## Abschnitt Drei: Nachrichten.
# 10: Journalisten mit Spysoftware “Pegasus” angegriffen .
Die Angriffssoftware “Pegasus” der privaten NSO Group ermöglicht die feindliche Übernahme von Mobilphonen weltweit. Behörden überwachen damit nicht nur Kriminelle und Terroristen, sondern auch Aktivisten, Anwälte, Journalisten, Oppositionelle und Politiker. Schutz dagegen gibt es praktisch nicht.
Schon seit 2015 weist die Recherchegruppe “Forensic Architecture” darauf hin, dass die NSO Group “State Terror” ermöglicht. Im August 2016 entdeckte das “Citizen Lab” der Universität Toronto auf dem Mobilphon eines Menschenrechtsaktivisten aus den Vereinigten Arabischen Emiraten einen Angriffsversuch.
Neu ist ein Leak: Der in Paris basierten Recherchegruppe “Forbidden Stories” wurde eine Liste mit etwa 50.000 Telefonnummern zugespielt, die möglicherweise mit Pegasus angegriffen wurden oder noch werden.
Solch eine Liste ist ein großes Rechercheproblem. Zum einen sind Telefonnummern weltweit (ausser solchen der USA) aufgeführt, also braucht man internationale Partner. Zum andern kann man die Liste ja nicht einfach so abtelefonieren und nachfragen “Warum werden Sie denn überwacht und wer könnte das denn machen?” Während die Überwacher möglicherweise mithören! Zudem: die Besitzer der Anschlüsse könnten ja auch wirklich Kriminelle oder Terroristen sein, und die möchte man nicht warnen.
Unter dem Namen “Pegasus Project” kam es unter Federführung von Forbidden Stories und mit technischer Unterstützung des Security Lab von Amnesty International zu einer Zusammenarbeit von Knack und Le Soir (Belgien), NDR, Süddeutsche Zeitung, WDR und Die Zeit (Deutschland), Le Monde und Radio France (Frankreich), The Wire (Indien), Haaretz (Israel), Aristegui Noticias und Proceso (Mexiko), Daraj (Syrien), The Guardian (UK), Direkt36 (Ungarn), CNN, Frontline, The Washington Post, (USA) und des internationalen Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP). Einige der Recherchen wurden vom Citizen Lab geprüft.
Die bisherigen Erkenntnisse sprechen eine klare Sprache: Mit Pegasus werden nicht nur mutmaßliche Kriminelle und Terroristen angegriffen. Die Telefonnummern von mehr als 180 Journalisten stehen auf der Liste, ebenso betroffen sind Geschäftsleute und Führungskräfte aus der Wirtschaft, religiöse Führer, Menschenrechtsaktivisten, Gewerkschafter, Militärs, Beamte und Politiker.
Mit Pegasus kann die NSO Group Mobiltelefone infizieren. Auf befallenen Geräten können Gespräche abgehört, Kamera und Mikrofon aktivert, der Standort ermittelt werden. Der Angreifer hat Zugriff auf das komplette Adressbuch und kann den Browserverlauf auslesen. Verschlüsselte Messengerkommunikation kann mitgeschnitten werden, denn die Nutzer tippen ja Klartexte ein, ehe die Verschlüsselung beginnt. Ebenso können Passwörter mitgeloggt werden. Zugriff auf sämtliche Dokumente und Fotos auf dem Gerät ist ebenso möglich. Zeit Online hat das in einem Erklärvideo sehr plastisch dargestellt.
“Die Zeit” hat beim Bund und bei allen Bundesländern abgefragt, ob dort Programme der NSO Group eingesetzt würden. Den Einsatz von Pegasus bei der Polizei wurde von Allen bestritten, Auskünfte über die Verfassungsschutzbehörden aber von Allen verweigert.
