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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Freitag, 10.02.2023 | bedeckt bei -1 und 4°C. | ||
+ Neue Wahlumfragen: CDU führt, ein Drittel der Wähler ist unentschlossen – und unzufrieden mit Berlin + Abgeordnetenhaus beschließt Rückkehr zur Lehrer-Verbeamtung + Giffey verzichtet auf Wohnungsbau am Zentralen Festplatz + |
von Lorenz Maroldt |
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Guten Morgen, drei Tage vor der Wahl gibt es drei neue Meinungsumfragen – mit leicht verschieden Werten, aber einem klaren Bild: Die CDU führt stabil, die SPD etabliert sich auf Platz 2, die Grünen schwächeln. Erstmals wäre nach den Zahlen von zwei Instituten selbst dann eine Zweierkoalition von CDU und SPD möglich, wenn die FDP im Abgeordnetenhaus bleibt. Alle drei Umfragen ließen aber auch eine Fortsetzung der bisherigen rot-grün-roten Koalition zu. Die CDU bliebe dann trotz eines Wahlsiegs in der Opposition – ein Szenario, das ihr Generalssekretär Stefan Evers schon mal vorsorglich einen „Wahl-Klau“ nennt. Der frühere CDU-Bundesgeneralsekretär und Ex-MdB Ruprecht Polenz kommentierte das gestern so: „Es ist gefährlich für unsere Demokratie, wenn mit solchen Sprüchen eine Regierungsbildung delegitimiert werden soll, die ohne die stärkste Partei erfolgt, sich aber auf eine Mehrheit im Parlament stützen kann. Bei Trump kann man beobachten, wie dieses Gift wirkt.“ | |||
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Noch interessanter als die Umfragezahlen für die Parteien sind die Stimmungen in der Stadt, die von den Demoskopen aufgespürt werden. So stellt Forsa-Chef Manfred Güllner fest: + Viele Berliner Wahlberechtigte empfinden das personelle und inhaltliche Angebot der Parteien „als Zumutung“. + Es gibt „extremen Unmut über die von der rot-rot-grünen Koalition betriebene Politik, die die Interessen der großen Mehrheit der Berliner außer Acht lässt.“ + Ein CDU-geführter Senat werde von vielen aber „nicht als wählbare Alternative gesehen, weil der Partei wenig politische Kompetenz zugetraut wird“. Im Ergebnis warnt Güllner sogar davor, den Umfragewerten der Parteien zu trauen: „Die in der Stadt herrschende Ratlosigkeit lässt in noch geringerem Maße verlässliche Aussagen über den Ausgang der Wahl zu, als es ohnehin bei den meisten Wahlen der Fall ist. Die vor der Wahl ermittelten Stimmungen in Berlin könnten daher noch stärker als sonst von den Stimmen abweichen, die die Parteien am Wahltag erhalten.“ | |||
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Tatsächlich geben immer noch rund ein Drittel der Befragten an, noch nicht sicher zu wissen, wen oder ob sie wählen wollen. Ebenfalls ein Drittel der Berlinerinnen und Berliner leben laut Forsa nicht mehr gerne in Berlin – ein alarmierender Wert, denn: „Eine so geringe Identifikation mit dem eigenen Wohnort ist in der gesamten Republik ansonsten nur äußerst selten anzutreffen.“ Da bekommt die Senatsparole „Berlin ist anders“ doch eine ganz neue Bedeutung. | |||
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Forsa hat auch nach der Meinung zur autofreien Friedrichstraße gefragt – das Ergebnis: Nur die Anhänger der Grünen sind mehrheitlich dafür, die Anhänger der SPD nicht einmal zu einem Drittel, bei Anhängern von CDU und FDP gerade mal 8 bzw. 9 Prozent. Nur ein Beispiel von vielen – Güllner sieht insgesamt im siebten Jahr der rot-grün-roten Koalition „eine tiefe Spaltung der Stadt“, die es so nirgendwo sonst gibt. Die Friedrichstraße war auch ein Streitpunkt im Tagesspiegel-Wahltriell und hat es nicht zuletzt wegen dieser Passage hier von der Veranstaltung auch in den „Spiegel“ geschafft. Unbeantwortet blieb die Frage, warum die Verkehrswende in Berlin eigentlich immer so aussehen muss wie eine Dauerbaustelle mit Sperrmüllmöbelablage. | |||
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Was die Grünen betrifft, ist ein Detail aus unserer Civey-Umfrage besonders bemerkenswert: Nur rund 70 Prozent der Wähler, die auf Bundesebene grün wählen, wollen auch in Berlin grün wählen – das ist der niedrigste Wert aller Parteien. Und so sehen die Zahlen im Einzelnen aus (Civey für Tagesspiegel und Spiegel, Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF, Insa für Bild). CDU: 24 bis 25% SPD: 19 bis 22% Grüne: 17 bis 18% Linke: 11 bis 12% AfD: 10% FDP: 6 bis 7% Sonstige: 10% | |||
