star - Rckzug eines Allerweltsvogels" wurden gezielt die Rckgangsursachen ins Blickfeld genommen. Durch die Fachbeitrge konnte untermauert werden, dass die Intensivierung der Landwirtschaft mit dem Rckgang von Weideland und dem allgemeinen Insektenschwund eine Hauptursache ist. Doch auch verfgbare Fruchtgehlze und gnstige Brutbedingungen, wie am Beispiel Hamburg vorgestellt, mssen vorhanden sein.

Ein Erklrungsversuch fr den besonders starken Rckgang zwischen 2002 und 2006 bot die Betrachtung der Bestandsentwicklung von Vogelarten, deren Ansprche sich hinsichtlich Nahrung und Habitat denen des Stares hneln. Am eindeutigsten gelang dies bei der Wacholderdrossel, die im gleichen Zeitraum eine deutliche Bestandsabnahme aufwies. Star und Wacholderdrossel nutzen bevorzugt Weiden als Nahrungsgrnde, da sie in der Brutzeit ihre Jungen mit Bodeninsekten versorgen, die auf Weiden durch Dung der Weidetiere angezogen werden und durch das kurze Gras gut erreichbar sind. Die zunehmende Stallhaltung von Rindern mit einhergehendem Rckgang der Weidenutzung und Umwandlung des Grnlandes als Anbauflchen, knnte also eine wesentliche Rckgangsursache sein. Dahingehende Untersuchungsergebnisse aus Dnemark zeigten dies eindrucksvoll. Die Abnahme des Stars vor allem im Nordwesten Deutschlands, der viehreichsten Region bei uns, macht die Ergebnisse aus Dnemark vergleichbar. Untersuchungen vor allem zu temporren Vernderungen der Nutztierhaltung in Deutschland, aber auch zu Tiermedizinrckstnden im Dung sind aus Sicht des NABU sinnvoll. Zwingend notwendig ist indes ein Umsteuern in der Agrarpolitik hin zu einer Honorierung von Artenerhalt und Reduzierung von Umweltgiften.

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Zum Kurzbericht und den Vortrgen der Tagung



5. Mutig vorangehen: Was die neue Bundesregierung nun tun muss

Das lange Warten hat ein Ende: In Deutschland gibt es wieder eine handlungsfhige Regierung. Und entschiedenes Handeln ist das, was nun von der GroKo auch und gerade fr Umwelt- und Naturschutz erwartet wird. Dabei bleibt der Koalitionsvertrag leider deutlich hinter den Erfordernissen des Natur-, Umwelt- und Klimaschutzes zurck. Er lsst vermissen, dass sich Nachhaltigkeit konsequent durch alle Ressorts zieht. Die neue Bundesregierung will unsere Schpfung bewahren und die natrlichen Ressourcen schtzen. Um das zu erreichen und neue Skandale, wie die vergangenen um Glyphosat und Diesel zu vermeiden, muss und kann sie Ansatzpunkte im Koalitionsvertrag nutzen, um mutig voranzugehen: Ziel muss es sein, die Klimaschutzziele zu erreichen, wieder eine Vorreiterrolle in der EU einzunehmen und in wichtigen Bereichen wie etwa Landwirtschaft, Verkehr und Klimaschutz die jetzt anstehenden Wenden im Sinne von Mensch und Natur zu gestalten. Dabei gilt es, alle wichtigen Akteure, auch in den hochrangingen Gremien, einzubeziehen und Forschung, Wirtschaft und Innovation konsequent nachhaltig auszurichten. Welche konkreten Manahmen nun kommen mssen und wo die Koalition noch nachbessern muss, hat der NABU in seiner Kommentierung bezglich des Umwelt- und Naturschutzes im Koalitionsvertrag festgehalten.

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NABU-Bewertung des Koalitionsvertrages 2018



NABU-Zahl des Monats Mrz:

Mindestens ein Drittel der Insektenarten in Deutschland sind gefhrdet

Eine aktuelle Auswertung durch den NABU zeigt, dass 33 Prozent aller auf der bundesweiten Roten Liste aufgefhrten Insektenarten (7367 Arten sind erfasst) als gefhrdet oder ausgestorben eingeordnet sind. Schmetterlinge und Wildbienen sind davon ebenso betroffen wie Schwebfliegen, Laufkfer oder Heuschrecken.

Wie gravierend der Insektenrckgang tatschlich ist, lsst sich dabei nur schwer einschtzen. Der Grund: Es mangelt an Daten. So wurden neun Prozent der gelisteten Arten noch gar nicht bewertet, da zu ihnen nur unzureichende Daten vorliegen. Doch viel beunruhigender ist, dass von den etwa 33.000 in Deutschland vorkommenden Insektenarten nahezu 80 Prozent berhaupt nicht auf der Roten Liste stehen - ber einen Groteil der Insekten liegen demnach keinerlei Daten vor.

Die knftige Bundesregierung muss das im Koalitionsvertrag aufgenommene "Aktionsprogramm Insektenschutz" zgig mit konkreten Manahmen in die Tat umsetzen. Des weiteren muss ein dauerhaft und bundesweit angelegtes Monitoring-Programm ins Leben gerufen werden, damit das Wissen ber den Zustand von Insekten und die genauen Ursachen ihres Rckgangs erforscht werden knnen.



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