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Tagesspiegel Checkpoint vom Dienstag, 25.04.2023 | dicht bewölkt, windig, zwischen 7 und 10°C. | ||
+ Klimaaktivisten blockieren Rettungswagen in Berlin + Neue Senatorinnen und Senatoren im Checkpoint-Porträt + Geiselnahme in Berlin-Schöneberg beendet – Tatverdächtiger tot + |
von Robert Ide |
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Guten Morgen, vielleicht sind wir die letzte Generation, die noch regelmäßigen Regen erlebt. Vielleicht sind wir die letzte Generation, die sich noch über stockenden Stadtverkehr in Berlin aufregt. Vielleicht sind wir die letzte Generation, die erbittert um das Selbstverständliche streitet: dass das Leben erhaltenswert ist. Selbstverständlich gehört dazu, für den so dringend nötigen Klimaschutz zu protestieren, wenn er etwa von der Tempolimit-Verbotspartei FDP politisch blockiert wird. Es gehört auch dazu, uns daran zu erinnern, dass wir alle selbst zu wenig tun, um unsere Erde für die Natur lebenswert zu halten und für uns Menschen dauerhaft bewohnbar zu erhalten. Dazu gehört aber ebenso, Betroffenen in Not nicht die akute Hilfe zu erschweren, sie gar zu behindern. Durch gut 40 Blockaden der so genannten „Klima-Kleber“ der selbst ernannten „Letzten Generation“ am Montag (Live-Blog hier) sind in Berlin 17 Rettungswagen aufgehalten worden, darunter waren nach Angaben der Feuerwehr mindestens sieben Fahrzeuge im Noteinsatz. Manche von ihnen hätten vielleicht sowieso im alltäglichen Verkehrsstau gestanden, alle von ihnen ganz sicher nicht. Die „Letzte Generation“ wird auf diese Art wohl kaum mehr Menschen davon überzeugen können, selbst mehr für den so dringend nötigen Klimaschutz zu tun. Für ein gutes Klima zwischen den Menschen tut sie zumindest nichts. | |||
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Alles neu macht noch der April: CDU und SPD werden Berlin durch die nächsten drei Jahre führen – wenn am Donnerstag im Abgeordnetenhaus nichts mehr dazwischen kommt, mit Kai Wegner als neuem Regierenden Bürgermeister. Die kleine Koalition des größten gemeinsamen Nenners insbesondere in der Bau-, Verkehrs- und Innenpolitik wird allerdings von einer Juniorpartnerin geprägt sein, die sich durch den Gang in das ungeliebte Bündnis selbst geschwächt hat – und von Franziska Giffey nur noch mit schwachem Rückhalt angeführt wird. Liebling, sie haben die SPD geschrumpft – dies dürfte der Parteivorsitzenden und ihrem Co-Chef Raed Saleh von der skeptischen Basis nur schwer verziehen werden. „Für die SPD ist das alles ein Desaster“, schreibt etwa die frühere SPD-Staatssekretärin Sawsan Chebli, während die CDU einstimmig die neue Koalition bejubelt. Und was sagt Franziska Giffey dazu? „Wir haben keine Veranlassung, dieses Thema jetzt zu behandeln.“ Huch, schon passiert. | |||
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Fast schon nicht mehr erstaunlich ist, dass bei der Bekanntgabe der künftigen Senatorinnen und Senatoren eher die CDU als die SPD durch mutige Diversität besticht. Hier eine Übersicht über die künftigen Regierenden der deutschen Hauptstadt – und ihre diversen Wege ins Amt: Regierender Bürgermeister – Kai Wegner (CDU): In Spandau aufgewachsen, in der CDU erwachsen geworden, einte er die viele Jahre zerstrittene Landespartei und setzte bei der Wiederholungswahl auf die Stimmung in den autofreundlichen Außenbezirken. Wird besonders an seinem Versprechen gemessen werden, dass Berlins Verwaltung bald wieder funktioniert. Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe sowie Bürgermeisterin – Franziska Giffey (SPD): Geboren in Frankfurt (Oder) und groß geworden in der DDR kam sie zum Studieren nach Berlin. Sie überzeugte als Neuköllner Bezirksbürgermeisterin, fiel als Bundesfamilienministerin über ihre plagiierte Doktorarbeit und als Regierende Bürgermeisterin über die von der SPD politisch zu verantwortende Wiederholungswahl. Erhofft sich als Wirtschaftssenatorin weniger Sorgen. Senator für Finanzen – Stefan Evers (CDU): Ursprünglich aus Paderborn kam er in Berlin zur Politik. Selbst in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebend setzte er sich in der CDU für die Ehe für alle ein. Als Generalsekretär predigte er seiner Partei mehr Bürgernähe und organisierte die erfolgreiche Kampagne zur Wiederholungswahl. Hat mit seinem Amt eine große Vetomacht. Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen – Christian Gaebler (SPD): Geboren und sozialisiert im Berliner Westen ist der Ingenieur und Restaurantbesitzer vielfach vernetzt. Einen Namen machte er sich als Verkehrspolitiker, als früherer Staatssekretär kennt er die große Stadtentwicklungsverwaltung bestens. Dem langjährigen Chef der Senatskanzlei ist kein Berliner Problem fremd. Nun soll er das wichtigste lösen und bezahlbaren Wohnraum schaffen. Senatorin für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt – Manja Schreiner (CDU): Geboren in Wismar mit Lebensstationen in Rostock und Kairo arbeitete die Juristin lange in Wirtschaftsverbänden. Als Hauptgeschäftsführerin der Fachgemeinschaft Bau setzte sie sich gegen Regulierungen beim Neubau ein. In Verkehrs- und Umweltfragen ist sie noch keine Expertin. Senatorin für Inneres und Sport – Iris Spranger (SPD): Geboren in Halle (Saale) erlebte sie den Umbruch als Jura-Studentin in Ost-Berlin. Als frühere Staatssekretärin für Finanzen und erste Frau an der Spitze der Innenverwaltung kennt sie die Fallstricke der Berliner Politik, im Amt gewann sie die Anerkennung vieler Rettungskräfte. Will sich durch eine weiterhin störungsarme Politik in der SPD unverzichtbar machen. Senatorin für Justiz und Verbraucherschutz – Felor Badenberg (parteilos, für CDU): Geboren in Teheran kam die Iranerin mit zwölf Jahren nach Deutschland. Nach ihrem Jura-Studium in Köln machte sie Karriere beim Bundesamt für Verfassungsschutz, baute die Cyberabwehr auf, bekämpfte den Rechtsextremismus und sorgte für die Einstufung der AfD als Verdachtsfall. Die Vizepräsidentin des Amtes genießt parteiübergreifend Respekt – ihre Berufung ist ein Coup der CDU. Senatorin für Integration, Arbeit, Soziales, Vielfalt und Antidiskriminierung – Cansel Kiziltepe (SPD): Geboren und groß geworden in West-Berlin arbeitete die Tochter türkischer Eltern als Volkswirtin. Für die SPD trat sie im Bundestag für eine gewerkschaftsnahe Politik sowie mehr Steuergerechtigkeit ein. Sie könnte sich neben der fortdauernden Integration Geflüchteter als Stimme von Mieterinnen und Mietern etablieren. Senatorin für Bildung, Jugend und Familie – Katharina Günther-Wünsch (CDU): Geboren in Dresden erlebte sie den Mauerfall mit sechs Jahren. Als Lehrerin unterrichtete sie auch in Namibia und Südafrika. In Neukölln stieg sie zur Schulleiterin auf, in Marzahn-Hellersdorf machte sie Kommunalpolitik. Mit ihr und erstmals seit 27 Jahren ohne SPD-Leitung soll in der Schulpolitik endlich alles besser, zumindest weniger chaotisch werden. Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung – Ina Czyborra (SPD): Geboren und sozialisiert im Berliner Südwesten machte die Archäologin in der Berliner SPD eine lange Karriere. Die Landesvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt ist auch in Wirtschaftskreisen gut verdrahtet. Im heiklen Gesundheitsbereich ist sie allerdings noch nicht aufgefallen. Senator für Kultur, Zusammenhalt, Engagement- und Demokratieförderung – Joe Chialo (CDU): Geboren als Sohn einer tansanischen Diplomatenfamilie wuchs er in Bonn auf. Zunächst Fräser und Türsteher kam er als Sänger von Hardrock-Bands in die Musikbranche. Hier baute er Labels auf, war Jurymitglied beim Eurovision Song Contest. Politisch wechselte er von den Grünen zur CDU, kandidierte in Spandau und wurde von der Bundespartei gefördert. Nun muss er seine Stimme in der Verwaltung hörbar machen. Noch mehr über Berlins Regierungsmannschaft inklusive der neuen Staatssekretärinnen und Staatssekretäre finden Sie hier, alles über Stärken und Schwächen der Senatsmitglieder erfahren Sie hier, alles über den Abschied im Wirtschaftsressort lesen Sie hier, alles über den Neuanfang in der Bildungsverwaltung entdecken Sie hier. In diesem Anfang liegt zumindest kein Zaudern inne. | |||