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Wahlpost von Max Landero („Ich bin ihr direkt gewählter Abgeordneter“). Viele Infos finden sich auf dem zweiseitigen Schreiben – nur eine fehlt: Für welche Partei tritt der „Anwohner, Vater von Kindern, Angestellter eins großen lokalen Kitaträgers“ denn an? Darauf gibt es keinen Hinweis, kein Logo, kein Text, keine Adresse, nicht mal im Kleingedruckten. Landero ist im Fischerinsel-Kiez bekannt, auch diesmal fährt er wieder mit seinem dreirädrigem Wahlmobil herum. Aber warum verschweigt er hier seine Partei? Dem Checkpoint versichert Landero: Ein Fehler, keine Absicht! Es sei leider alles „sehr kurzfristig finanziert“ und „mit heißer Nadel gestrickt“ gewesen. Na dann, kommt vor. Fehlt noch was? Ach ja: Landero ist in der SPD, wie hier an den Fahnen zu erkennen ist. | |||
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Eher sehr langfristig und mit mehrfach gebrochener Nadel gestrickt war die Rückkehr Berlins zur Lehrkräfte-Verbeamtung. Gestern war es endlich so weit, das Abgeordnetenhaus stimmte zu – 18 Jahre nach dem Ausstieg und 9 Jahre nach dem Beginn des großen Berliner Pädagogen-Mangels, der mehreren Schülergenerationen ihre Zukunftschancen versaut hat, weil ihre Lehrerinnen und Lehrer anderswo ihre Zukunft gesucht haben. Ein Lehrbeispiel für schädliche politisch Sturheit auf Kosten der Kinder dieser Stadt. | |||
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Ein Dankesschreiben von Franziska Giffey an den Immobilienentwickler „Primus“ für eine 9.999-Euro-Parteispende („Sie können mich bei Fragen und Anregungen gerne direkt ansprechen“) hat ein parlamentarisches Nachspiel: In einer noch unveröffentlichten Antwort des Senats auf eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Katrin Schmidberger (DS 14662) werden dutzende Baugenehmigungen mehrerer Bezirke für das Unternehmen benannt – in einigen Fällen befasste sich die Bauverwaltung von Andreas Geisel mitWidersprüchen. Zur Frage, wie oft sich die „Primus“, deren Spende um 1 Euro unter der Veröffentlichungspflicht liegt, direkt an die Regierende Bürgermeisterin gewandt hat, teilt die Bauverwaltung mit: „Dazu liegen dem Senat keine Informationen vor.“ | |||
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Der Senat der „Stadt der Freiheit“ (Senatseigenwerbung) hat ein Problem mit der Freiheit von Informationen – trotz des Informationsfreiheitsgesetzes. Das zeigt eine noch unveröffentlichte Antwort der Innenverwaltung auf einer Anfrage des FDP-Abgeordneten Roman-Francesco Rogat (DS 14715): Es gibt dazu nicht einmal eine brauchbare Statistik. Staatssekretär Torsten Akmann teilt dazu mit: „Anträge auf Akteneinsicht oder Aktenauskunft werden nicht in jedem Fall dokumentiert. Die Antworten sind daher nicht erschöpfend. Statistische Erhebungen liegen bei den öffentlichen Stellen des Landes Berlin oftmals nicht in digitaler Form vor. Für eine statistisch belastbare Antwort wäre eine händische Auswertung sämtlicher Papierakten notwendig. Dies hätte einen unzumutbaren und auch in Abwägung mit dem parlamentarischen Fragerecht nicht zu rechtfertigenden Verwaltungsaufwand zur Folge.“ Für den Senat ist die schleppende Digitalisierung der Verwaltung also manchmal auch ganz praktisch, um neugierige Fragesteller abzuwimmeln. Rogat kündigt aber an, dranzubleiben: „Die Berliner dieser Stadt wollen wissen, was in ihrem Kiez und in ihrer Stadt passiert. Wir müssen ihnen alle Informationen bereitstellen, die nicht die öffentliche Sicherheit gefährden.“ | |||
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Als Grüne und Linke die geplante Bebauung der Elisabeth-Aue im Pankower Norden ablehnten, warf Franziska Giffey ihren Koalitionspartnern „Zukunftsverweigerung“ vor: „Das Verhindern von Wohnungsneubau ist nicht progressiv, sondern rückwärtsgewandt und wirklichkeitsfern.“ Jetzt meldet die „B.Z.“, dass Giffey den Schaustellern per Schreiben einen Bestandsschutz für den Zentralen Festplatz am Kurt-Schumacher-Damm garantiert: „Eine Nutzung als möglicher Wohnungsbaustandort wurde vom Senat verworfen.“ Im Koalitionsvertrag klang das noch ganz anders – dort steht: „Wohnungsbaupotenziale wie zum Beispiel die Elisabeth-Aue, Zentraler Festplatz und Späthsfelde werden im Rahmen der Überarbeitung des ‚StEP Wohnen‘ ausgelotet und mit konkreten Zahlen untersetzt.“ Dazu der SPD-Abgeordnete Mathias Schulz, der hier seinen Wahlkreis hat: „Hier könnte in Zukunft ein ganz neues Stadtquartier mit bis zu 2000 Wohnungen entstehen, die wir in Berlin so dringend benötigen!“ Es kommentiert Ex-SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück: „Hätte, hätte, Fahrradkette“. | |||
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