Ein Grund zur Beruhigung ist das nicht: nach den neuen Gesetzen zur sogenannten Quellen-Telekommunikationsüberwachung sind alle deutschen Geheimdienste (BND, MAD, Bundesamt für Verfassungsschutz sowie die VS-Landesämter) berechtigt, genau das zu tun, was die NSO macht: Sicherheitslücken auf dem Schwarzmarkt zu kaufen, um sie dann zu nutzen. Man kann auch sagen: die deutschen Dienste sind auf eine Dienstleitung wie Pegasus gar nicht angewiesen, weil sie das selber dürfen.
Das Grundproblem bleibt ungelöst: Sicherheitslücken, die nicht geschlossen werden, gefährden die Sicherheit aller Nutzer! Es ist paradox: wenn die staatlichen Überwachungsorgane im Kampf gegen den Terrorismus zu solchen Mitteln greifen, senken sie das Sicherheitsniveau ihrer Gesellschaften. Dass in diesem Geschäft jetzt auch gewinnorientierte, privatwirtschaftliche Unternehmen teilhaben, verschärft die Lage zusätzlich.
Vom Security Lab von Amnesty International gibt es das “Mobile Verification Toolkit” (MVT). Damit kann man Geräte nach Spuren von Spyware untersuchen.
Digital Violence: How The NSO Group Enables State Terror
Forensic Architecture, 2015
https://forensic-architecture.org/investigation/digital-violence-how-the-nso-group-enables-state-terror
The Million Dollar Dissident NSO Group’s iPhone Zero-Days used against a UAE Human Rights Defender
By Bill Marczak and John Scott-Railton. – Citizen Lab, 24.08.2016
https://citizenlab.ca/2016/08/million-dollar-dissident-iphone-zero-day-nso-group-uae/
Pegasus Project: All the Articles
Forbidden Stories gathered all the article from the Pegasus Project here
https://forbiddenstories.org/pegasus-project-articles/
Pegasus: The new global weapon for silencing journalists
At least 180 journalists around the world have been selected as targets by clients of the cybersurveillance company NSO Group, according to a new Forbidden Stories investigation, published today.
By Phineas Rueckert July 18, 2021
https://forbiddenstories.org/pegasus-the-new-global-weapon-for-silencing-journalists/ ,
https://forbiddenstories.org/case/the-pegasus-project/
So können Staaten nahezu jedes Mobiltelefon weltweit hacken
Die Cyberwaffe Pegasus greift Smartphones über Sicherheitslücken unbemerkt an. Wer die Ziele sind und warum eine Gegenwehr mittlerweile zwecklos ist. Ein Erklärvideo
Von Sven Wolters. – Zeit online, 18. Juli 2021
https://www.zeit.de/video/2021-07/6264175261001/the-pegasus-project-so-koennen-staaten-nahezu-jedes-mobiltelefon-weltweit-hacken
Pegasus Project
Cyber-Angriff auf die Demokratie
https://www.zeit.de/schwerpunkte/pegasus-project
Das Pegasus-Projekt
Cyberangriff auf die Demokratie
18. Juli 2021
https://projekte.sueddeutsche.de/artikel/politik/pegasus-project-cyberangriff-auf-die-demokratie-e519915/
The Pegasus-Project
Global Democracy under Cyber Attack
Massive data leak reveals Israeli NSO Group’s spyware used to target activists, journalists, and political leaders globally
Amnesty International, 18.07.2021
https://www.amnesty.org/en/latest/news/2021/07/the-pegasus-project/
Forensic Methodology Report: How to catch NSO Group’s Pegasus
Amnesty International, 18.07.2021
https://www.amnesty.org/en/latest/research/2021/07/forensic-methodology-report-how-to-catch-nso-groups-pegasus/
iPhones selbst auf Pegasus und andere Spyware prüfen
Das Mobile Verification Toolkit (MVT) von Amnesty International untersucht Android und iOS-Geräte nach Spuren von Spyware, wie sie Pegasus von NSO hinterlässt.
