Neue Corona-Hilfen | Die 2. Welle | Bier ohne Ende
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Stimme
des Westens

Moritz Döbler

23. April 2020

Liebe Frau Do,

bis spät in die Nacht haben die Spitzen der großen Koalition gerungen, CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer sprach anschließend von „sehr intensiven Verhandlungen“. Am Ende steht aber eine Einigung in mehreren Streitpunkten: Das Kurzarbeitergeld wollen die Koalitionäre in der Corona-Krise erhöhen, auch die von vielen Gastronomen geforderte Entlastung bei der Mehrwertsteuer soll es geben. Hier lesen Sie die Übersicht der Beschlüsse.

In NRW werden die Corona-Maßnahmen kräftig gelockert: Heute geht in den Schulen der Unterricht in den Abschlussklassen wieder los, am Montag dürfen alle Geschäfte unter Auflagen öffnen. Zugleich gilt ab Montag beim Einkaufen und in Bus und Bahn eine Maskenpflicht. Na ja, nicht ganz – laut Landesregierung reicht auch ein Schal. Kommen die Lockerungen zu früh? Werden wir zu lax? Mein Kollege Philipp Jacobs hat sich in seiner Analyse mit der zweiten Pandemie-Welle beschäftigt, vor der viele Experten warnen. Bei der Spanischen Grippe vor rund 100 Jahren war die zweite Welle die weitaus verheerendere.

Verstehen Sie mich nicht falsch. Die bisherigen Einschränkungen sind für viele Menschen schwer zu ertragen, das ist mir bewusst. Eine davon ist Nele Flüchter, die mit ihrem Mann und zwei kleinen Kindern in Düsseldorf lebt und arbeitet – beide Eltern sind im Home Office. Wie sie die Krise erlebt, hat meine Kollegin Maren Könemann aufgeschrieben. Schwer zu ertragen ist auch, dass die wichtigsten Menschen im Kampf gegen die Pandemie schlecht bezahlt werden: Unser Politikchef Martin Kessler kritisiert das blamable Gezerre um mehr Geld für die Pflegekräfte in seinem Kommentar.

Gut durch die Krise kommt Vodafone, wie der neue Deutschlandchef Hannes Ametsreiter meinem Kollegen Reinhard Kowalewsky in einem Interview berichtet. Zum einen telefonierten die Menschen 50 Prozent mehr, zum anderen beschleunige sich die Digitalisierung gerade. Eine andere Branche leidet dagegen unter der Krise: Die Brauer bleiben auf ihrem Bier sitzen, wie Georg Winters berichtet. Der Tag des Bieres in einer Woche sei in diesem Jahr ein Tag zum Wehklagen statt zum Feiern, heißt es bei einem Hopfenhändler.

Das liegt auch daran, dass die Kneipen zu sind und es keine Volksfeste mehr gibt. Für die Brauchtumsvereine in NRW soll es allerdings bald Finanzhilfen geben, wie mein Kollege Maximilian Plück recherchiert hat: „Nicht wenige Vereine“ kämen durch die Pandemie in Schwierigkeiten, heißt es in dem einstimmig von CDU und FDP verabschiedeten Antrag. Die Hilfen seien „unverzichtbar für den gesellschaftlichen Zusammenhalt“. Die Kosten sind unklar, es ist von Millionen die Rede.

Apropos Geld. Gestern war hier davon die Rede, wie Italien in die Zwickmühle gerät und wie sehr schwer sich die EU mit Hilfen tut. Nach Ungarn, ebenfalls Mitglied der Staatengemeinschaft, könnte nun besonders viel Geld aus den Corona-Töpfen fließen, wie unser Korrespondent Ulrich Krökel berichtet – und das obwohl Ministerpräsident Viktor Orbán gänzlich uneuropäisch wie ein Diktator regieren kann. Der deutsche Außenminister Heiko Maas fand übrigens noch vor drei Wochen die Einschränkung der Grundrechte inakzeptabel und forderte finanzielle Konsequenzen.

Auf einen weiteren Diktator stoßen Sie in einem fröhlichen Interview mit der Autorin Katja Eichinger (ja, das ist die Witwe des Filmemachers), das mein Kollege Philipp Holstein geführt hat. Der gute Geschmack sei ein übel gelaunter Diktator, hat sie in ihrem neuen Buch geschrieben. In dem Interview ergänzt sie, dass er einem jeden Tag eine Revolution ermögliche.

Vielleicht lohnt es sich bei all dem tatsächlich, die Grenzen des guten Geschmacks auszutesten. Jedenfalls wünsche ich Ihnen einen revolutionär schönen Tag.

Herzlich

Ihr

Moritz Döbler

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