Liebe Leserin, Lieber Leser,
hinten, kurz vor dem Ausgang, lag das Original von Schindlers Liste. Ich steuerte auf die Glasvitrine zu. „Was für ‘ne Liste?“, fragten die Gymnasiasten, die mich in die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem begleitet hatten.
„Na, die von Schindler.”
Keine Reaktion.
„Oskar Schindler. Der Juden vor den Nazis gerettet hat. In seinen Fabriken.”
Fragende Teenager-Blicke.
„Ihr wisst schon, der Spielberg-Film mit Liam Neeson – den kennt ihr doch!”
Ja, von gehört. Gesehen? Noch nicht.
Warum ich das erzähle? Weil die aktuelle Debatte um den 8. Mai – Befreiung? Niederlage? Feiertag? Gedenktag? Alles zusammen? – die wichtigste Zielgruppe gar nicht erreicht: junge Menschen.
Die Lehrer- und Historikerverbände VGD und VHD berichten übereinstimmend von „Relativierung, Verharmlosung und Leugnung“ der NS-Verbrechen, die „immer öfter“ im Klassenzimmer ankommen. Hitler sei Sozialist gewesen, Polen habe den Krieg provoziert und die Juden seien irgendwie mitschuldig.
„Nicht schon wieder Hitler”, wird sowieso gefordert. Das war schon zu meiner Schulzeit in den frühen Neunzigern so – nur dass damals der Geschichtsunterricht nicht dauernd ausfiel. Und dass wir unseren Lehrerinnen und Lehrern noch glaubten: den Fakten, den Quellen, den Zeitzeugen. Weil uns kein soziales Netzwerk im Sekundentakt das Gegenteil erzählte. |