Von Alexander Königstein. – heise Security, 22.07.2021
https://www.heise.de/hintergrund/iPhones-selbst-auf-Pegasus-und-andere-Spyware-pruefen-6143960.html
Pegasus-Projekt – RSF klagt gegen digitale Überwachung
Reporter ohne Grenzen, 21.07.2021
https://www.reporter-ohne-grenzen.de/pressemitteilungen/meldung/rsf-klagt-gegen-digitale-ueberwachung
# 11: RSF veröffentlicht neue Feinde der Pressefreiheit .
Reporter ohne Grenzen hat am 5. Juli eine neue Liste mit den weltweit größten “Feindinnen und Feinden der Pressefreiheit” veröffentlicht. Sie umfasst 37 Staats- und Regierungsoberhäupter, die in besonders drastischer Weise die rücksichtslose Unterdrückung der Pressefreiheit verkörpern.
Mit Viktor Orbán steht zum ersten Mal ein EU-Ministerpräsident auf der Liste, der seit seiner Rückkehr an die Macht im Jahr 2010 Pluralismus und Unabhängigkeit der Medien in Ungarn angreift. Die Regierung Orban steht auch in der Kritik, weil sie mutmaßlich die Überwachungssoftware Pegasus der israelischen NSO Group gegen Journalisten einsetzte (s. #10)
Ebenfalls neu dabei sind
– der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro
– der saudi-arabische Kronprinz Mohammed bin Salman
– die Hongkonger Regierungschefin Carrie Lam
Feinde der Pressefreiheit
https://www.reporter-ohne-grenzen.de/feinde/2021
Pressefreiheit: Ja – aber nur mit Genehmigung
Rolle der Medien in einer Demokratie nicht verstanden? Reporter werfen deutscher Polizei vor, Pressearbeit massiv behindert zu haben
29. Juni 2021 Bernd Müller
https://www.heise.de/tp/features/Pressefreiheit-Ja-aber-nur-mit-Genehmigung-6121858.html
# 12: IP-Telefonie schützen – Anleitung von der NSA .
Von der NSA, National Security Agency, einem der Geheimdienste der USA, stammt ein Leitfaden, um IP-basierte Sprach- und Videoanrufe zu härten, d.h vor Angriffen zu schützen. Das frei zugängliche PDF-Dokument ist vor allem für Netzwerkadministratoren hilfreich.
Deploying Secure Unified Communications/Voice and Video over IP Systems
National Security Agency, June 2021
https://media.defense.gov/2021/Jun/17/2002744054/-1/-1/1/CTR_DEPLOYING%20SECURE%20VVOIP%20SYSTEMS.PDF
(PDF-Datei, 43 S., 820 KB)
Mit diesem Leitfaden der NSA können Admins IP-Telefonie schützen
Die National Security Agency spricht Empfehlungen aus, wie Sprach- und Videoanrufe sicherer werden.
Von Dennis Schirrmacher. – heise Security, 18.06.2021
https://www.heise.de/news/Mit-diesem-Leitfaden-der-NSA-koennen-Admins-IP-Telefonie-schuetzen-6111092.html
# 13: Kampagne “Mehr Transparenz wagen” .
Transparency International Deutschland e.V. startet die Kampagne “Mehr Transparenz wagen”. Die Antikorruptionsorganisation stellt 21 Forderungen an die kommende Bundesregierung, um einen Kulturwandel in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft einzuleiten und dem Vertrauensverlust in demokratische Institutionen entgegenzuwirken. Erst vor kurzem hat das von Transparency International herausgegebene Global Corruption Barometer 2021 ergeben: 62 Prozent der Deutschen teilen die Auffassung, dass die Regierung von einigen großen Interessengruppen bestimmt werde – ein im europäischen Vergleich sehr negativer Wert. Ein Viertel der Befragten glaubt, dass Korruption zuletzt zugenommen habe.