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Berlin ist täglich voller Dramen, eines spielte sich Montagmittag am Zionskirchplatz in Mitte ab. Im Eckhaus Zionskirchstraße 22/24 stürzte nach Checkpoint-Informationen im Dachgeschoss des Hinterhauses ein alter Schornstein ein. Dabei starb ein Mann, eine weitere Person musste verletzt ins Krankenhaus gebracht werden, ein dritter Erwachsener blieb unverletzt, berichtete Feuerwehr-Sprecher James Klein auf Anfrage. In dem Haus, das durch die alteingesessene Cafébar „Kapelle“ über den Kiez hinaus bekannt ist, finden gerade Bauarbeiten statt. Nach Berichten von Anwohnern werde das Haus seit Jahren systematisch entmietet, demnach befänden sich kaum noch Mietparteien im Haus. Das Café ist vorübergehend geschlossen, nach Auskunft des bisherigen Betreibers finde hier gerade ein Betreiberwechsel statt. Die Polizei wollte am Montagabend keine Auskunft zu dem Todesfall geben; eine Mieterin des Hauses wollte sich erst mit ihrem Anwalt besprechen. Bereits im November 2019 hatten die damaligen Bewohnerinnen und Bewohner in einem Brief gegen den neuen Besitzer des Hauses opponiert. Demnach habe dieser das alte Eckhaus teuer erworben und danach gleichzeitig Anträge gestellt, es abreißen zu können oder sanieren zu dürfen. Einem damaligen Tagesspiegel-Bericht zufolge besteht das Hauptgeschäft des Investors aus Errichtung und Verkauf von Microflats: Wohneinheiten von 15 bis 30 Quadratmetern, die große Renditesteigerungen versprechen. Meist sind sie teilmöbliert, dann entfällt die Mietpreisbremse. Steckt hinter dem Todesdrama am Zionskirchplatz auch noch eines auf dem Berliner Immobilienmarkt? | |||
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Experten stellen Konzept für generationengerechte Pflegekostenversicherung vor. Im Koalitionsvertrag hat die Ampel eine Entlastung für die Bewohner von Pflegeheimen in Aussicht gestellt. Ein von der PKV eingesetztes unabhängiges Gremium hat dafür nun ein Konzept vorgelegt. Es setzt auf kapitalgedeckte Zusatzvorsorge – nachhaltig und solide kalkuliert. Zum Konzept | |||
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Man darf ja gar nichts mehr sagen heutzutage. Menschen, die so etwas öffentlich sagen (und schon damit ihre Behauptung selbst widerlegen), sollten sich öfter an die Zustände in der DDR zurückerinnern. Hier waren Lieder und Filme wegen kritischer Inhalte verboten, hier wurden Leute wegen ihrer frei artikulierten Meinung verhaftet. Mit zwei Menschen aus Berlin, die das selbst erlebt haben, wollen wir in einer Woche im Tagesspiegel debattieren: Die Bürgerrechtlerin Marianne Birthler betreute im Herbst der friedlichen Revolution das Kontakttelefon der DDR-Opposition an der Gethsemanekirche, der Musiker André Herzberg sang mit seiner bekannten Band „Pankow“ gegen die Diktatur an. Was bedeutet ihnen Meinungsfreiheit heutzutage, wo findet sie ihre Grenzen – was will, darf, sollte man nicht mehr sagen? Am Donnerstag, den 4. Mai diskutieren Birthler und Herzberg ab 19 Uhr mit mir im Rahmen der „Woche der Meinungsfreiheit“ im Tagesspiegel-Gebäude am Anhalter Bahnhof, zuvor berichten die ostdeutsche Redakteurin Maria Fiedler, Chefredakteur Christian Tretbar und Checkpoint-Kollege Julius Betschka von ihren Erfahrungen im vereinten Land. Wollen Sie live dabei sein? Dann sichern Sie sich Ihr Ticket hier. Ich freue mich, wenn wir uns sehen. Und frei miteinander reden. | |||
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