Liebe/r Leser/in, es war am vergangenen Sonntag, als Hunderte Menschen nach Srigim nahe Bet Schemesch strömten, um sich von Shani Louk zu verabschieden. Ihr Sarg, bedeckt von Israels Fahne.
Sonnenblumen und Gerbera. Die Armee hatte ihren Körper aus den Tunneln der Hamas befreit. Ich sah die Bilder der Beerdigung – und hatte sofort auch jene des Grauens vor sieben Monaten im Kopf: der verdrehte Körper der Deutsch-Israelin auf der Ladefläche des Pick-ups, entführt, geschunden und gedemütigt vor den Augen der Welt.
Die Beisetzung fand also am Sonntag statt – und keine 24 Stunden danach beantragte Karim Khan, Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag, Haftbefehle gegen Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, Israels Verteidigungsminister Joaw Gallant sowie gegen die Hamas-Führer Jahja Sinwar, Mohammed al-Masri und Ismail Hanija.
Wie kann das sein – diese Gleichsetzung von Aktion und Reaktion, verbunden mit einem schnöden „Sowie“? Diese Äquidistanz fühlt sich so falsch an – nach Unrecht im Namen des Völkerrechts. Warum hat Karim Khan erst jetzt die Hamas-Verbrechen zur Anklage gebracht – sie sind seit dem 7. Oktober 2023 grausam detailliert und juristisch eindeutig belegt durch Bilder, Zeugen, Forensik und die Prahlerei der Täter? Und warum nennt er Israel in einem Atemzug – eine Demokratie, die über ein angesehenes Justizsystem verfügt?
Nichts in diesem Konflikt ist Zufall, alles ist Botschaft. Das Vorgehen des Chefanklägers hat keinen juristischen Grund. Es ist eine politische Entscheidung. Man wollte Hamas und Israel auf dieselbe Stufe stellen. Man wollte sie unter einer Überschrift als juristisch gleichwertige Untersuchungsgegenstände etikettieren.
Empörungskaskaden helfen nicht. Ungeheuerlich!, unverzeihlich!, antisemitisch! – wohin soll diese Wut führen? Zur Delegitimierung oder gar Sanktionierung des Gerichtshofes? China und Russland kämen aus dem Feixen nicht mehr raus.
Was aber bleibt? Vor einem Monat schrieb der israelische Historiker Yuval Harari: „Netanjahu hat sich auf Rache konzentriert, mehr noch: Er hat eine humanitäre Katastrophe für 2,3 Millionen Palästinenser hervorgerufen und damit die moralische und geopolitische Basis von Israels Existenz unterminiert. Zusammen mit Gaza liegt auch Israels internationales Ansehen in Trümmern, und wir werden jetzt sogar von vielen unserer ehemaligen Freunde gehasst und geächtet.“
Vor sieben Monaten standen tatsächlich weite Teile der Welt vereint in Solidarität an der Seite des israelischen Volkes. Heute wollen Norwegen, Irland und Spanien Palästina als autonomen Staat anerkennen. Andere europäische Staaten könnten nachziehen. Netanjahu hat sein Land zum internationalen Paria gemacht. Dass die Hamas Menschen als Schutzschilde missbraucht, ist ein grausames Verbrechen, doch auch dies befreit Israels Militär nicht von der Pflicht, der Zivilbevölkerung Leid zu ersparen. Hunger und Durst nicht als Waffe einzusetzen. Leben zu schützen.
Selbstverständlich sollten Gerichte prüfen, ob Kriegsverbrechen geschehen sind. Doch dafür braucht es nicht Den Haag, sondern Israels eigene, voll funktionsfähige Justiz: unbestechlich, beharrlich und dem Völkerrecht verpflichtet. |