21 Forderungen zur Bundestagswahl 2021
https://www.transparency.de/index.php?id=367
Global Corruption Barometer 2021
https://www.transparency.de/publikationen/gcb-2021/
# 14: OBS-Studie zur Pluralität der wirtschaftsjournalistischen Ausbildung in Deutschland .
Im Wirtschaftsjournalismus dominieren einseitige Sichtweisen. Die Vielfalt wirtschaftswissenschaftlicher Strömungen, Forschungen und Expertise wird nicht genügend abbildet. Diese Kritik untersucht die empirisch breit angelegte Studie von Valentin Sagvosdkin. Er geht der Frage nach, wie wirtschaftswissenschaftlich plural und reflexiv Wirtschaftsjournalisten ausgebildet werden. Es werden grundlegende Qualifizierungszugänge identifiziert und über 300 Modulbeschreibungen aus 17 Studiengängen von sechs Universitäten und drei Hochschulen im Hinblick auf ökonomische “Pluralität” und auf “Reflexivität” untersucht. Die Ergebnisse unterstreichen, dass sich diese wirtschaftsjournalistischen Zugänge nicht durch inhaltliche Breite auszeichnen, sondern eine wirtschaftspolitische Schlagseite aufweisen.
Qualifiziert für die Zukunft? Zur Pluralität der wirtschaftsjournalistischen Ausbildung in Deutschland / von Valentin Sagvosdkin
(OBS-Arbeitsheft 104)
https://www.otto-brenner-stiftung.de/wissenschaftsportal/informationsseiten-zu-studien/qualifiziert-fur-die-zukunft/
Studie: Wirtschaftsjournalisten verstehen ihr Fach nicht
Als Experten werden oft nur “marktfreundliche” männliche Ökonomen befragt. Das wirkt sich auf die Berichterstattung über Gerechtigkeits- und Ungleichheitsdebatten aus
Von Bernd Müller. – Telepolis, 03.07.2021
https://www.heise.de/tp/features/Studie-Wirtschaftsjournalisten-verstehen-ihr-Fach-nicht-6128122.html
# 15: OBS-Arbeitsheft – Medienjournalismus ist besser als sein Ruf .
Wissenschaftler der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg haben die Medienseiten der überregionalen Printausgaben SZ, FAZ und taz sowie der Regionalzeitungen WAZ, Tagesspiegel und Kölner Stadt-Anzeiger analysiert. Insgesamt wurden über 2000 Medienartikel untersucht. In Interviews mit verantwortlichen Medienredakteuren wichtiger Printorgane wurden Objektivität, Ausgewogenheit und Themenvielfalt der aktuellen Medienberichterstattung diskutiert.
Der Medienjournalismus deutscher Tageszeitungen zeichnet sich durch eine überwiegend sachliche Berichterstattung aus. Festgestellt wurde ein ausgeglichener Mix von ‘harten’ medienpolitischen Themen einerseits und ‘weichen’ Unterhaltungsthemen andererseits. Politische Parteien werden im Medienjournalismus nicht verzerrt dargestellt; über die “Systemkonkurrenz” der öffentlich-rechtlichen Medien berichten die privatwirtschaftlich organisierten Zeitungen fair und ausgewogen.
Die Studie über “Medienjournalismus in Deutschland” identifiziert aber auch Schwachstellen. Die dringend gebotene Reflexion über die gesellschaftlichen Folgen der Medienumwälzungen kommt zu kurz. Veränderungen durch die Digitalisierung und die Europäisierung der Medien-Landschaft spielen eine untergeordnete Rolle, für Belange des Hörfunks zeigt er zu wenig Interesse.
Medienjournalismus in Deutschland. Seine Leistungen und seine blinden Flecken
von Hektor Haarkötter ; Filis Kalmuk
(OBS-Arbeitsheft 105)
Studie lesen, downloaden, bestellen:
https://www.otto-brenner-stiftung.de/medienjournalismus/
# 16: LobbyControl legt Jahresbericht 2020/21 vor .
Zu den Errungenschaften des letzten Jahres zählt LobbyControl das Lobbyregister, ebenso die Verschärfungen der Regeln für Abgeordnete, die im Zuge der Unionsskandale um Maskendeals und Aserbaidschan-Connections eingeführt wurden.
Jahresbericht 2020/21
https://www.lobbycontrol.de/2021/07/jahresbericht-2020-21/
[Ende der Nachrichten].