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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Freitag, 17.01.2025 | früh Nebel, dann leicht bewölkt bei 0 bis 3°C. | ||
+ Der Gendarmenmarkt ist fertig saniert + Schülerinnen und Schüler erheben schwere Vorwürfe nach Gewalt an der Bergius-Schule + Sänger André Herzberg ist zurück in „Pankow“ + Berlinale startet mit Verlängerun + Alle lieben die Stadtreinigung + |
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von Robert Ide |
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Guten Morgen, Frieden und Freiheit – am Ende gibt es nichts Wichtigeres. Die Menschen im Nahen Osten können nun ein wenig darauf hoffen. Viele Berlinerinnen und Berliner bangen mit, dass die vereinbarte Waffenruhe wirklich ab Sonntag und danach noch lange hält, dass noch mehr Geiseln lebendig freikommen, dass die Häuser und Krankenhäuser wieder aufgebaut werden. Zu ihnen gehört Oz Ben David, selbst Israeli und gemeinsam mit dem Palästinenser Jalil Dabit Inhaber des israelisch-palästinensischen Restaurants „Kanaan“ in Prenzlauer Berg. „Der Deal ist ein ermutigendes Zeichen und Luft in unser aller Lungen“, sagt der 43-Jährige am Checkpoint-Telefon. „Aber die Geschichte hat gezeigt, dass wir erst feiern können, sobald die Waffenruhe tatsächlich hält.“ Zahlreiche Freunde und ehemalige Mitarbeitende Ben Davids leben in Gaza. Dort befindet sich auch der Leichnam seines Cousins, der nun endlich überführt werden könnte. „Es wäre ein Abschluss, den meine Familie nach diesem furchtbaren Jahr dringend braucht – so geht es auch vielen Menschen in Israel.“ Und ebenso fühlen wohl viele Menschen in Berlin. Die Stadt müsse nach 15 Monaten Krieg ebenfalls einen Weg der Versöhnung suchen, sagt Ben Davids, damit die Communities wieder zur Ruhe und zueinander finden können. Im israelisch-palästinensischen Restaurant, das im vergangenen Sommer Opfer eines politisch motivierten Anschlags geworden war, wird weiterhin für die Verständigung und gegen den Hass angekocht. Ben Davids Wunsch lautet: „Wir müssen den Schmerz und die Verletzungen heilen, die an die Oberfläche gekommen sind.“ Damit der Frieden auf Dauer eine Chance hat. | |||
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Es ist Berlins schönster Platz. Aber wann ist man als Berlinerin oder als Berliner zum letzten Mal schön drüberspaziert? Das ist schon viel zu viele Monate her. Kein Wunder, wurde doch der Gendarmenmarkt mehr als zwei Jahre lang aufwändig und raumgreifend saniert. Der von Französischem und Deutschem Dom sowie dem Konzerthaus eingerahmte Stadtplatz von Welt hat eine unterirdische Infrastruktur für Strom sowie für Trink- und Schmutzwasser bekommen. Nun müssen alle technischen Anlagen „und die sieben Tonnen Natursteinbeläge abschnittsweise auf Funktion und Sicherheit geprüft werden“, wie das landeseigene und für die Sanierung zuständige Unternehmen „Grün Berlin“ auf Checkpoint-Anfrage schreibt. Nach erfolgreicher Abnahme soll der Platz inmitten von Mitte an den Bezirk übergeben werden und dürfte „voraussichtlich im Februar vollständig freigegeben“ sein. Dann wird Berlin wieder laufend schöner. | |||
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Andauernd schlimmer wird die Lage an der Friedrich-Bergius-Schule in Friedenau. Zwei Monate nach dem Brandbrief der Lehrerinnen und Lehrer wegen ständig eskalierender Gewalt ist nichts passiert – außer: noch mehr Gewalt. Diese gipfelte wie gestern hier berichtet in einer Treibjagd von fast 100 Personen auf einen Siebtklässler, der sich in einen nahen Supermarkt retten musste. Nun muss die Polizei die Sicherheit der Schule schützen, am Donnerstag patrouillierte sie am Eingang und in den Nebenstraßen. Soll das nun der neue Dauerzustand werden für eine abgestürzte Schule, die von Kindern bevölkert wird, die andernorts keinen Platz bekommen haben, oft nicht so gut Deutsch können und hier teilweise aus berüchtigten Clan-Familien kommen? Von der Politik, die nach dem Brandbrief noch im Dienstwagen vorfuhr, kommen statt konkreter Hilfen nur konkrete Schuldzuweisungen. Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) zählte im Abgeordnetenhaus die überforderte Schulleiterin öffentlich an, diese habe Hilfsangebote nicht angenommen. Dabei hatte diese selbst den Hilferuf mitunterzeichnet. (Kommentar von Anke Myrrhe hier). Die Vorsitzende des bezirklichen Schulausschusses, Martina Zander-Rade (Grüne), wies die Darstellung der Senatorin als „irreführend“ und „unangebracht“ zurück. Die konkreten Hilfsbedarfe für mehr Personal in der Schule seien zwar angemeldet, aber schlicht nicht erfüllt worden. Bei den Schülerinnen und Schülern herrscht dagegen eine ganz andere Wahrnehmung vor: Nicht wenige von ihnen beklagen ein System der Unterdrückung. So beginnt der Unterricht hier bereits um 7:30 Uhr, nicht wie an den meisten anderen Schulen in Berlin üblich um 8 Uhr oder gar 8:30 Uhr. Manche Kinder haben frühmorgens einen Schulweg von einer Stunde quer durch die Stadt, immer wieder fällt die S-Bahn aus. Wer aber nur zwei Minuten zu spät ankomme, komme nicht mehr in die Schule hinein, erzählten Schülerinnen und Schüler unserer Reporterin Saara von Alten. „Der muss klingeln und wird vom Hausmeister für den Hofdienst eingetragen.“ Zudem berichteten 30 bis 40 befragte Schülerinnen und Schüler, dass der Umgang ihnen gegenüber oft abschätzig sei, der Ton harsch, unfreundlich und zum Teil rassistisch, die Strafen bei kleinsten Vergehen seien rigide. Ausdrücke wie „Halt die Klappe“ und „Verpiss Dich“ gehörten demnach offenbar zum Ton der Lehrerschaft; die Schulleitung wollte sich dazu nicht offiziell äußern (ausführlicher Report hier). Eine Versammlung mit allen Schülerinnen und Schülern sowie den Lehrkräften hat es an der Schule seit dem Brandbrief noch nicht gegeben. Zu einer Sitzung der Gesamtelternvertretung Mitte Dezember erschienen die zuständigen und eingeladenen Mitarbeiter der Schulaufsicht einfach nicht. Da muss man sich schon fragen: Wer hat in Berlin eigentlich die Aufsicht über die Schulaufsicht? Und vor allem: Warum werden Heranwachsende, die schulische und auch charakterliche Bildung nötig haben, selbst in Schulen sich selbst überlassen? Wenn der Staat seinen ureigensten Aufgaben für angemessene Bildung und ausreichende Sicherheit nicht gerecht wird, lässt er Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler sowie Eltern allein. Und die Stadt im Stich. | |||
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Er ist Berliner, er ist Ostdeutscher, er ist Jude, er ist Schriftsteller – vor allem aber ist André Herzberg ein mitreißender Sänger. Mit seiner Band „Pankow“ machte er in der DDR mit verbotenen Liedern Furore, nach der Einheit wurde es lange ruhig um ihn, die Band brach wegen eines Stasi-Falls auseinander. Ab heute geht der 69-Jährige, der wieder in Pankow wohnt, mit „Pankow“ auf Abschiedstournee. Ich habe mit ihm über das Leben im Osten, den Absturz als Star sowie den Wandel Berlins geredet. Lesen wir mal kurz rein: Herr Herzberg, in der DDR waren Sie ein Star, danach sind Sie ins Nichts gefallen. Nun geht’s auf Abschiedstour. Ist das auch ein Abschied von der DDR? Die DDR wird man nie ganz los. Das Polizeigebäude am S-Bahnhof Pankow ist dasselbe wie damals, nur der ABV mit seinem Hund geht nicht mehr rum. Vergangenheit ist schön und schmerzlich. Aber es tut gut, sich umzudrehen und weiterzugehen. Mit „Pankow“ verabschieden wir uns auf unsere Weise. Ich will nicht unter der Erde liegen, und dann halten falsche Freunde eine Grabrede, bei der man aus der Erde springen will, um ihnen eine zu scheuern. Wenn ich etwas von meinem stalinistischen Vater gelernt habe, dann das: Er schrieb sich seine Grabrede selber. Nach vielen Jahren in Pankow lebt André Herzberg wieder in Pankow. Was macht den Bezirk aus? Berlin ist für mich eine Anhäufung von vielen Dörfern. Das Dorf Pankow ist meistens eine Baustelle, andauernd stößt man an Baken. Es ist gut, dass sich viel verändert und hier viele Kinder sind – aber die Provinzialität bleibt. Es gibt noch immer den Wochenmarkt mit seinen komischen Klamottenständen, da laufen noch immer die wütenden alten Männer rüber. Übrigens, vorm Rathaus Schöneberg, wo Kennedy einst die Welt nach Berlin rief, sieht der Wochenmarkt genauso aus. Vom Alexanderplatz will ich gar nicht reden. Doch, gerne. Berlin ist immer noch so wie in Alfred Döblins großartigen Roman. In der Verfilmung steht der alte George auf dem Alex und hält in seiner Hand ein Stehaufmännchen: Sehen Sie, meine Damen und Herren, er steht immer wieder auf! So sind die Berliner: ein bisschen traurig und melancholisch – aber immer mit dem Trotz, weiterzumachen. Ruppig und doch liebevoll. Ein bisschen wie unsere Musik. Musikalisch sind Sie noch immer viel in Ostdeutschland unterwegs. Merken Sie über die Jahre eine Veränderung beim Publikum? Viele Menschen haben Angst. Demokratie ist unheimlich mühselig. Es macht keinen Spaß, mit jedem Idioten über jedes Gesetz zu diskutieren. Wer wünscht sich die Welt nicht einfach? Freiheit ist für viele Menschen nicht erstrebenswert. Dafür können sie sich nichts kaufen. Sie wollen ihre Scholle und ihre Ruhe haben. Warum André Herzberg als Musiker noch keine Ruhe geben will, wie er sein erstes Konzert in West-Berlin erlebte und warum er einen Suizidversuch unternahm, erzählt er im ganzen Interview – nachzulesen hier. | |||
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By the way (BTW) zur Bundestagswahl (BTW): Wahlkämpfe sind immer Lehrstunden in politischer Dialektik. Während die deutsche Wirtschaft weiter eher den Bach runter geht, stellte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Donnerstag in Berlin sein neues Buch vor; Titel: „Den Bach rauf“. Oder wie Thees Uhlmann singt: „Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf“ (schönes Video hier). Und auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kann offenbar anders sein als gedacht, also: nicht zögerlich. Auf die Frage, ob er in ein Kabinett eines möglichen CDU-Kanzlers Friedrich Merz einziehen würde, antwortete er bei RTL prompt: „Ganz bestimmt nicht.“ Er wolle lieber weiter die Regierung anführen. Die direkte Antwort der Wählerinnen und Wähler darauf erwartet ihn in 38 Tagen. | |||
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